07.07.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 183 / Tagesordnungspunkt 12

Aydan Özoğuz - Integrationsgesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Professor Zick von der Uni Bielefeld hat heute Morgen eine Studie mit dem Titel „ZuGleich“ vorgestellt. Er hat einen Vergleich zwischen den Einstellungen der Menschen in der Zeit 2013/2014 und heute gezogen und stellt dabei fest, dass sich manche Dinge leicht verändert haben. Ein Beispiel ist, dass eine kulturell vielfältige Gesellschaft nicht mehr den gleichen Stellenwert wie vor zwei Jahren hat. Das Eigene rückt wieder stärker in den Fokus, das sogenannte Andere wird an den Rand gedrängt. Das Eigene und das Andere entfernen sich also voneinander.

Professor Zick hat dabei aber auch Erfreuliches herausgefunden: Ein Großteil unserer Bevölkerung zum Beispiel – das glauben viele ja nicht – steht Flüchtlingen positiv gegenüber. Eine Mehrheit in unserer Bevölkerung begrüßt die zunehmende Vielfalt in der Bevölkerung, und die Mehrheit der Bevölkerung, und zwar mit und ohne Einwanderungsgeschichte, möchte, dass allen Menschen Teilhabe ermöglicht wird. Genau das tun wir heute mit diesem Integrationsgesetz, indem wir nämlich denjenigen Teilhabe ermöglichen, deren Asylverfahren noch laufen und die in der Vergangenheit bis zum Ende ihres Verfahrens warten mussten – das konnte lange dauern; ein Jahr oder auch zwei Jahre –, bis sie endlich einen Sprachkurs oder überhaupt etwas machen durften, obwohl sie die ganze Zeit über hier waren.

Das, was wir heute machen, ist ein Riesenschritt. Ich möchte den verhandelnden Ministern sehr dafür danken und freue mich, dass der Deutsche Bundestag heute diesen Schritt gehen möchte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Man muss noch einmal betonen, dass viele Fehler der Vergangenheit mit diesem Gesetz beseitigt werden und hier tatsächlich sehr genau auf die Details geschaut wurde, damit Menschen auf dem Ausbildungs- wie auf dem Arbeitsmarkt schneller Fuß fassen können. Denjenigen mit guter Bleibeperspektive wird beispielsweise der Zugang zu Fördermaßnahmen des SGB III ermöglicht, also Berufsausbildungsbeihilfe, Berufsbegleitende Hilfen oder Assistierte Ausbildung.

Dass ein Duldungsanspruch für die Berufsausbildung mit der Drei-plus-zwei-Regelung geschaffen wird, erinnert mich sehr an meine Studienzeit. Damals hieß es: Ausländer sollen bitte einen Tag nach Beendigung ihres Studiums das Land verlassen. – Es hat ein paar Jahre gedauert, bis sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass es unsinnig ist, Menschen hier auszubilden und sie dann nach ihrer Ausbildung wegzuschicken. Das machen wir auch nicht mehr bei Menschen in Ausbildung, eine Situation, die mit einem Studium vergleichbar ist, sondern geben diesen Menschen sechs Monate Zeit, um eine adäquate Stelle zu finden.

Hinzu kommen die hunderttausend Arbeitsgelegenheiten in Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen, damit diese Menschen schon in der Erstaufnahme einer gemeinnützigen, sinnvollen Beschäftigung nachgehen können. Dafür stellt der Bund immerhin 300 Millionen Euro bereit. Geflüchtete wollen schließlich nicht herumsitzen. Sie wollen, so schnell es geht, arbeiten, auch wenn es für sie auf dem ersten Arbeitsmarkt noch keine Perspektive gibt. Ich möchte hier einen großen Dank an die Arbeitsministerin Nahles aussprechen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich finde es auch sehr gut – darüber haben wir schon länger gesprochen –, dass wir Erstorientierungskurse für Asylbewerber, unabhängig von ihrer Bleibeperspektive, ihren Sprachkenntnissen und ihren Vermittlungsmöglichkeiten, etablieren können. Aber erlauben Sie mir, dass ich als Beauftragte hinzufüge: Es wird nicht reichen, in der zweiten Jahreshälfte zwei Modellprojekte auf den Weg zu bringen und abzufragen, welche Bundesländer mitmachen. Es sei mir erlaubt, dass ich das etwas kritisch anmerke. Gerade Bayern hat uns schon vor zwei Jahren gesagt: Das gibt es doch bei uns alles schon. Diese Projekte könnten doch sofort in anderen Bundesländern durchgeführt werden. – Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir wirklich allen einen Sprachkurs oder zumindest einen Orientierungskurs ermöglichen könnten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dass das nicht so ohne Weiteres geht, liegt daran, dass wir keine gesetzliche Definition für die „gute Bleibeperspektive“ haben. Wir halten uns an die starren Schutzquoten von 50 Prozent. Es ist für keinen hier im Haus ein Geheimnis, dass zum Beispiel der Anteil der Afghanen mit 48 Prozent knapp unterhalb dieser Quote liegt und wir gleichzeitig wissen, dass viele von ihnen, wenn nicht die meisten, hierbleiben werden.

An der Stelle brauchen wir endlich eine gesetzliche Definition dieser Bleibeperspektive, die sich natürlich an der Realität orientieren muss, also daran, ob jemand tatsächlich bleiben wird, damit wir all denen auch Sprachkurse, Ausbildungsangebote etc. zukommen lassen können. Ich glaube, in diesem Bereich sind noch weitere Schritte möglich, wenn das Integrationsgesetz heute beschlossen wird. Man muss ja nicht auf der Stelle stehen bleiben, wo man gerade ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte einen letzten Punkt erwähnen: Auch das BAföG sollte weiter geöffnet werden. Denn die Ausbildungsförderung nach SGB III sollte auch für Drittstaatsangehörige weiterhin gleich ausgestaltet sein.

Es ist ein guter Tag für die Integration, weil wir aus der Vergangenheit gelernt haben. Ich hoffe, dass wir in diesem Sinne weitermachen und gute weitere Schritte ermöglichen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6969781
Wahlperiode 18
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Integrationsgesetz
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