Uli GrötschSPD - Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, in der letzten Kurzintervention wurde ein Dilemma deutlich, das wir als Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums oftmals haben, nämlich dass in der Öffentlichkeit keiner darüber reden oder berichten kann, wie wirklich gehandelt wird und wie gut wir dort im Grunde zusammenarbeiten.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ja, das stimmt!)
Von daher halte ich es für schwierig, sich hier vorne hinzustellen, Kollege Dr. Hahn, und zu behaupten, dass wir Ihnen im PKGr erlauben müssten, dass Sie die Bundesregierung kritisieren. Das wäre ja noch schöner. Das wollte ich an dieser Stelle nur einmal richtigstellen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das passiert aber!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, laut meinem Kalender hatten wir im Jahr 2016 bisher 8 Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Im Vergleich dazu hatten wir 15 reguläre Sitzungen des Innenausschusses, 3 Sondersitzungen und unzählige Sachverständigenanhörungen. Wäre es ein normales Jahr gewesen, hätten diese 8 Sitzungen vielleicht sogar gereicht, um die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste sicherzustellen. 2016 war bisher aber leider kein normales Jahr; es ist vielmehr ein sehr ereignisreiches Jahr gewesen, auch für die Nachrichtendienste. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Anschläge in Würzburg und Ansbach oder an die vereitelten Anschläge wie zuletzt in Sachsen.
Wir haben es mit internationalem Terrorismus zu tun, der unsere Nachrichtendienste rund um die Uhr in Schach hält. Da die Bundesregierung gesetzlich verpflichtet ist, das Kontrollgremium über Vorgänge besonderer Bedeutung zu unterrichten – und wir fordern dieses Recht natürlich auch ein –, bleibt aufgrund der Vielzahl von Ereignissen, die in diese Kategorie fallen, kaum Zeit, um im PKGr andere Themen zu besprechen.
Unter parlamentarischer Kontrolle verstehe ich, dass die Vorgänge in den Behörden unter die Lupe genommen werden, und zwar nicht nur dann, wenn die Medien einen Skandal aufdecken.
(Thomas Oppermann [SPD]: Richtig!)
Ziel muss doch sein, dass es gar nicht erst zu Skandalen kommt,
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr gut!)
weil die Dienste innerhalb des gesetzlichen Rahmens arbeiten, den wir dem BND noch heute – das betrifft den nächsten Tagesordnungspunkt – geben werden.
Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz erwähnen, dass wir auch dahin gehend unsere Hausaufgaben mehr als gemacht haben und nun endlich eine klare Rechtsgrundlage zur Fernmeldeaufklärung geschaffen haben. Mein Kollege Burkhard Lischka hat das in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs herausgestellt: Es handelt sich um nichts weniger als um ein weltweit einmaliges Gesetz.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Was ich jedoch sehr bedauere, ist, dass wir unseren Vorschlag, das neue unabhängige Gremium vom PKGr zu berufen und auch die Geschäftsstelle im Bundestag anzusiedeln, nicht durchsetzen konnten. Wir hätten das für die Unabhängigkeit der Kontrolle als sinnvoll erachtet.
(Beifall bei der SPD)
Aber zurück zum Thema. In den letzten Monaten und Jahren reagieren wir in den Sitzungen des PKGr viel zu oft auf Medienberichte und Meldungen. Eine Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle ist dringend erforderlich, und deshalb begrüße ich ausdrücklich den Gesetzentwurf, um den es hier heute geht. Damit greifen wir übrigens auch eine Empfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode auf.
Die wohl wichtigste und gleichzeitig zielführendste Änderung ist, dass wir das Amt eines Ständigen Bevollmächtigten des Kontrollgremiums schaffen, also einer Person, die als verlängerter Arm des PKGr dessen Befugnisse wahrnimmt und gemeinsam mit einem spürbar aufgestockten Mitarbeiterstab – auch das ist ein sehr wichtiger Punkt – eine kontinuierliche, systematische und strukturelle Kontrolle durchführt.
(Beifall bei der SPD – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Und wer bestimmt die Leute? Wer bestimmt die Mitarbeiter?)
Wir wollen damit vor allem auch einen breiten Blick auf das nachrichtendienstliche Alltagsgeschäft richten. Künftig müssen also alle Bereiche der Dienste damit rechnen, jederzeit Gegenstand einer Kontrolle durch das PKGr oder durch den Ständigen Bevollmächtigten zu werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, keinesfalls wird die Einführung des Ständigen Bevollmächtigten dazu führen, dass allein ihm exklusiv der Zugang zu Informationen oder Akten gewährt wird. Der Ständige Bevollmächtigte ist kein Beauftragter der Bundesregierung. Alle Akten, die er einsieht, kann natürlich auch das Gremium einsehen. Ich sehe durch den Ständigen Bevollmächtigten viel mehr eine große Entlastung und einen deutlichen Gewinn an Effizienz; denn es liegt doch an uns, welche Konsequenzen und Rückschlüsse wir aus seinem Bericht ziehen. Sie können doch trotzdem weiterhin Kontrollbesuche bei den Diensten durchführen und Berichte anfordern. Wenn Sie den Eindruck haben, der Ständige Bevollmächtigte habe nicht sorgfältig gearbeitet, dann hindert Sie niemand daran, nachzuhaken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, ich bin froh, dass wir uns sozusagen in letzter Minute noch darauf einigen konnten, dass auch das Vertrauensgremium im Benehmen mit dem PKGr Aufträge an den Ständigen Bevollmächtigten erteilen kann. Wir hätten uns zwar vorstellen können, dass das Vertrauensgremium auch bei der Auswahl des Bevollmächtigten stärker eingebunden wird, aber das wird vielleicht die nächste Baustelle.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht durchsetzen! Ja, so ist das!)
Es wurde eben auch schon gesagt: Eine weitere, noch vor wenigen Jahren undenkbare Neuerung sind die jährlichen öffentlichen Anhörungen der Präsidenten der Dienste.
(Burkhard Lischka [SPD]: Ja, das hat sich Herr Ströbele immer gewünscht!)
Hiermit haben die Parlamente in den USA und in Großbritannien ganz hervorragende Erfahrungen gemacht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bräuchte viel mehr Redezeit, um all die positiven Aspekte dieses Gesetzes vortragen zu können.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, die Große Koalition hat einfach zu wenig Redezeit! Das ist ein Problem, das uns schon lange umtreibt!)
Lassen Sie mich sagen: In diesem Gesetz geht es nicht um Fraktionsinteressen, sondern es geht um die Interessen und um die Stärkung des ganzen Parlaments.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird nur noch die Sonne scheinen ab morgen dank der Großen Koalition!)
Frau Präsidentin, Sie werden wohl auch heute nicht so gnädig sein, mir mehr Redezeit zu geben, deshalb komme ich zum Ende. Ich bitte Sie alle um Zustimmung. Stehen Sie nach der dritten Lesung doch einfach alle auf
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und zwar beim Nein!)
und setzen Sie mit uns zum Quantensprung in der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste an!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Armin Schuster, CDU/CSU-Fraktion.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Schuster, rücken Sie das erst mal gerade!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7020285 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 197 |
Tagesordnungspunkt | Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste |