Alexander UlrichDIE LINKE - Aktuelle Stunde zur Beteiligung von Bundestag und Bundesrat an der CETA-Ratifizierung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Pfeiffer, Sie haben es richtig beendet: Was sind die Schlussfolgerungen aus dem Brexit in Großbritannien? Ich glaube, wenn es einer Schlussfolgerung bedarf, dann jener, dass dieses unsoziale und antidemokratische Europa endlich beendet werden muss, deshalb müssen auch TTIP und CETA gestoppt werden.
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: So rechtsradikal habt ihr in diesem Haus auch geredet!)
Man hat ja wirklich den Eindruck, dass Herr Juncker den Schuss des Brexit nicht gehört hat. Wer nur wenige Tage nach dieser Entscheidung zum europäischen Rat geht und dort verkündet, das würde ein EU-only-Abkommen, der ist als EU-Kommissionspräsident völlig fehl am Platz.
(Beifall bei der LINKEN)
Ein Neustart Europas ist mit Juncker nicht möglich.
Was wir auch sagen können, ist: Die „Stop TTIP und CETA“-Kampagne hat gestern einen ersten großen Erfolg erzielt. Deshalb kann man nur die vielen, vielen Proteste beglückwünschen – 3,5 Millionen, die sich an der europäischen Bürgerinitiative beteiligt haben. Es ist ein erster großer Erfolg, dass die Nationalparlamente nun mitbestimmen können. Das ist ein großer Erfolg auf dem Weg, TTIP und CETA zu Fall zu bringen. Herzlichen Glückwunsch an die außerparlamentarische Bewegung!
(Beifall bei der LINKEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist die Auffassung der Bundesregierung! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist der Hintergrund für die Beteiligung! Ach so!)
Herr Pfeiffer, wenn Sie hier abwertend sagen, was diese Menschen für Sorgen haben – das tun Sie ja in jeder Rede –, dann sollten Sie sich auch einmal mit diesen Argumenten beschäftigen. Warum gehen denn diese Menschen auf die Straße? Weil sie Angst haben, dass unter dem Deckmantel freien Handels und scheinbarer Arbeitsplätze Arbeitnehmerrechte abgebaut werden, Verbraucherschutzstandards abgesenkt werden und die Demokratie gefährdet wird. Dies alles treibt die Menschen um. Und ich bin beschämt, dass hier Parlamentarier sitzen, denen es offensichtlich egal ist, was mit der Demokratie passiert. Solche Leute wie Sie, Herr Pfeiffer, und andere sind die Sargnägel dieser Europäischen Union und der Menschen in diesem Land.
(Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das merkt man an Ihrer Rede!)
Aber auch wenn wir einen Zwischenerfolg haben, ist der nächste Schritt schon wieder geplant; denn natürlich ist schon das Nächste vorbereitet: dass man dieses Abkommen vorläufig anwenden will. Auch dazu sagen wir klipp und klar: Das lehnen wir als Linke ab. Herr Gabriel, Sie haben auch eine Stimme im Ministerrat. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie im Ministerrat deutlich sagen: Es gibt keine vorläufige Anwendung, ohne dass dies die Nationalparlamente ratifiziert haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen keine Einschränkungen in diesen Bereichen, deshalb muss die vorläufige Anwendung gestoppt werden.
Ich glaube, Herr Gabriel, Sie haben jetzt auch ein Stück weit eine Verantwortung. Sie haben letzte Woche großartig gesagt, Sie wollen die progressiven Kräfte Europas wecken.
(Sigmar Gabriel, Bundesminister: Da gehören Sie aber nicht zu!)
Wer die progressiven Kräfte Europas wecken will, darf TTIP und CETA nicht die Tür öffnen.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Hier geht es um politische Kampagnen und nicht um gute Lebensmöglichkeiten für die Arbeitnehmer!)
Wer die progressiven Kräfte Europas tatsächlich vereinen will, muss Nein sagen zu TTIP und CETA, muss sofort die Verhandlungen stoppen und möglicherweise die Handelsabkommen fairer verhandeln als das, was in den Verträgen steht.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Beckmeyer, ich weiß nicht, ob Sie nicht auch ein wenig beschämt über Ihre Worte sind, als Sie vorhin zu dem, was Abgeordnete der Grünen oder der Linken gesagt haben, sagten: Wer solche Argumente liefert, gehört nicht in dieses Haus.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Das hat er nicht gesagt! Er hat gesagt: Der solle sich überlegen, ob er gehen soll!)
– Man kann es so verstehen. Er hat es so ausgedrückt. Sie können sich die Rede noch einmal durchlesen. – Ich will es noch einmal sagen: Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, deutlich den Finger zu erheben, wenn durch die privaten Schiedsgerichte oder durch die Neufassung dessen, wie es jetzt ist, eine Paralleljustiz eingeführt wird, die es in Zukunft verhindert, dass sozialer Fortschritt oder Fortschritt im Verbraucherschutz noch möglich ist, ohne dass man verklagt wird.
Es ist unsere Aufgabe im Parlament, den Finger zu heben. Deshalb gehören Sie vielleicht nicht in dieses Parlament, wenn Sie eine andere Auffassung haben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Können wir uns darauf verständigen, dass die Wähler entscheiden, wer im Parlament ist? Ja, nicht?)
– Die Wähler haben es entschieden.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wie in Großbritannien, super!)
Es wäre schön, wenn die Wählerinnen und Wähler in Deutschland über solche Verträge abstimmen könnten.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich bin mir sicher: Hätten wir eine Volksabstimmung über TTIP und CETA, dann hätten wir das Thema schnell beendet. Aber Sie haben Angst davor, die Wählerinnen und Wähler zu fragen. Wir glauben, dass gerade TTIP und CETA ein Beweis dafür sind, warum wir Volksabstimmungen über solche Verträge brauchen. Dann wären TTIP und CETA schnell erledigt.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich komme zum Schluss. Die „Stop TTIP und CETA“-Bewegung hat einen Zwischenerfolg zu verzeichnen, der nicht geringzuschätzen ist. Wir haben nun durch die Grünen und ihre Beteiligungen an Landesregierungen im Bundesrat die Chance, das Thema in Deutschland zu beenden. Wir rufen alle auf – auch in den anderen Staaten –, nun die Chancen zu nutzen. Aber wir müssen den Druck erhöhen, um die vorläufige Anwendung zu verhindern. Wir müssen weiterhin deutlich machen, warum wir gegen diese Verträge sind. Am 17. September gibt es wieder Großdemonstrationen in sieben deutschen Städten. Wir rufen dazu auf, sich daran zu beteiligen, damit Herr Gabriel zwei Tage später auf der Konferenz der SPD, die am 19. September stattfinden soll, sagen kann: Jawohl, wir haben verstanden. – Der Druck muss weiter erhöht werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Alexander Ulrich. – Nächster Redner in der Debatte: Bernd Westphal für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6969325 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 182 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Beteiligung von Bundestag und Bundesrat an der CETA-Ratifizierung |