Ralph BrinkhausCDU/CSU - Bundesbeteiligung an den Kosten der Integration
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte angesichts der Rede der Kollegin Haßelmann zwei Vorbemerkungen machen. Erstens. Der Verteilungsschlüssel, den Sie beklagen, geht auf einen besonderen Wunsch der Ministerpräsidenten zurück. Ich erinnere Sie daran, dass Sie von den Grünen an zehn Landesregierungen beteiligt sind. Das heißt, Sie kritisieren Ihre Kollegen aus den Ländern, insbesondere den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Zweitens. Sie haben kritisiert, dass sich der Bund zu spät um die Flüchtlinge in den Kommunen gekümmert hat. Das ist mitnichten der Fall. Der Bundesfinanzminister hat bereits darauf hingewiesen, dass der Bund schon im letzten Jahr 670 Euro pro Flüchtling und Monat pauschal bereitgestellt hat. Wenn sich jemand zu spät um die Belastungen der Kommunen gekümmert hat, dann war das in meinem Heimatland Nordrhein-Westfalen die rot-grüne Landesregierung,
(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Richtig!)
die die Kommunen bei den Migrations- und Flüchtlingskosten am langen Arm hat verhungern lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben heute drei Pakete, die wir beschließen. Das ist zum einen das Integrationspaket, über das schon sehr viel geredet worden ist. Es geht aber auch um 5 Milliarden Euro Entlastung für die Kommunen, und – darüber ist noch gar nicht geredet worden – es gibt ein Paket zum sozialen Wohnungsbau. Auch da geht es immerhin um 500 Millionen Euro. Ich kann der Kollegin Gottschalck nur zustimmen: Der Bund hat seine Zusagen vollumfänglich eingehalten, soweit es möglich war. Wir haben geliefert. Wir haben Wort gehalten, und man muss sagen: wieder einmal Wort gehalten; denn wenn man sich anschaut, in welcher Höhe seit 2009 die Länder und Kommunen erst durch die schwarz-gelbe Koalition und dann durch die Große Koalition entlastet worden sind, dann stellt man fest, dass das schon eine ganze Menge ist.
Im Bereich der Bildung sind die Ausgaben des Bundes für die Länder und Kommunen nahezu verdoppelt worden. Geld ist in Forschungseinrichtungen und Exzellenzinitiativen gesteckt worden, weiterhin in den Hochschulpakt und in die Förderung von Kitas.
Schauen wir uns den sozialen Bereich an. Im sozialen Bereich haben wir uns ganz stark bei der Übernahme der Kosten für die Unterkunft engagiert, wir haben die Kosten für die Grundsicherung im Alter und für Erwerbsminderung übernommen, wir haben die BAföG-Kosten übernommen und viele andere Dinge mehr.
Nehmen wir den Bereich Infrastruktur. Der Bundesfinanzminister hat es gerade erwähnt: Wir haben ein Paket für finanzschwache Kommunen aufgelegt, damit diese investieren können, und zwar in einer Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Diese Summe wird in den nächsten Jahren noch weiter steigen. Wir beteiligen uns an den Betriebskosten von Kitas, wir leisten direkte und indirekte Hilfe im Bereich des Breitbandausbaus. Wir sind an ganz vielen Stellen aktiv geworden, um Länder und Kommunen zu entlasten.
Der Höhepunkt war sicherlich die letzte Woche, als eine Einigung über den Länderfinanzausgleich erzielt worden ist. Da geht es um 9,5 Milliarden Euro, die wir leisten, damit der Ausgleich zwischen den finanzschwachen und den finanzstarken Ländern besser gelingen kann.
Jetzt erwarte ich von den Ministerpräsidenten oder den heute angesichts der Bedeutung der Debatte sehr zahlreich anwesenden Vertretern des Bundesrates nicht unbedingt, dass sie Danke schön sagen. Das sind wir nicht gewohnt. Aber ich würde mir vielleicht wünschen, dass eines passiert, nämlich dass man anerkennt, was der Bund für die Länder und die Kommunen leistet. Die Erfahrung in der Vergangenheit war leider: Ehe die Tinte unter dem Gesetz trocken ist, wird nicht Danke gesagt, sondern: mehr, noch mehr. – Das geht so nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt könnte man fragen: Wieso denn? Der Bund schreibt Überschüsse, er verzeichnet eine schwarze Null, er kommt doch super klar mit seinem Geld und hat hohe Steuereinnahmen. – Wer das sagt, der verschweigt, dass von jedem Euro Einkommensteuer 57,50 Cent an die Länder und Kommunen gehen, der verschweigt, dass von jedem Euro Umsatzsteuer 48 Cent an die Länder und Kommunen gehen, der verschweigt, dass die Einnahmen der Länder und Kommunen in den vergangenen Jahren stärker gestiegen sind als die Einnahmen des Bundes, der verschweigt, dass die Pro-Kopf-Verschuldung auf Bundesticket größer ist als die konsolidierte Verschuldung auf Landesebene, und der verschweigt, dass die Zinsausgaben des Bundes im Vergleich zu denen der konsolidierten Länderhaushalte viel höher sind.
Es ist wichtig, das hier zu sagen, weil wir nämlich an der Grenze unserer Belastungsfähigkeit angekommen sind. Unser Haushalt ist mittlerweile auf Kante genäht, und zwar deswegen, weil wir so viel von den Mitteln, die eigentlich für Bundesaufgaben vorgesehen waren, an die Länder und Kommunen weiterleiten. Das geht so nicht weiter, weil wir nämlich vor sehr großen Herausforderungen stehen.
