Burkhard LischkaSPD - Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem in der Debatte – ich finde, unnötigerweise – ein paar Emotionen hochgekocht sind,
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)
möchte ich einfach mit ein paar Fakten anfangen.
Wir hatten in diesem Jahr und im letzten Jahr allein in Europa über 1 000 Tote und Verletzte durch Terroranschläge, wir haben täglich Cyberattacken aus dem Ausland, und wir haben weltweit Krisen, so massiv wie schon lange nicht mehr. Wir haben internationale Verbrechen, organisiert durch einen Milliardenmarkt, der sich „organisierte Kriminalität“ nennt. Ich finde, das zeigt schon, dass wir in Deutschland einen schlagkräftigen Auslandsnachrichtendienst brauchen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlagen soll er nicht!)
Der Bundesnachrichtendienst ist eine wichtige Institution. Herr Ströbele, ich weiß nicht, wie Ihnen das gegangen ist, aber als ich neu in das Parlamentarische Kontrollgremium gekommen bin und drei, vier Sitzungen mitgemacht habe, habe ich erlebt, wie der Bundesnachrichtendienst immer wieder um das Leben von deutschen Geiseln in den Händen von Terroristen und Kriminellen ringt und kämpft. Da habe ich gesagt: Jawohl, wir brauchen diesen Bundesnachrichtendienst. Ich finde, Herr Ströbele, der BND braucht sich für seine Arbeit wirklich nicht zu schämen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Er ist eine wichtige Institution für unsere Demokratie, für unsere Sicherheit. Das soll und das muss auch so bleiben.
Was allerdings nicht bleiben darf, ist, dass er da teilweise ein Eigenleben führt, dass da immer wieder Eigenmächtigkeiten auffallen, dass es offensichtlich Abteilungen in diesem BND wie die Technische Aufklärung gibt, die niemandem sagen, was sie eigentlich tun. Und noch schlimmer: Die werden auch von niemandem gefragt. Ich finde das unwürdig für einen Nachrichtendienst in einem demokratischen Rechtsstaat, meine Damen und Herren.
Was auch nicht bleiben darf, ist, dass durch Leichtfertigkeiten und Nachlässigkeiten des Bundesnachrichtendienstes selbst deutsche Bürger und Unternehmen in das Visier ausländischer Nachrichtendienste geraten, mit denen der BND kooperiert. Das darf nicht sein.
(Beifall bei der SPD – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Oder die eigene Botschaft!)
Es darf erst recht nicht sein, dass dieser BND dann offensichtlich auch nach eigenem Gutdünken andere europäische Bürger und Institutionen ins Visier nimmt. Ich finde das geradezu grotesk.
Wir haben in der letzten Sitzungswoche die Debatte über das Antiterrorgesetz gehabt. Da habe ich gesagt, es ist eigentlich ein Unding, dass wir hier in Europa noch nicht einmal eine gemeinsame Datenbank über Syrienkämpfer und terroristische Gefährder haben,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das sind die Beispiele, aber ihr macht ganz andere Sachen!)
die den europäischen Sicherheitsbehörden zugänglich sind, aber dass andersherum genau dieselben Sicherheitsbehörden ihre wertvollen Ressourcen dafür vergeuden, sich noch untereinander auszuspionieren. Damit muss Schluss sein, und das machen wir mit diesem Gesetz.
(Beifall bei der SPD)
Wenn man diesen Gesetzentwurf wirklich einmal fair beurteilt, ist eines doch Geschichte: dass der BND einfach tun und machen kann, was er selbst für richtig hält.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir werden es sehen!)
Ich meine, zur Wahrheit, Herr Hahn, gehört doch auch dazu, dass wir weltweit – bei allen Staaten – so ein regelloses Ausspähen haben, dass es keine Vorschriften gibt. Wir haben doch wirklich auch die groteske Situation, dass jeder Staat weltweit seine eigenen Bürger vor Spionage schützt, aber für die eigenen Nachrichtendienste sind die Bürger von anderen Staaten – wie es so schön heißt – zum Abschuss freigegeben. Da setzen wir klare Leitplanken.
Ich will das hier nicht alles wiederholen. Aber Regelungen für diesen besonderen Schutz für europäische Bürger, Regierungen und Institutionen werden Sie zurzeit in keinem europäischen Gesetzblatt finden.
(Dr. Eva Högl [SPD]: Aber bei uns!)
Ein Verbot der Wirtschaftsspionage: Das ist weltweit einmalig. Auch mit diesem Eigenleben aufzuräumen,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gilt doch gar nicht allgemein!)
dass der Präsident Telekommunikationsmaßnahmen anordnen muss, dass das Kanzleramt das genehmigen muss, dass wir hier ein unabhängiges Gremium schaffen, dass das genehmigen muss, ist ein solches Beispiel. Oder nehmen Sie Kooperationsvereinbarungen mit ausländischen Nachrichtendiensten: Die müssen dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt werden. Ich kenne das sonst so nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich finde schon, da, wo wirklich ein bisschen im Graubereich und im Verborgenen herumgewurstelt wurde, stellen wir die Arbeit des BND, seine Befugnisse und seine Grenzen auf neue Füße. Das alles – ich sage es noch einmal – suchen Sie in den Gesetzesblättern anderer Staaten vergeblich. Wir haben das. Das ist kein Geheimnis. Das haben wir – da spreche ich uns auch gemeinsam an – gegen starke Widerstände durchgesetzt.
(Dr. Eva Högl [SPD]: Ja! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Von Herrn Schäuble zum Beispiel! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist Schäuble eigentlich?)
Deshalb sage ich Ihnen, Herr Hahn, ganz offen: Ich halte Ihre Politik für kleinlich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Nennen Sie mir bei der zweiten oder dritten Lesung einmal einen Staat, in dem Sie vergleichbare Regelungen gefunden haben.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: USA!)
Ich sage Ihnen: Ein klares Nein, das werden Sie erleben.
Sie haben eben auch ganz offen gesagt, worauf Ihre Kritik eigentlich beruht. Das ist, dass Sie den Bundesnachrichtendienst lieber heute als morgen abschaffen würden.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Das ist die eigentliche Triebfeder Ihrer Kritik.
Deshalb reden Sie ja auch ständig davon, dass Telekommunikationsüberwachung – sobald man nur das Wort in den Mund nimmt – eine Massenausspähung ist. Das ist es nach diesem Gesetzentwurf nicht mehr.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bezüglich der Metadaten ist es das selbstverständlich!)
Aber wir verzichten auch nicht, Herr von Notz, auf Kommunikationsüberwachung, weil wir nun einmal in einer Zeit leben, in der Terroristen und Kriminelle nicht mehr Brieftauben nutzen, sondern jeden Tag ihr Handy wechseln.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Solche Netzwerke müssen Sie auch überwachen. Aber wir stellen das auf neue Füße und entstauben diesen Dienst.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Auf tönerne Füße!)
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn alle anderen Staaten unserem Beispiel folgen würden, dann wäre das der Beginn eines Festes der Freiheits-, Bürger- und Menschenrechte, und zwar weltweit.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6971186 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 184 |
Tagesordnungspunkt | Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung |