Clemens BinningerCDU/CSU - Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege von Notz, ich hätte mir gewünscht, dass wir bei einer so wichtigen Debatte über die Regelung einer schwierigen Materie, bei der es keine einfachen und schnellen Antworten gibt,
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unbestritten!)
einen politischen Streit in der Sache hätten führen können. Stattdessen gab es eine Aneinanderreihung von Polemik und selektiver Wahrnehmung. Das trägt nichts dazu bei, aber auch gar nichts.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Es stimmt: Vor drei Jahren hat dieses Thema durch die Enthüllungen von Snowden Bedeutung gewonnen.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Dann kam die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses, in dem Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen bewundernswerte Arbeit leisten. Dann kam die Arbeit der Taskforce des Parlamentarischen Kontrollgremiums, die die Selektorenpraxis des BND untersucht hat.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Dann konnte und musste man kritisieren, weil vieles nicht in Ordnung war. Man durfte, wenn man wollte, „Skandal“ schreien. Das bleibt jedem selbst überlassen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war so! Das war ein Skandal!)
Ich bin da immer etwas differenzierter. Aber kritisieren musste man.
Drei Jahre danach wäre es jedoch angebracht, sich nicht mehr krampfhaft an den Sommer 2013 zu erinnern und nicht dauernd zurückzublicken, sondern zu fragen: Wohin führt der Weg jetzt? Was tun wir, damit sich diese Dinge nicht wiederholen? Wie schaffen wir einen guten Rechtsrahmen für den BND? – Das wäre der Schwerpunkt einer guten Debatte.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Skandal dauert an! Jetzt, heute noch, wenn wir hier sitzen!)
– Ganz ruhig.
Ich benenne die Kritikpunkte:
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann jetzt!)
eine unzureichende Kontrolle durch das Kanzleramt in der Vergangenheit – das haben wir auch als PKGr gesagt –,
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war eben der TOP!)
fehlende Richtlinien und Anweisungen für die Umsetzung der technischen Aufklärung und eine Rechtsgrundlage, Herr Kollege von Notz, die fast nichts verboten hat, weil sie generalklauselartig war und es deshalb immer Auslegungssache war. Das war der Grund.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gab keine Rechtsgrundlage!)
Die Mitarbeiter haben sich nicht per se rechtswidrig verhalten. Sie waren in der ganz unglücklichen Situation, dass es nur einen Paragrafen gab, nach dem Motto: Wenn es euch hilft, dürft ihr alles. – So kann man das zusammenfassen. Das hat sie in diese Problemlage gebracht. Das korrigieren wir, indem wir eine präzise Rechtsgrundlage geben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wussten, dass das rechtswidrig war!)
Der vierte Kritikpunkt ist eine unzureichende parlamentarische Kontrolle. Dazu haben wir unter dem ersten TOP einen Beschluss gefasst und etwas geändert.
Wir reformieren das BND-Gesetz. Ich habe vorhin aus gutem Grund die Sachverständigen genannt. Ja, sie haben auch Kritik geübt, vor allen Dingen an zwei Punkten: zum einen am unabhängigen Gremium, das die Selektorenpraxis überprüfen soll. Alle haben gesagt: Verfassungsrechtlich ist das unproblematisch. Man kann es aber so oder anders sehen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist das Letzte!)
Einige Sachverständige fragten auch: Warum zitieren Sie nicht Artikel 10?
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, warum zitieren Sie denn nicht Artikel 10, Herr Binninger?)
Aber nennen Sie mir bitte, bevor Sie hier ein Szenario malen, das den Eindruck erweckt, dass in diesem Land alles drunter und drüber geht – das Gegenteil ist der Fall –, ein Parlament auf der Welt, das sich so intensiv mit solchen Vorgängen befasst!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Nennen Sie mir eine Regierung auf dieser Welt, die ein Gesetz für ihren Nachrichtendienst vorgelegt hat!
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die USA! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: USA!)
Nennen Sie mir ein Parlament, das genauso die Konsequenzen gezogen hätte wie wir! Nennen Sie es! Es gibt keines. Dann haben wir, glaube ich, einen guten Job gemacht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Burkhard Lischka [SPD]: Seit Wochen bitten wir euch darum!)
Herr Kollege von Notz – über diese sehr anspruchsvolle Rechtsfrage würde ich gerne eine Diskussion führen –, gilt Artikel 10 – unser Fernmeldegeheimnis – auch in einer Krisenregion wie Rakka, wo der IS herrscht? Darum geht es doch.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Gilt er auch in Frankreich? – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gilt der auch im Élysée-Palast?)
Bei der Auslandsüberwachung geht es darum, dass der BND – eine andere Chance hat er nicht – Datenströme zwischen zwei ausländischen Gesprächspartnern im Ausland bzw. in einer Krisenregion analysieren können muss. Wie wollen wir denn Terrorverdächtige entdecken, wenn nicht so? Deshalb brauchen wir die in Rede stehende Maßnahme.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Kollege Binninger, gestatten Sie jetzt eine Frage des Kollegen von Notz?
