Stefan KaufmannCDU/CSU - Berufsausbildungsförderung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag sagt die Linke – wir haben es gehört –, dass das BAföG an die Lebenswirklichkeit angepasst werden muss. Wenn ich mir Ihren Antrag durchlese, Frau Kollegin Gohlke, dann fällt mir als Reaktion eigentlich nur eines ein: Wir müssen verstärkt den Versuch unternehmen, die Linken an die Lebenswirklichkeit heranzuführen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Das ist hoffnungslos! Hoffnungslos!)
Das hat Ihre Rede heute wieder gezeigt. Auch wenn das erfahrungsgemäß eine Sisyphusarbeit ist, stelle ich mich dieser Aufgabe heute einmal mehr.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Arroganz der Macht!)
Auch die zweite Forderung in Ihrem Antrag – auch das ist Teil der Überschrift –, „Keine weiteren Nullrunden für die Studierenden“, legt den Verdacht nahe, dass Sie, die Kolleginnen und Kollegen von den Linken, die letzten Jahre schlicht verschlafen haben; das haben Sie gerade gezeigt.
(Zuruf der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE])
Die größte BAföG-Reform aller Zeiten – die lassen wir uns nicht schlechtreden –, die diese Koalition zusammen mit Ministerin Wanka gestemmt hat, ist an Ihnen offenbar komplett vorbeigegangen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Inhaltlich kann man zu Ihrem Antrag eigentlich gar nicht viel sagen, Frau Kollegin. Sie versuchen erneut, alten Wein in vermeintlich neue Schläuche zu bringen. Sie haben Ihre altbekannten Ladenhüter mit ein paar neuen Daten und Informationen versehen. Ansonsten verfahren Sie wie immer: Copy and paste. Meine Damen und Herren, Sie ermüden damit nicht nur die Bildungspolitiker in diesem Hohen Hause, sondern langsam, aber sicher auch die Bürgerinnen und Bürger draußen im ganzen Land.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie ja selber nicht!)
Angesichts der jüngsten BAföG-Reform, dritte Stufe – plus 7 Prozent bei den Bedarfssätzen und plus 7 Prozent bei den Einkommensfreibeträgen –, die in diesen Tagen gestartet ist – wir geben jährlich zusätzlich 825 Millionen Euro aus –, müssen Sie sich schon den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie offensichtlich nicht genug bekommen können.
Bei einigen Ländern scheint ein ähnliches Anspruchsdenken zu herrschen – so mein Eindruck –, Stichwort „BAföG-Entlastung“. Zwar haben die Länder die freigewordenen Mittel fast ausnahmslos im Schul- und Hochschulbereich verwendet, allerdings – das ärgert mich wirklich maßlos – haben sie diese Mittel teilweise nicht zusätzlich in diesem Bereich investiert, sondern zur Kofinanzierung des Hochschulpaktes verwendet, wie ein Bericht in der Tageszeitung in dieser Woche gezeigt hat,
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht Ihr Finanzministerium aber anders!)
und damit – ich sage es ganz deutlich – zweckentfremdet. In Nordrhein-Westfalen sprechen wir immerhin von einer Summe von 200 Millionen Euro, lieber Kai Gehring. Das ist eine Unverschämtheit, um das hier einmal ganz deutlich zu sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Vorwurf ist eine Unverschämtheit! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Getroffene Hunde bellen!)
Wenn wir so weitermachen – der Bund investiert immer mehr und mehr in Bildung und Forschung und entlastet damit die Länder bei ihren ureigenen Aufgaben, und die Länder machen sich dann unter anderem auf Kosten der Studierenden einen schlanken Fuß –, dann kriegen wir das mit der Bildungsrepublik nicht hin. Das sind nicht nur politische Spielchen, meine Damen und Herren. Sie verspielen damit ein Stück weit auch die Zukunft unseres Landes.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn Sie, meine Damen und Herren von den Linken und den Grünen, sich jetzt empören, dann zeige ich Ihnen gerne auf, wie sich Ihre Leistungen im Bereich der Hochschulpolitik darstellen. Schauen wir uns einmal das aktuelle Hochschul-Barometer des Stifterverbandes an. Da gibt es eine wunderbare Grafik zu den Einschätzungen der Rahmenbedingungen für Hochschulen.
(Der Redner hält ein Schaubild hoch)
Sie sehen eine Deutschlandkarte, auf der das farblich dargestellt ist. Es gibt Länder, die sich verbessert haben – das sind die dunklen Stellen –, es gibt Länder, bei denen es gleich geblieben ist, und es gibt Länder, die sich verschlechtert haben; das sind die rot markierten. Welche Länder sind das? Brandenburg, Thüringen, Berlin und Nordrhein-Westfalen. Das ist das Resultat linker und grüner Hochschulpolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ob das Berlin-Beispiel passt? Herr Henkel?)
Deshalb – das möchte ich hier auch ganz deutlich sagen – bin ich nicht glücklich über den jüngsten Beschluss von Bund und Ländern zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems aus der letzten Woche. Mit Blick auf Bildung und Forschung sendet dieser Beschluss aus meiner, aus unserer Sicht falsche Signale. Insbesondere die Einführung der Bundesergänzungszuweisung für Forschungsförderung halte ich für einen Fehler, um das hier ganz offen und deutlich zu sagen; denn diese „entschädigt“ nur diejenigen Länder mit Almosen, die im wettbewerblichen Verfahren weniger Erfolg hatten als andere. Sie widerspricht damit klar dem Wettbewerbsgedanken unseres Föderalismus, und gerade dieser kluge Wettbewerb in Forschung und Innovation hat Deutschland in den letzten elf Jahren seit 2005 starkgemacht. Am meisten werden übrigens die SPD-regierten Länder Niedersachsen und Rheinland-Pfalz von der Ergänzungszuweisung profitieren. Damit wird – das sage ich ganz deutlich – die rote Laterne der Erfolglosen zum goldenen Label der Lahmen. Das kann nicht sein, meine Damen und Herren.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Können wir mal wieder zum BAföG reden?)
Eines ist mir noch wichtig zum Beschluss vom vergangenen Freitag – Kollegin Albsteiger wird noch etwas dazu sagen –: Die Bund-Länder-Vereinbarung ist keine Abschaffung und auch keine Aushebelung des Kooperationsverbotes. Auch wenn viele das fälschlicherweise hoffen oder jetzt noch herbeireden wollen: Der Beschluss ist eindeutig. Es geht hier nur um finanzschwache Kommunen und nur um deren Bildungsinfrastruktur. Übrigens hat auch Baden-Württemberg in seiner Protokollerklärung richtigerweise darauf hingewiesen, dass das Kooperationsverbot nicht zur Debatte steht. Die Sanierung der maroden Schulgebäude ist und bleibt damit auch weiterhin ganz überwiegend Aufgabe der Länder und Kommunen. Deshalb rate ich allen, auch hier im Hause, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Ball flach zu halten. Wir werden nämlich sehr genau darauf achten, dass die Anpassung des Grundgesetzes genau dem Beschluss von Bund und Ländern folgt.
Mir ist in diesem Zusammenhang als Forschungspolitiker besonders wichtig, dass wir unsere Bemühungen in den Bereichen Wissenschaft, Forschung, Entwicklung und Innovation in gleichem Maße fortsetzen werden; denn das sind die Zukunftsbereiche, die uns Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum bringen. Das dürfen wir jetzt nicht aus den Augen verlieren; wir werden hier auch in Zukunft starke Signale setzen. Wir dürfen bei Forschung und Innovation in unseren Anstrengungen nicht nachlassen, um unseren Wohlstand zu erwirtschaften. Dies zeigt erfreulicherweise auch der Bundeshaushalt 2017 sehr eindrucksvoll.
Ich darf an dieser Stelle Frau Ministerin Johanna Wanka für ihre Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft ausdrücklich loben. Das Beherrschen digitaler Techniken ist das Zukunftsthema und die Stellschraube für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: BAföG!)
Deshalb ist es richtig, dass hier Prioritäten gesetzt werden.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Es geht ums BAföG! Ich glaube, Sie haben den Antrag gar nicht gelesen!)
Wir dürfen die digitale Zukunft nicht verschlafen und müssen die jungen Menschen fit machen für die künftigen Herausforderungen. Diese Offensive leistet dazu einen wichtigen Beitrag und gibt einen wichtigen Impuls.
Frau Kollegin Gohlke, Ihr Antrag ist wirklich mühsam und wie alter Wein in neuen Schläuchen; darüber brauchen wir gar nicht zu reden. Meine Kollegin wird etwas dazu sagen. Ich wende mich den wirklich wichtigen Themen zu.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die digitale Bildung ist ein zentrales Thema dieser Koalition und prominent im Koalitionsvertrag verankert. Wir flankieren dies mit unserem Koalitionsantrag zur digitalen Bildung und haben auch einen Entschließungsantrag zum Thema eingebracht. Die wichtigen Initiativen der Bundesregierung wie die Berufsbildung 4.0 oder die digitale Ausstattung der überbetrieblichen Bildungsstätten zeigen, dass es der Bundesregierung mit diesem Thema wirklich ernst ist.
Ein zentrales Vorhaben der Bildungsoffensive ist der Digitalpakt für die Schulen. Mit ihm wird ein wichtiger Startschuss für die Verhandlungen gegeben, wie ein Zukunftspaket für die digitale Ausstattung der Schulen und die Qualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern verbindlich und nachprüfbar ausgestaltet werden kann.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht ums BAföG! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Schule würde der Lehrer sagen: Setzen! Sechs! Thema verfehlt!)
Das ist wiederum eine Nagelprobe für die Länder, die nun gefordert sind, Konzepte für die Lehrerbildung vorzulegen, um die erforderliche Infrastruktur mit zu finanzieren.
Lassen Sie mich sagen: Die Kritik einzelner Lehrerverbände, der Digitalpakt sei eine Einmischung in Bildungsinhalte, ist nun wirklich lächerlich.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht ums BAföG! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie den falschen Redezettel, oder was?)
Die Verbände sollten sich vielmehr Gedanken darüber machen, wie sie die Lehrerinnen und Lehrer auf das Leben 4.0 und die digitale Welt vorbereiten. Dazu reicht es nicht aus, wenn ein Lehrer weiß, wie ein Whiteboard funktioniert. Das sollte man in Richtung der Verbände deutlich sagen.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt zum Thema, bitte!)
Wie die Ministerin schon öffentlich sagte, ist die Bildungsoffensive ein Vorhaben für die nächste Legislaturperiode. So sehen wir das auch. Wir müssen erst einmal beobachten, was die KMK zu diesem Thema beschließt. Wir werden die Bund-Länder-Gespräche im weiteren Verlauf aufmerksam begleiten und dann entscheiden, wenn aus unserer Sicht der richtige Zeitpunkt erreicht ist. Das bedeutet im Übrigen auch, dass wir nicht über Einzelmaßnahmen entscheiden, sondern über ein Gesamtpaket.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Gesamtpaket muss stimmen. Bundesgeld gibt es nicht geschenkt; es muss einen Mehrwert schaffen. Deshalb muss es klare, nachprüfbare Kriterien, transparente Verfahren sowie Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten geben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ganz zum Schluss möchte ich noch etwas in Richtung Herrn Heil sagen – er weilt heute leider nicht unter uns –,
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Ja, was auch ein anderes Thema ist! Ich will nur noch einmal darauf hinweisen! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ministerin und Staatssekretäre fehlen auch!)
der einen neuen Bildungsgipfel einberufen möchte, um eine neue Bildungsallianz zu schmieden. Wir brauchen keinen hektisch aufgesetzten neuen Bildungsgipfel. Wir brauchen auch keine neue Gesamtstrategie für die Bildung. Den Investitionsstau in den Schulen haben die Länder zu verantworten. Sie sind finanziell im Übrigen auch in der Lage, ihrer Verantwortung nachzukommen. Wir haben vonseiten des Bundes wirklich ausreichend Unterstützung dafür geleistet. Wenn ihnen die 1,2 Milliarden Euro jährlich aus der BAföG-Entlastung oder die Übernahme der Aufwüchse aus dem Pakt für Forschung und Innovation oder die insgesamt 20,2 Milliarden Euro aus dem Hochschulpakt nicht ausreichend Entlastung gebracht haben, um die Schulgebäude zu sanieren, dann haben sie einfach, um es salopp zu sagen, Mist gebaut. Dafür werden sie den Bund nicht weiter in Haftung nehmen können. Deshalb ist dieser Bildungsgipfel nicht notwendig. Wir können und werden – das ist mein letzter Satz – die Länder auch in diesem Punkt nicht aus ihrer Verantwortung entlassen.
Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die eigene Ministerin auch nicht! Sie glänzt wieder mit Abwesenheit! – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Merkwürdige Rede!)
Nächster Redner ist der Kollege Kai Gehring für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7019640 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 196 |
Tagesordnungspunkt | Berufsausbildungsförderung |