Ich möchte das an einigen Beispielen erläutern. Schauen wir uns die wirtschaftliche Entwicklung an. Momentan läuft es gut. Aber was ist denn, wenn es schlechter läuft? Dann sind wir gleich dreifach belastet: Wir haben weniger Steuereinnahmen – das haben die Länder und Kommunen auch –, aber wir werden die Sozialversicherungssysteme stabilisieren müssen, und von uns wird erwartet werden, dass wir mit Steuergeldern die konjunkturellen Impulse setzen.
Wir haben ganz neue Herausforderungen, über die wir vor drei oder vier Jahren noch gar nicht nachgedacht haben. Das betrifft die Integration, aber vor allen Dingen die Vermeidung von Flucht- und Migrationsursachen. Dafür werden wir sehr viel Geld ausgeben müssen: in Afrika, in Nordafrika und woanders auf der Welt. Dann haben wir den Punkt äußere Sicherheit. Wir haben Konflikte, die mittlerweile vor unserer Haustür sind, zum Beispiel in der Ukraine. Gestern war die Konferenz im Bundeskanzleramt.
Wir haben komplett neue sicherheitspolitische Herausforderungen im Bereich der Cybersicherheit, für die wir sehr viel Geld ausgeben müssen. Wir haben Herausforderungen in der inneren Sicherheit, zum Beispiel bei der Terrorismusbekämpfung. Wir müssen schauen, wie wir mit dem demografischen Wandel umgehen. Das ist eine Herausforderung für unsere Sozialsysteme. Wir haben natürlich auch die Kosten der Integration. Die 2 Milliarden Euro, die wir momentan zusätzlich in den Pott hineinwerfen, werden nicht das Ende der Fahnenstange sein.
Und Folgendes ist schon fast vergessen: An Deutschland hängt auch die Stabilisierung Europas. Auch das ist nicht umsonst zu haben, meine Damen und Herren. Deswegen müssen wir sagen: Der Rucksack des Bundes ist mittlerweile voll. Und jeder, der da noch weitere Ziegelsteine hineinpackt, versündigt sich an denjenigen, die hier in 20 Jahren sitzen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Denn die würden nur noch damit beschäftigt sein, die Steuergelder des Bundes an Länder und Kommunen weiterzuleiten, Belastungen aus der Vergangenheit abzutragen und Sozialversicherungssysteme zu stabilisieren.
Lassen Sie mich – das gehört nicht ganz zur Debatte, aber sicherlich zur politischen Großwetterlage – eines dazu bemerken: Dieses Fairnessgebot im Hinblick auf die kommende Generation gilt auch für die Menschen, die im Augenblick, wahlkampfmotiviert, meinen, dass sie durch eine Ausweitung des Rentensystems noch den einen oder anderen Punkt sammeln können. Wer heute Rentengeschenke und Zusagen auf Kosten der kommenden Generation macht, der nimmt unseren Kollegen, die hier in 20 Jahren sitzen werden, Handlungsfreiheit. Und das geht so nicht, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn ich jetzt einmal einen Strich unter diese ganze Beratung ziehe, fallen mir dazu drei Punkte ein.
Erstens. Es ist richtig – auch die Kollegin Gottschalck hat das gesagt –, dass wir die Kommunen unterstützen, weil sie der Ort sind, wo die Bürgerinnen und Bürger Politik unmittelbar wahrnehmen. Man kann niemandem erklären, dass Politik in Deutschland funktioniert, wenn die Schulen in einem schlechten Zustand sind, wenn die Infrastruktur in einem schlechten Zustand ist. Deswegen ist es richtig, dass jetzt Geld an die Kommunen fließt.
Zweitens. Wir erwarten aber auch von den Ländern, dass die 5 Milliarden Euro, die jetzt in den Topf geworfen werden, und somit auch die 1 Milliarde Euro – die Ministerpräsidenten haben sich im Übrigen ausbedungen, dass sie nicht in den kommunalen Topf hineinkommen, Frau Haßelmann – eins zu eins an die Kommunen weitergeleitet werden und dass dieses Geld auch bei den Kommunen ankommt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir erwarten weiter, dass die Integrationsmittel, die jetzt von uns gezahlt werden, dazu benutzt werden, um insbesondere die Kommunen von den zusätzlichen Integrationskosten zu entlasten. Und wir erwarten, dass das Geld, das wir für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen, zusätzlich vor Ort – in den sozialen Brennpunkten der Kommunen – investiert wird, damit wir dort die Wohnungsnot mindern können.
Vor allen Dingen erwarten wir eines, meine Damen und Herren: dass kein Land – das ist ein Appell an den Bundesrat – jetzt auf die Idee kommt, zu sagen: Na ja, die Kommunen haben jetzt mehr Geld vom Bund bekommen, das können wir an anderer Stelle einsparen und einen kommunalen Finanzausgleich machen, im Zuge dessen den Kommunen das Geld wieder weggenommen wird, das der Bund ihnen jetzt gibt. – Das ist eine Sache, meine Damen und Herren, die wir nicht dulden werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Drittens. Die Ministerpräsidenten stehen in der Verantwortung für die Kommunen. Die Kommunen sind Bestandteil der Länder, und dementsprechend ist es auch deren Aufgabe, für eine auskömmliche und ordentliche Finanzausstattung zu sorgen. Daran müssen sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten messen lassen; denn das ist föderale Verantwortung. Wer föderale Verantwortung darauf reduziert, immer nur nach dem Geld des Bundes zu suchen, der höhlt dieses föderale System aus. Das wollen wir nicht, und das werden wir auch in den Beratungen berücksichtigen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Kollegin Dağdelen hat nun das Wort für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7019331 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 196 |
Tagesordnungspunkt | Bundesbeteiligung an den Kosten der Integration |