Uwe Beckmeyer - Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute in erster Lesung eine weitreichende Modernisierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Das ist eine vermeintlich trockene Materie. Aber diese hat es in sich, weil in einigen Bereichen Handlungsbedarf besteht. Die 9. GWB-Novelle bringt das Wettbewerbsrecht auf den Stand des digitalen Zeitalters. Gerade die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass das althergebrachte Instrumentarium des Wettbewerbsrechtes nur zum Teil auf die neuen Geschäftsmodelle einer digitalisierten Welt passt. Mit der Novelle schaffen wir nun ein – ich nenne es einmal so – Wettbewerbsrecht 4.0. Das Bundeskartellamt hat sich bereits intensiv mit der Rolle von Facebook, Amazon und Co. befasst. Wir geben mit diesem Wettbewerbsrecht dem Kartellamt nun neue Beurteilungskriterien an die Hand. Hierzu zählen zum Beispiel Netzwerk- und Skaleneffekte sowie der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten.
Der Bedeutung von Daten als neuer Währung unserer Zeit tragen wir auch bei der Fusionskontrolle Rechnung. Sie wird auf Fälle erweitert, die bislang außerhalb unseres Radars geblieben sind. Die Übernahme von WhatsApp durch Facebook hat gezeigt, dass auch Unternehmen ohne nennenswerte Umsätze erhebliche wettbewerbliche Bedeutung haben können und entsprechend teuer sind. Bislang war die Voraussetzung für die deutsche Fusionskontrolle aber nur, dass bestimmte Umsatzschwellen erreicht werden. Der Kaufpreis spielte dabei keine Rolle. Das ändern wir jetzt. Wichtige Impulse dafür hat uns die Monopolkommission in ihrem Sondergutachten zur Digitalisierung gegeben. Die Erweiterung der Fusionskontrolle ist so gestaltet, dass sie die deutsche Start-up-Szene nicht beeinträchtigt. Sie greift erst ab einem Kaufpreis von mehr als 400 Millionen Euro. In den vergangenen Jahren gab es in Deutschland maximal eine einzige Übernahme pro Jahr. Hier geht es also nur um die Spitze des Eisbergs. Im Übrigen bedeutet eine Prüfung der wettbewerblichen Auswirkungen natürlich nicht per se ein Verbot von Fusionen. Das Kartellamt soll sich jedoch die Fälle genau ansehen können.
Bei den Bußgeldern schließen wir nach der Aufdeckung eines Kartells in der Fleischwarenindustrie mit der Novelle die sogenannte Wurstlücke. Die beteiligten Unternehmen haben sich den Bußgeldern durch gesellschaftsrechtliche Tricks entzogen. Zwar ist es nicht möglich, hier rückwirkend etwas zu unternehmen. Aber so etwas wird es in Zukunft nicht mehr geben können. Wir schließen diese Lücke, indem wir eine umfassende Verantwortlichkeit der Unternehmen einführen. Künftig werden sowohl die Muttergesellschaft für ihre Tochter als auch der Nachfolger für ein gekauftes Unternehmen die Bußgelder für frühere Kartelle zahlen müssen. Das schließt zugleich eine Gerechtigkeitslücke; denn derartige Tricks können sich nur Konzerne erlauben. Der Mittelständler mit einer einfachen Unternehmensstruktur musste hier bisher zuschauen, wie große Kartellanten davonkommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen darüber hinaus ein wichtiges Signal gegen einen zum Teil ruinösen Preiskampf im Lebensmitteleinzelhandel; die Debatte über den Milchpreis zeigte, dass dort einiges los ist. Dazu entfristen wir das Verbot, Lebensmittel unter Einstandspreis zu verkaufen. Solche Lockangebote sollen nicht zu unfairem Wettbewerb führen. Dies ist nicht nur für uns, sondern auch für die Landwirtschaft und die Lebensmittelhersteller ein Anliegen.
Schließlich erleichtern wir mit der Novelle die Kooperation von Presseverlagen; das hatten wir uns schon im Koalitionsvertrag vorgenommen. Künftig können Verlage jenseits der Redaktionen etwa den Anzeigenvertrieb gemeinsam organisieren. Das wird gerade kleinen Verlagen und Lokalzeitungen helfen, sich wichtigen Aufgaben im digitalen Zeitalter zu stellen.
Wie Sie sehen, ist die 9. GWB-Novelle ein umfassendes Projekt, das deutsche Wettbewerbsrecht zeitgemäß zu gestalten und den Kartellbehörden die notwendigen Instrumente zu geben und Durchsetzungskraft zu verleihen. Diese Novelle ist aber nicht das Ende der Geschichte. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir im letzten Verfahren der Ministererlaubnis gemacht haben, evaluieren wir gerade, ob und wie wir zu weiteren Verbesserungen und Klarstellungen im Rahmen dieser Novelle kommen können.
Meine Damen und Herren, hier ist Klarstellungsbedarf nötig. Den leisten wir. Bitte stimmen Sie unseren Wünschen und unseren Vorschlägen zu.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt der Kollege Michael Schlecht.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7029935 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 199 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen |