Martina Stamm-FibichSPD - Arzneimittelrechtliche Vorschriften (3. Lesung)
Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Besucher auf der Tribüne! Diese Woche steht voll und ganz im Zeichen des Themas „Arzneimittel und Gesundheit“. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns schon einmal in einer Woche so oft im Plenum zusammengefunden haben.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Zum Thema Gesundheit! Sonst schon!)
Wir sind fleißig: Am Mittwoch haben wir über die gruppennützige Forschung an nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen debattiert. Ich denke – da gebe ich der Kollegin Wöllert recht –, das war eine ordentliche und anständige Debatte. Über die vorliegenden Änderungsanträge wurde abgestimmt. Auch ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht; aber so ist das in der Demokratie, und die Debatte stand diesem Haus gut an.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das gilt auch in Amerika, dass das Demokratie ist!)
Gestern folgte die erste Lesung des Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes. Heute kommen wir zu Teil drei, zur dritten Lesung des Entwurfs des Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, kurz: AMG-Novelle. Auch ich finde diesen Begriff recht sperrig.
Vieles in diesem Gesetzentwurf ist unstrittig und wird erhebliche Verbesserungen in unserer Versorgungslandschaft mit sich bringen. Aus meiner Sicht ist die Debatte über die gruppennützige Forschung ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, dass Fragestellungen nicht nur politisch angegangen werden, sondern auch möglichst frühzeitig gesellschaftlich debattiert werden. Ich möchte zwei Punkte aus diesem Gesetzentwurf herausgreifen, über die es sich nachzudenken lohnt.
Laut einer aktuellen Umfrage können 94 Prozent der Apotheker mehrmals pro Woche Medikamente nicht auftreiben. Dann heißt es auf den Zetteln an den leeren Regalfächern und in den Medikamentenlagern: Hersteller defekt. Besonders davon betroffen sind die Impfstoffe. Acht sind es laut einer aktuellen Liste des Paul-Ehrlich-Instituts mit Humanimpfstoffen, bei denen es Lieferengpässe gibt. Diese Liste beruht bislang auf einer freiwilligen Meldung der Arzneimittelhersteller. Doch Lieferengpässe können Leben gefährden; denn Krankheiten richten sich nicht nach der Verfügbarkeit von Arzneimitteln auf dem Markt.
Mit dieser AMG-Novelle schaffen wir nun die Rechtsgrundlage für mehr Transparenz über die verfügbaren Arzneimittel. Die Ständige Impfkommission und die medizinischen Fachgesellschaften sollen künftig Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Lieferengpässen geben können. Das ist richtig und wichtig; denn wer nicht weiß, was fehlt, kann auch keine Schritte zur Vermeidung von Lieferengpässen in die Wege leiten. Transparenz und die Veröffentlichung von Informationen sind ein wichtiger Schritt, um Versorgungsengpässe künftig zu vermeiden.
Bis zuletzt habe ich mich in der Debatte über diesen Gesetzentwurf für die Abschaffung des Fernverschreibungsverbots eingesetzt. Ich bleibe dabei, dass ohne Notwendigkeit eine berufsrechtliche Regelung zur Fernbehandlung in den Gesetzentwurf aufgenommen wurde. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass eine Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht erfolgen darf, wenn vor der ärztlichen Verschreibung kein direkter Kontakt zwischen dem Arzt und der Person, für die das Arzneimittel verschrieben wird, stattgefunden hat. Hiervon darf in begründeten Fällen jedoch abgewichen werden, insbesondere wenn die Person dem Arzt aus vorangegangenen Kontakten hinreichend bekannt ist und es sich um eine Wiederholung oder Fortsetzung der Behandlung handelt. Dem Wortlaut des Gesetzentwurfs nach muss es zunächst einen nicht definierten begründeten Ausnahmefall geben. Erst dann greift die Wiederholung oder Fortsetzung. Aus meiner Sicht kann das im Fall einer Schmerztherapie durchaus hinderlich sein. Durch diese Koppelung wird bereits eine leichte Dosiserhöhung ausgeschlossen.
Die Neuregelung in § 48 Arzneimittelgesetz weitet damit das ärztliche Berufsrecht auf weitere Leistungserbringer aus, nämlich auf die Apotheker. Sie werden so nicht wollend zu einer Kontrollinstanz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, kann der Apotheker an der Nasenspitze erkennen, ob ein Patient vorher beim Arzt war? Nein, das kann er nicht. Aus meiner Sicht ist die Telemedizin ein wichtiges Instrument zur Aufrechterhaltung, Verbesserung und Verkürzung von Versorgungswegen, gerade vor dem Hintergrund des demografischen Handelns.
(Beifall bei der SPD)
Erst vor knapp einem Jahr haben wir das E-Health-Gesetz verabschiedet und uns ausdrücklich zum Potenzial digitaler Anwendungen für die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der Patientenversorgung bekannt. Dies ist besonders in ländlichen Regionen von Relevanz, in denen Fahrtwege zu Ärzten und Wartezeiten zunehmend zu Zugangshürden werden. Ich kann bis heute nicht verstehen, warum dieses Verbot es ins Gesetz geschafft hat. Ich halte dieses Verbot von Fernverschreibungen für nicht zielführend. Ansonsten, glaube ich, dass wir mit der vierten AMG-Novelle ein gutes Gesetz gemacht haben, das für viele Verbesserungen in diesem Land sorgen wird.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat nun die Kollegin Schulz-Asche für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7030401 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 200 |
Tagesordnungspunkt | Arzneimittelrechtliche Vorschriften (3. Lesung) |