07.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 186 / Einzelplan 04

Johannes KahrsSPD - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben zwei Fraktionsvorsitzende der Großen Koalition gehört. Wir haben gesehen: Beide kommen aus unterschiedlichen Parteien. Ich finde das in Ordnung, so muss das sein. Wir stehen ja nicht als Koalition auf dem Wahlzettel. Gleichzeitig hat man aber auch gehört, dass diese Koalition viel geschafft hat und noch viel schaffen wird. Herr Kauder, Sie haben vollkommen recht: Kein Mensch braucht ein Jahr Wahlkampf in diesem Land. Keiner von uns hat das vor.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich glaube, das, was wir gezeigt haben, das, was wir gemacht haben, spricht für diese Große Koalition.

(Lachen bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])

Ich habe mir angehört, was Herr Bartsch und Frau Göring-Eckardt hier so zum Besten gegeben haben. Sie haben gemahnt, diese Koalition möge sich weniger streiten, möge mehr arbeiten, möge nicht so viel Randale machen.

(Beifall der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ehrlich gesagt: Ich kann mich noch an die Zeit von Rot-Grün erinnern. Das ist vielleicht der Nachteil, wenn man länger dabei ist. Ich habe mich auch daran erinnert, wie wir mit den Grünen zusammengearbeitet haben. Ehrlicherweise kann ich nicht behaupten, dass es da weniger Streit gegeben hat.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil ihr so bescheuert wart!)

Ich kann nicht behaupten, dass es weniger unterhaltsam gewesen ist; über Herrn Bartsch möchte ich da nicht allzu viel sagen. Es ist doch einfach so, dass Streit in einer Koalition dazugehört.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Streit ja, Chaos nein!)

Wesentlich ist, was am Ende an Sachpolitik herauskommt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Und wenn man sich das anguckt, stellt man fest, dass das beachtlich ist: Wir haben zusammen mit der CDU/CSU einen Mindestlohn in diesem Land beschlossen; ich glaube, das ist eine gute Sache. Wir haben das Elterngeld Plus, die Familienpflegezeit, eine Frauenquote und mehr Geld für Bildung beschlossen. Wir haben mehr Geld für BAföG ausgegeben. Wir haben im Bereich Wohnen die Mietpreisbremse durchgesetzt, ein höheres Wohngeld und mehr Mittel für die Städtebauförderung beschlossen. Die Mittel für das Programm „Soziale Stadt“ haben wir verdoppelt und verdreifacht. Wir haben ein Rentenpaket durchgesetzt: Rente mit 63, Mütterrente und Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente. Wir haben die Kommunen um viele Milliarden entlastet – wir haben das heute schon angesprochen –: Für den Bau und Betrieb von Kitas stellen wir 750 Millionen Euro mehr zur Verfügung; es gibt 140 Millionen Euro für die Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur; wir haben einen kommunalen Investitionsfonds aufgelegt. Im Bereich Flüchtlinge haben wir zur Bekämpfung von Fluchtursachen viel Geld ausgegeben, auch für Integrationskurse und Sprachkurse, damit die Sprachlehrer anständig bezahlt werden. Wir haben 10 000 neue Stellen im Bundesfreiwilligendienst geschaffen. Wir haben Geld ausgegeben für Krisenprävention und humanitäre Hilfe. Wir haben 3 000 neue Stellen für die Bundespolizei beschlossen, und wir haben ein 10-Milliarden-Euro-Paket für Zukunftsinvestitionen und 5 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur beschlossen.

Ernsthaft, nennen Sie mir eine andere Koalition in den letzten 30 Jahren, die mehr beschlossen hätte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben das hier als Große Koalition hingekriegt. Es ist immer so, dass es dann auch einmal rumst, kracht und donnert – ich bin da auch nicht schüchtern –;

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

aber dort, wo gearbeitet wird, in den Ausschüssen und in den Fraktionen – da kann ich den Kollegen Eckhardt Rehberg nicht genug loben; ich weiß nicht, ob dir das in der CDU nützt oder schadet; da bin ich mir nicht sicher –, arbeiten wir im Endeffekt wunderbar zusammen. Es ist eine helle Freude für Herrn Schäuble, dass dieser Ausschuss so wunderbar mit ihm zusammenarbeitet. Das heißt, wir haben drei Jahre lang eine saubere, eine gute Sacharbeit abgeliefert. Das ist gut für die Menschen in diesem Land.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Kauder hat ja gesagt, wir sollen jetzt nicht ein Jahr lang Wahlkampf machen. Ehrlicherweise muss ich sagen: Auch ich bin dieser Meinung. Wir haben zum Beispiel noch das Bundesteilhabegesetz: Die parlamentarischen Beratungen stehen vor der Tür. In der Ausbaustufe haben wir 700 Millionen Euro vorgesehen. Das gefällt nicht allen, weil das nicht reicht. Ich finde, wir können da noch eine Schippe drauflegen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben ja gerade gehört, wie die finanzielle Lage aussieht. Ich würde es gut finden, wenn wir dieses Bundesteilhabegesetz, dessen Beschluss wir verabredet haben, durchsetzten.

Zur Rentenangleichung Ost und West: Es ist eben kritisiert worden, dass sie nicht kommt. Wenn sie kommt, dann soll aber nur der Teil kommen, der gut ist, und der, der nicht so gut ist, vielleicht lieber nicht. Die Frau Bundeskanzlerin hat eben sehr klar und sehr deutlich gesagt, dass sie das nicht in Ordnung findet, dass sie die Angleichung haben will. Ernsthaft gesagt: Dann soll sie sie kriegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, die Angleichung der Renten in Ost und West muss kommen. Das wollen wir, und wir werden das auch umsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zur solidarischen Lebensleistungsrente: Wir haben das in der Koalition abgesprochen. Sie soll kommen. Das wird umgesetzt.

Zum Gesetz gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen laufen die parlamentarischen Beratungen. Wir gehen davon aus: Es kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man sich den ganzen Bereich der Erbschaftsteuer und der Bund-Länder-Finanzbeziehungen anschaut, muss man sagen: Natürlich ist das schwierig. Herr Kauder hat das ja eben durchdekliniert und gezeigt, warum so etwas schwierig sein kann. Die Länder haben Interessen. Was für ein Wunder! Hessen hat ein paar Interessen, Baden-Württemberg auch; wir Hamburger sind natürlich selbstlos.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Es ist also nur natürlich, dass es Interessen gibt. Ich bin mir aber sicher: Man wird sich einigen. Im Kern wollen wir nämlich alle, dass die Reform kommt. Man muss nur aufpassen, dass es keine artfremden Koppelungsgeschäfte – Bundesfernstraßengesellschaft und anderes – gibt. Jedenfalls brauchen wir am Ende eine Einigung. Wir haben morgen ja ein entsprechendes Treffen mit den Ländern, und nach der Rede von Herrn Kauder sind sie gut eingestimmt.

Die bessere Ausstattung der Bundespolizei und der Sicherheitsbehörden ist hier angekündigt worden. 3 000 Stellen haben wir beschlossen. Ich gehe davon aus, dass 3 000 weitere kommen, vielleicht sogar noch mehr. Ich glaube, dass man in dem Bereich viel tun muss. Es ist wichtig, dass die Polizei, die Bundespolizei, das Bundes­kriminalamt und der Zoll gestärkt werden. Man muss in bestimmten Bereichen klare Kante zeigen: gegen rechte Gewalt, gegen linke Gewalt. Da darf man keine Unterschiede machen. Gewalt hat in jedem Fall mit staatlicher Autorität beantwortet zu werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Andrea Nahles wird im Herbst ein Reformkonzept für die Rente vorstellen. Wichtig für uns ist eine Stärkung der Betriebsrenten. Wir wollen die Wirkung der Mietpreisbremse und die Situation der Alleinerziehenden verbessern. Wir haben noch ein Jahr. Ehrlich gesagt, wir haben schon verdammt viel geschafft. Wenn man sich anschaut, dass die Opposition hier immer über Streit redet, über das Verhältnis zur Türkei und über andere Dinge, muss ich sagen: Man kann auch ablenken. Die Situation der Menschen in diesem Land, die Situation derer, die hier arbeiten und Steuern zahlen, die Situation der Unternehmen ist gut.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben eine grundsätzlich gute Lage in diesem Land.

Wenn man sich dann mit der AfD und denen, die sie gewählt haben, auseinandersetzt, dann kommt man mit Argumenten ganz häufig nicht weit. Man kann den AfD-Wählern immer sagen: Die wollen, dass ihr bis 70 arbeitet. Die wollen, dass ihr weniger Rente bekommt. Die wollen den Mindestlohn abschaffen. – Sie antworten dann immer: Na ja, aber die sind auch gegen Ausländer. – Im Kern ist es einfach so: Die AfD ist nicht auf der Sachebene unterwegs. Sie appelliert an den inneren Schweinehund, Frust, Neid, Angst, Missgunst,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

und all das auf einer niedrigschwelligen Ebene. Da wird schlechte Laune geschürt. Die Situation in diesem Land ist nicht so. Das Einzige, das man da tun kann, ist saubere Sacharbeit, die Situation zu verbessern, die Dinge, die wir beschlossen haben, aufzuzählen.

Ich würde mich freuen, wenn wir in dem verbleibenden Jahr all das umsetzen, was ich angesprochen habe. Herr Schäuble hat angekündigt, er möchte Anfang der nächsten Legislaturperiode eine Steuerreform umsetzen. Man muss ernsthaft fragen – auch Herr Oppermann hat schon darauf hingewiesen –: Warum müssen wir immer mit so etwas warten?

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Weil der Bundesrat nicht mitmacht! Ihr bringt ihn schon bei der Erbschaftsteuer nicht hin!)

– Herr Kollege Kauder, Sie wissen, dass ich Sie wirklich schätze. Ich glaube auch, dass Sie ein sehr guter Fraktionsvorsitzender sind

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und dass Sie in dieser Frage recht haben. Aber es geht auch anders. Hätten Sie meinem Fraktionsvorsitzenden zugehört, dann wäre Ihnen aufgefallen, dass wir, obwohl die Länder da Probleme machen, vielleicht eine Steuerreform hinbekommen, indem wir über Freibeträge gehen. Wenn wir über Freibeträge bei den Sozialabgaben gehen, dann brauchen wir die Länder da weniger. Deswegen ist das durchaus möglich.

Lassen Sie uns das Thema einfach angehen. Warum müssen wir immer warten? Die CDU/CSU hat schon viele Legislaturperioden lang eine Steuerreform angekündigt. Die Einzigen, die eine Steuerreform umgesetzt haben, waren Rot-Grün, Gerhard Schröder mit Hans ­Eichel.

(Beifall bei der SPD – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die Steuerreform war ja asozial!)

Wenn wir so etwas auch nur zur Hälfte hinbekommen, würde man uns in diesem Land feiern.

Zum Abschluss eine Bitte, Frau Merkel. Es gibt so viele Dinge, die wir schaffen. Wir reden immer darüber, dass die Menschen nicht in ein reiches Land einwandern, sondern in eine Wertegesellschaft. Auch Herr Kauder hat heute von Werten gesprochen, die es wert sind, durchgesetzt zu werden. Einer der Kandidaten für die Spitzenkandidatur bei den Grünen hat Ähnliches formuliert, auch wenn die Grünen da nicht klatschen wollten. Ich glaube, man muss diese Werte in diesem Land auch umsetzen. Deswegen wäre es für mich wichtig, dass wir die Öffnung der Ehe in dieser Legislaturperiode hinbekommen.

(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Endlich kommt das noch!)

Ich würde das gerne mit Ihnen machen. Ich glaube, dass das richtig und gut wäre. Dann stehen wir zu den Werten, die wir immer verkünden. Uns hätten Sie an Ihrer Seite, Frau Merkel.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin spricht Gerda Hasselfeldt für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6999185
Wahlperiode 18
Sitzung 186
Tagesordnungspunkt Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
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