20.10.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 196 / Tagesordnungspunkt 7

Katrin AlbsteigerCDU/CSU - Berufsausbildungsförderung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ob Sie es glauben oder nicht: Es gibt Oppositionsanträge, die für das Parlament eine echte Bereicherung sind, Anträge, die sinnvolle Denkanstöße geben und uns als Regierungsfraktionen die Möglichkeit eröffnen, sich zu dem einen oder anderen Thema ganz neu, frisch, offen und transparent zu positionieren. Das sind Anträge, von denen wir alle etwas haben, die wir gerne miteinander debattieren.

Dann gibt es Oppositionsanträge, die alle Jubeljahre kommen, die aus der Mottenkiste geholt werden nach dem Motto: Darüber hätten wir schon lange mal wieder reden müssen.

(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Ja, wenn die Regierung nichts macht!)

Das sind meistens alte Hüte, die mit aktueller und moderner Politik schon lange nichts mehr zu tun haben.

Dann wiederum gibt es Anträge von der Opposition, die im Wechsel, mal von den Linken, mal von den Grünen, immer wieder innerhalb einer Legislaturperiode gestellt werden. Wir debattieren zigmal darüber – ob hier im Plenum oder im Ausschuss – und tauschen die Argumente aus. Alle Argumente sind wirklich in Gänze auf den Tisch gelegt; es ist immer und immer wieder das gleiche Spiel.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr lernt ja nie! Das ist ja das Problem!)

Der Erkenntnisgewinn ist begrenzt. – Um genau so einen Antrag handelt es sich heute hier.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren von den Linken, diesen Antrag mit dem Titel – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – „BAföG an die Lebenswirklichkeit anpassen – Keine weiteren Nullrunden für die Studierenden“ –

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tolle Überschrift!)

gut drei Monate nach der größten BAföG-Reform aller Zeiten vorzulegen, ist schon eine ganz besondere Kategorie. Dass Sie uns das hier auch noch auf nur zwei Seiten präsentieren, erweckt bei mir den Eindruck von Lieblosigkeit und Leidenschaftslosigkeit. Sie haben sich offensichtlich nicht so viel Mühe gemacht, und ich finde ihn, ehrlich gesagt, auch relativ unverschämt. Aus meiner Sicht hat das schlichtweg nichts mit konstruktiver, reflektierter und auch anerkennender Oppositionspolitik zu tun.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb würdigen Sie ja jetzt den Oppositionsantrag!)

Sie fordern keine weiteren Nullrunden und verdrehen damit an dieser Stelle die Tatsachen.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein einziges Fachargument bisher!)

Das wird der Sache nicht gerecht. Es gibt einen kleinen, aber feinen Unterschied zwischen Politik auf der einen Seite und Polemik auf der anderen Seite:

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gerade eine polemische Rede par excellence!)

Während wir Bildungspolitik machen, beschränkt sich die Linke auf Bildungspolemik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gerade wenn in diesen Tagen in diesem Hause rot-rot-grüne Gespräche geführt werden, sollten sich die Beteiligten ganz genau überlegen, ob sie in diesem Stil mit den anderen überhaupt Bildungspolitik machen wollen. Sehen wir es aber einmal positiv: Das gibt uns zumindest die Gelegenheit, über das zu sprechen, was wir alles gemacht haben.

Um es noch einmal deutlich zu machen: Zu den wesentlichen Veränderungen durch die letzte BAföG-Reform, die erst kürzlich in Kraft getreten ist, passt der Vorwurf von Nullrunden überhaupt nicht.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Union scheint zu viel Redezeit zu haben, dass man sie mit solchen Plattitüden füllt! – Gegenruf des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]: Das Leben ist manchmal hart!)

Lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen: Erstens. Zum Wintersemester 2016 steigen die BAföG-Sätze um 7 Prozent. Zweitens. Studierende mit einer eigenen Wohnung erhalten bis zu 735 Euro monatlich. Das ist nicht nichts; damit kann man durchaus leben, wenn man sparsam ist. Drittens. Auch die Freibeträge bei den Elterneinkommen steigen, sodass insgesamt circa 110 000 Studenten und Schüler mehr in den Genuss des BAföG kommen.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die vorher herausgefallen sind!)

Das alles hat seinen Preis. Die Leistungsverbesserungen haben insgesamt ein Volumen von jährlich 825 Millionen Euro.

(Beifall des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/CSU])

Ich möchte noch etwas zum Antrag selber sagen:

Erstens. Es wird gefordert, dass die Bedarfssätze und die Freibeträge künftig dynamisch anzupassen sind. Hier haben wir ein unterschiedliches Verständnis von Politik. Wir haben es im letzten Jahr geschafft, den Weg aus der unproduktiven Mischfinanzierung zu finden. Seit dem 1. Januar 2015 hat der Bund die vollständige Finanzierungshoheit. Die Länder werden jährlich um 1,2 Milliarden Euro entlastet. Das ist ein ganz schöner Batzen Geld, und das muss im Bundeshaushalt erst einmal finanziert werden. Man kann nicht immer, nachdem man Geld investiert hat, schon über die nächste Erhöhung sprechen. Man muss die Dinge auch einmal wirken lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Wie lange?)

Damit haben wir die Zeit der Schwarze-Peter-Spiele beendet. Sie sind jetzt Geschichte. Der Bund hat die Verantwortung und wird sie auch wahrnehmen. Wir haben das Heft des Handelns in der Hand, und das wollen wir auch behalten. Die Forderung nach einer dynamischen Anpassung des BAföG ist daher nicht mehr notwendig. Wir müssen uns nicht mehr die ganze Zeit mit den Ländern zu Verhandlungen darüber an den Tisch setzen. Sie waren natürlich müßig und haben auch dazu beigetragen, dass nicht arg viel passiert ist. Das ist jetzt Gott sei Dank erledigt. Den Gestaltungsspielraum wollen wir uns jedenfalls nicht nehmen lassen.

Verantwortung heißt, dass man Veränderungen, die es in der Realpolitik nun einmal gibt, auch berücksichtigt. Eine Dynamik passt einfach nicht dazu. Wir wollen analysieren, reflektieren, alles im Lichte der Zeit bemessen und im Gesamtkontext sehen und die entsprechenden Schritte gehen, wenn wir sie für geboten und richtig erachten. Die junge Generation hat auf lange Sicht nichts davon, wenn wir das nicht auch haushalterisch in den Griff bekommen und die Sache finanziell nicht austariert ist. So ist es nun einmal in der Politik: Es ist immer auch ein Kampf ums Geld. Den führen wir gerne, wir führen auch gerne die Debatten. Genau deshalb aber sage ich: Wir brauchen die dynamische Anpassung nicht.

Zweitens. Sie schreiben in Ihrem Antrag, die Beiträge sollten statt um 7 Prozent, um die wir sie erhöht haben, noch schnell um mindestens 10 Prozent steigen. So funktioniert Politik halt nicht. Die aktuelle BAföG-Reform ist seriös durchgerechnet. Hinzu kommt, dass wir ein ausführliches parlamentarisches Verfahren hatten, in dem wir uns mit diesem Thema beschäftigt und Argumente ausgetauscht haben. Jetzt noch einmal 3 Prozentpunkte mehr zu fordern, ist so ein bisschen Fundamentalopposition, immer nach dem Motto: Das, was die Regierung macht, ist immer zu wenig; wir wollen mehr, mehr, mehr –

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

wie auch immer das Ganze am Schluss finanziert werden soll, ob durch die Aufnahme neuer Schulden oder durch Steuererhöhungen oder dadurch, dass man Geld aus anderen wichtigen Bildungsprojekten zieht. Das wäre das Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“. Das ist eine Milchmädchenrechnung; aber offensichtlich kennen Sie sich damit aus. Mit uns jedenfalls ist das nicht zu machen; denn generationengerecht ist das nicht.

Drittens. Sie fordern, den nächsten BAföG-Bericht noch in diesem Jahr vorzulegen. Zugegeben: Berichte sind für uns wichtig. Sie sind aber kein Selbstzweck. Sie müssen dann vorgelegt werden, wenn es etwas zu berichten gibt. Die Reform ist gerade erst in Kraft getreten. Nun muss es die Möglichkeit geben, sie eine Weile wirken zu lassen. Wir freuen uns alle gemeinsam auf den BAföG-Bericht im Jahr 2017, in dem die Auswirkungen der aktuellen Reform beschrieben sein werden. In dem Bericht kann auch berücksichtigt werden, welche aktuellen Entwicklungen noch einbezogen werden müssen. Auch das Thema „elektronische Beantragung“ und die Frage, ob dies reibungslos funktioniert, kann darin aufgearbeitet werden. Das ist für uns wichtig. Danach werden wir selbstverständlich das BAföG weiterentwickeln.

Wir haben das BAföG in dieser Legislaturperiode zukunftsfähig gemacht. Wir haben mit der Übernahme der gesamten BAföG-Finanzierung von 1,2 Milliarden Euro in dieser Legislatur durchaus einen schönen Batzen gestemmt. Wir stehen zum BAföG und werden es mithilfe der BAföG-Berichte weiterentwickeln, und irgendwann fließt natürlich auch wieder mehr Geld.

Herr Präsident, ich muss zum Schluss noch einen Punkt nennen.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt haben Sie schon eine so lange Redezeit und kommen noch nicht einmal hin!)

Der Kollege Kaczmarek hat vorhin gesagt, wir hätten das Deutschlandstipendium einführen wollen, um das BAföG Schritt für Schritt zu ersetzen. Das ist komplett falsch. Das Deutschlandstipendium und alle anderen Stipendiensysteme sind enorm wichtige Finanzierungsinstrumente. Sie sind aber nicht eingeführt worden, um das BAföG ganz oder teilweise zu ersetzen, sondern als Ergänzung. Das ist auch gut so.

Es ist natürlich völlig klar: Wir lehnen Ihren Antrag ab. Ich hoffe, dass Sie bis zum nächsten Recycling Ihres Antrags ein bisschen Zeit vergehen lassen, es also noch ein wenig dauern wird, bis er wieder auf die Tagesordnung kommt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Abschließende Rednerin in dieser Aussprache ist die Kollegin Dr. Daniela De Ridder für die SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7019655
Wahlperiode 18
Sitzung 196
Tagesordnungspunkt Berufsausbildungsförderung
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