Alles andere hätte mich überrascht. Ich gestatte sie natürlich.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich glaube, das war abgesprochen!)
Das ist dann die Verlängerung Ihrer Redezeit.
Unsere Absprache wird jetzt offenkundig, Herr Kollege Binninger.
Irgendwann kommt’s raus.
Ich tue Ihnen den Gefallen. – Sie haben von Rakka geredet. Der Kollege Flisek hat vorhin meiner Ansicht nach unzutreffend gesagt, die Europäer wären nun geschützt.
(Burkhard Lischka [SPD]: Ja, sicher!)
Ist es denn so, dass europäische Selektoren nicht mehr gesteuert werden können? Schließen Sie das aus? Es gab kein einziges europäisches Land, das nicht betroffen war. Sagen Sie, dass das in Zukunft nicht mehr der Fall ist? Geht Ausspähen unter Freunden nicht mehr, oder geht es doch durch dieses Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen? Dann bekennen Sie sich auch dazu, und reden Sie nicht von Rakka.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christian Flisek [SPD]: Europäische Terrorverdächtige werden wir nach wie vor überwachen, genauso wie wir es bei deutschen machen!)
Herr Kollege von Notz, natürlich geht es im Schwerpunkt um Krisenregionen wie Rakka, wo der IS sein Terrorregime etabliert hat.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geht Ausspähen unter Freunden?)
Wir schließen im Gesetz aus, dass europäische Bürger davon betroffen sind, es sei denn, es handelt sich um Terrorverdächtige. Wir garantieren doch keine Immunität.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Viele Terrorverdächtige kommen doch aus Europa. 5 000 IS‑Kämpfer stammen aus Europa. Diese wollen Sie als Grüne doch nicht ernsthaft schützen. Oder muss ich Sie anders verstehen?
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ausspähen unter Freunden geht also nicht?)
Herr Kollege von Notz, Sie können von mir aus auch sitzen bleiben, obwohl ich die Beantwortung Ihrer Frage noch nicht beendet habe. Ich sage es trotzdem.
Herr von Notz, wenn Herr Binninger noch auf Ihre Frage antwortet, bitte ich Sie, aufzustehen.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich stehe hier lange!)
Noch einen Satz. Wir schützen EU-Bürger und EU-Institutionen, wenn es um die strategische Fernmeldeaufklärung geht. Wenn sich aber EU-Bürger oder jemand anders dem Verdacht der Proliferation oder des internationalen Terrors aussetzen,
(Christian Flisek [SPD]: Ja, eben!)
dann schützen wir sie nicht. Es wäre doch verrückt, zu sagen: Ein belgischer Terrorverdächtiger ist geschützt, nur weil er EU-Bürger ist.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das französische Außenministerium?)
Wir haben hier eine klare und gute Differenzierung gefunden. Wenn es Bezüge zum Aufgabenfeld des BND gibt, kann es im Interesse unserer Sicherheit keinen Schutz geben. Wenn das aber nicht der Fall ist, sind EU-Bürger geschützt. Das ist ein gewaltiger Schritt nach vorne.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden wieder nur von Terror! Das ist unseriös! – Burkhard Lischka [SPD]: Das ist die Faktenlage!)
– Über Terror zu reden, ist sicherlich nicht unseriös, Herr Kollege von Notz.
Analog zum Kollegen Schuster, der vorhin einen flotten Spruch gemacht hat: Einerseits hätten Sie von den Grünen gerne leistungsfähige Nachrichtendienste.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechtsstaatlich!)
Andererseits müssen Sie bei Ihrer Community Radau machen und sagen: Das alles ist ganz schlimm. – Den Nutzen aus der Arbeit der Nachrichtendienste hätten Sie schon gerne. Sie trauen sich nur nicht, das so richtig zu sagen. Was Sie da machen, ist für mich Heldentum nach Ladenschluss.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechtsstaat!)
Sie behaupten, dass wir nun Dinge erlauben, die vorher verboten waren. Das stimmt einfach nicht.
(Martina Renner [DIE LINKE]: Natürlich!)
Ich kann nur jedem empfehlen, insbesondere Ihnen, Frau Renner: Legen Sie die beiden Gesetzentwürfe nebeneinander. Schauen Sie, was zuvor geregelt war. Zuvor gab es nur einen Paragrafen, eine Generalklausel. Schauen Sie, was wir nun regeln. Wir regeln nun die Anordnungswege im BND und im Kanzleramt. Es gibt ein Richtergremium, das die Selektoren prüft. Wir haben klare Definitionen, mit denen wir Aktivitäten wie Wirtschaftsspionage ausschließen. EU-Bürger werden geschützt, und wir haben einen Paragrafen für den Kernbereichsschutz.
Man kann dann immer noch sagen: Politisch gefällt mir das nicht. – Einverstanden, dafür sind wir unterschiedliche Parteien. Aber zu sagen, jetzt wird erlaubt, was vorher verboten war, ist Unfug und unseriös. Ich bitte Sie wirklich, das zu lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. Das war jetzt vorbildlich. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kollegin Gabriele Fograscher das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7020299 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 197 |
Tagesordnungspunkt | Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND |