22.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 190 / Zusatzpunkt 6

Johann WadephulCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Situation in Syrien nach dem Angriff auf den VN-Hilfskonvoi

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ausgangspunkt unserer Debatte heute hier – und damit möchte ich auch beginnen – ist in der Tat der schreckliche Angriff auf einen Hilfskonvoi. Es gibt kein Bekenntnis derjenigen mit militärischer Macht, die ihn ausgeübt haben, und es gibt auch keine abschließenden Beweise, also Luftaufnahmen, Satellitenaufnahmen oder etwas Ähnliches, die das definitiv klarlegen. Es gibt aber zahlreiche Augenzeugenberichte von Opfern, von Beobachtern der Szenerie.

Diese hat uns das Auswärtige Amt gestern im Auswärtigen Ausschuss dargestellt, und es ist zu dem Ergebnis gekommen – –

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Eine Untersuchung muss noch stattfinden!)

– Herr Kollege Gehrcke, natürlich soll noch eine Untersuchung stattfinden, aber trotzdem gibt es schon eine ganze Menge Aussagen dazu. Sie können das im Internet und auf Twitter nachlesen. – Alle, die darüber berichten, sagen, es war erstens ein Luftangriff, und es gibt zweitens – darauf hat der Kollege Röttgen in der Ausschusssitzung gestern, aber auch noch einmal öffentlich hingewiesen – zwei Akteure, die dort Luftkrieg führen, nämlich Assad und Russland. In dieser Situation zu sagen, dass es starke Indizien, dass es einen starken Verdacht gibt, dass die den Angriff ausgeführt haben: Dazu muss man doch hier im Deutschen Bundestag bereit und in der Lage sein, ohne sich von Ihnen Angriffe anzuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Das wird vor Gericht entschieden!)

Warum sind Sie denn nicht bereit, sich dieser Geschichte zu öffnen? Die Frage muss man schon stellen, und das fällt in der Tat auf.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Da hat die NATO eine andere Position!)

Niemand würde den Angriff auf die Assad-Truppen, der jetzt versehentlich geschehen ist, relativieren. Das ist in der Tat ein Versehen gewesen. Aber die zahlreichen russischen Angriffe auf Aleppo sind kein Versehen gewesen. Sie sind Absicht gewesen, und dazu gibt es von Ihnen kein einziges Wort in diesem Hause. Das ist ein Skandal. Das ist ein wirklicher Skandal.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie in diesem Zusammenhang eine Flugverbotszone, die der Außenminister angeregt hat, als Kriegstreiberei oder als den Krieg eher noch anfeuernd bezeichnen, dann frage ich: In welcher Welt leben Sie denn eigentlich? Die Flugzeuge, die da herumfliegen, bringen Tod und Gewalt; und jedes Flugzeug und jeder Hubschrauber weniger ist ein Flugzeug oder Hubschrauber mit Bomben weniger, mit Fassbomben weniger und bedeutet weniger Tod. Deswegen wäre eine Flugverbotszone gut, und deswegen kann man die Initiative insgesamt nur unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das betrifft auch die US-Bomben! Es gibt doch keine guten und schlechten Bomben!)

Natürlich ist sie nicht die Lösung sämtlicher Probleme; aber sie wäre insgesamt gut. Und wenn Sie sagen, das müsste durchgesetzt werden – –

(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

– Hören Sie mir doch einfach mal zu; ich habe Ihnen auch zugehört. Es ist nicht immer ganz leicht gewesen, ruhig dabei zu bleiben; aber vielleicht bemühen Sie sich jetzt mal in ähnlicher Weise um Gelassenheit.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Kein Problem!)

Wenn Sie sagen, es müsste gewaltmäßig durchgesetzt werden, kommen wir doch zum Punkt der ganzen Angelegenheit. Das heißt also, Sie gehen davon aus, Russland ist nicht freiwillig bereit, sich an so eine Flugverbotszone zu halten. – Herr Kollege Gehrcke nickt. Sie haben ja optimale Kontakte nach Moskau. Dass Sie das hier so bestätigen, ist ja für uns alle erhellend. – Nein, dazu muss man nur mal eines sagen – das ist doch das Problem des ganzen Konfliktes –: dass Russland zumindest hier – in anderen Bereichen haben wir es anders erlebt, siehe Iran – ebenso wie beim Ukraine-Konflikt nicht bereit ist, innerhalb der internationalen Völkergemeinschaft für Frieden, für Freiheit und für Humanität zu sorgen. Das muss man doch ansprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie sind ja derart verblendet! Sie sind ja kalter Krieger!)

Deswegen ist man doch kein Gegner Russlands, sondern dazu muss man doch in der Lage sein, und dafür muss man immer wieder werben. Daraus darf man Russland nicht entlassen. Russland hat diesem Regime überhaupt das Überleben ermöglicht; darauf hat die Kollegin Brantner gerade noch einmal hingewiesen. Diese perfide Strategie des Aushungerns und mittlerweile der Vertreibungspolitik muss man zur Kenntnis nehmen. Da werden Konvois abgefangen.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das macht doch Erdogan auch! Partner der Bundesregierung!)

– Frau Kollegin Hänsel, Ihnen geht es doch immer um Humanität. Ja, Sie kämpfen doch für das Menschenrecht, international, als Internationale. Das ist Ihr Kernanliegen. Und jetzt werden dort Hilfskonvois abgefangen, und die syrischen Truppen haben nichts anderes zu tun, als diesen Hilfskonvois Babymilch und Medikamente wegzunehmen und dafür zu sorgen, dass in Daraa das passiert ist, was die Kollegin Brantner erwähnt hat.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: So wie der türkische Geheimdienst!)

Was hat das noch mit Menschlichkeit zu tun? Zu einem sollten wir, der Deutsche Bundestag, in der Lage sein – aber dazu kann ich, Herr Kollege Roth, in der Tat nur die Bundesregierung auffordern –: Wir müssen an dieser Stelle Russland stellen und an seine Verantwortung erinnern. Wir kommen nur dann zu einer internationalen Lösung, wenn wir im UN-Sicherheitsrat mit russischer positiver Mitwirkung, auch mit chinesischer Mitwirkung, zu einem Vorschlag kommen, der umsetzbar ist. Nationale Alleingänge helfen uns auch hier nicht weiter.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Dr. Wadephul. – Nächster Redner: Achim Post für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7006458
Wahlperiode 18
Sitzung 190
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Situation in Syrien nach dem Angriff auf den VN-Hilfskonvoi
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta