10.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 199 / Tagesordnungspunkt 9 + ZP 6

Marcus HeldSPD - Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute mit dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere auf Basis einer EU-Richtlinie aus dem Jahre 2014, die wir entsprechend in deutsches Recht umsetzen. Wir befassen uns auch deshalb damit, weil wir der Digitalisierung in der Wirtschaft Rechnung tragen wollen und entsprechende Anpassungen im GWB brauchen. Wir haben aber auch vor allem in den zurückliegenden Jahren in der Praxis Erfahrungen in Bezug auf die Rechtsdurchsetzung gemacht. Auch deshalb brauchen wir einige Neuregelungen in diesem Gesetzentwurf.

Dies bezieht sich vor allem auf Probleme mit bestehenden Rechtsnachfolgen, aber auch mit bestimmten Konzernstrukturen, wie wir ja in den letzten Jahren feststellen mussten. Es war zum Beispiel festzustellen, dass Unternehmen versucht haben, kartellrechtliche Geldbußen in Millionenhöhe durch Vermögensverschiebungen und durch Umstrukturierungen zu vermeiden. Dem Staat sind somit rund 130 Millionen Euro entgangen. Der prominenteste Fall, der eben schon angesprochen wurde, ist uns allen als Tönnies-Fall oder als Wurstkartell bekannt.

Um das künftig zu verhindern, haben wir nun die Lücke in § 81 GWB geschlossen und dafür gesorgt, dass Rechtsfolgen und Rechtsnachfolgen gewährleistet sind. Künftig ist es so, dass im Zweifel nicht mehr nur die handelnde Tochtergesellschaft für das Bußgeld herangezogen werden kann, sondern darüber hinaus auch die Konzernmuttergesellschaft, damit hier keine umgehende Lösung möglich ist. Gerade schwerwiegende Kartellrechtsdelikte mit besonders hoher Sozialschädlichkeit, meine Damen und Herren, können wir so in Zukunft ahnden. Dies war uns Sozialdemokraten besonders wichtig, denn das ist für uns eine Frage der Gerechtigkeit.

Wir haben in § 33 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen die Möglichkeit eingeführt, Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen zu erheben. Es ist jetzt im Gesetz klar definiert, was ein Kartell ist, und es ist auch klar definiert, wann wir von einem Zuwiderhandeln gegen das Kartellrecht sprechen können.

Mir persönlich war bei den Beratungen im Vorfeld, in den letzten eineinhalb Jahren, die Frage der Pressekooperationen wichtig. Lieber Herr Schlecht, Sie haben es angesprochen. Wir haben uns als SPD-Fraktion sehr intensiv mit den Playern auf dem Markt auseinandergesetzt und uns inhaltlich auf diese Neuregelungen verständigt. Hintergrund ist, dass immer mehr Verlage – vor allem kleine und mittelgroße – Probleme haben, auf dem Markt zu bestehen. Dies gilt vor allem in Bezug auf die Marktanteile, die sich auf Facebook und das Internet beziehen und Jahr für Jahr größer werden. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Gesamtumsätze der Zeitungsverlage in Deutschland von 10,8 Milliarden Euro im Jahr 2000 mittlerweile auf 7,6 Milliarden Euro in 2015 zurückgegangen sind. Dies ist ein deutlicher Rückgang. Er manifestiert sich durch den Rückgang der Zeitungsauflagen und drohende Insolvenzen etwa bei der Frankfurter Rundschau oder der Münchener Abendzeitung.

Diese Entwicklung offenbart die Dramatik der Situation in diesem Bereich. Deshalb müssen wir für kleine und mittlere Redaktionen gleiche Rechte und Möglichkeiten schaffen. Wir haben uns dafür starkgemacht, hier weiterhin einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Wir wollen, dass in Deutschland ein flächendeckendes redaktionelles Angebot gerade auch im Printbereich gegeben ist, und dafür sorgen, dass der Wettbewerb nicht immer weiter zulasten der Vielfalt der Printprodukte geht, damit wir auch in einigen Jahren noch flächendeckend Tageszeitungen in Deutschland haben.

Als SPD ist uns wichtig, nach dieser ersten Lesung dafür zu sorgen, dass noch ein Punkt in das Gesetz aufgenommen wird, nämlich der Punkt des kollektiven Verbraucherschutzes. Das Bundeskartellamt soll nach unserer Vorstellung künftig den Verbraucherschutz im Interesse des kollektiven Verbraucherschutzes durchsetzen können, gerade im Internet, wo eine Vielzahl von Fällen zu Beschwerden führt und der einzelne Nutzer am Ende Probleme hat, seine Rechte juristisch oder zivilrechtlich durchzusetzen. Wir sind der Meinung: Wenn eine Vielzahl von Fällen eine Vielzahl von Menschen betrifft, weil diese Fälle wiederholt auftreten, also auch wirtschaftlich bedeutsam sind, dann sollen sie künftig vom Kartellamt entsprechend verfolgt werden können, wenn ein Nutzer oder ein Bürger dem Kartellamt entsprechende Hinweise gibt.

Last, but not least möchte ich natürlich gerne auf die Anträge der Grünen zur Ministererlaubnis eingehen. Ich habe es in dieser Woche schon im Ausschuss gesagt: Mir fehlt an dieser Stelle der deutliche Hinweis, dass wir durch die Ministererlaubnis von Sigmar Gabriel und den Kompromiss, der am Ende gefunden werden konnte, bei der Fusion von Kaiser’s Tengelmann 16 000 Menschen in Deutschland den Arbeitsplatz gesichert haben.

(Beifall bei der SPD)

Das sagt hier komischerweise bei allen formalen Diskussionen keiner.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist ja auch nicht so!)

Ich finde es, ehrlich gesagt, sehr verletzend gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Unternehmung Kaiser’s Tengelmann, dass niemand diese Debatte zum Anlass nimmt, hierüber zu sprechen.

Wir haben in Deutschland seit 1972 insgesamt nur 22 Fälle gehabt, in denen es, nachdem das Kartellamt eine Fusion abgelehnt hatte, tatsächlich zu einer Ministererlaubnis gekommen ist. Das ist so selten der Fall, meine Damen und Herren, dass wir hier wirklich nicht übertreiben sollten. Ich glaube, wir können dieses Verfahren weiterhin anwenden. Wir sollten es auch nicht von der politischen Mehrheit im Parlament abhängig machen, Herr Schlecht, wie hier entschieden wird; denn das kann sich auch in einer Form ändern, wie wir beide es vielleicht am Ende nicht haben wollen. Insofern sollten wir bei der Ministererlaubnis bleiben, meine Damen und Herren. Wir können sie sicherlich an der einen oder anderen Stelle ein bisschen modifizieren. Aber das können wir im Laufe des Verfahrens diskutieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Danke schön. – Jetzt hat für die CDU/CSU der Kollege Axel Knoerig das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7029955
Wahlperiode 18
Sitzung 199
Tagesordnungspunkt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
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