11.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 200 / Tagesordnungspunkt 36

Edgar FrankeSPD - Arzneimittelrechtliche Vorschriften (3. Lesung)

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich in Richtung von Frau Schulz-Asche, die die Anwendungsbeobachtungen angesprochen hat, sagen, dass wir in diesem Haus mit dem § 299a im StGB einen eigenen Tatbestand der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen geschaffen haben.

(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht für die Anwendungsbeobachtungen!)

Viele Tatbestände sind in diesem Paragrafen geregelt. Das war ein Erfolg für die Lauterkeit im Gesundheitswesen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Das möchte ich ausdrücklich hier betonen, weil es wirklich schwierig war, das auch durchzusetzen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden in erster Linie Anpassungen im Arzneimittelrecht vorgenommen. Es geht um klinische Prüfungen und Humanarzneimittel. Das haben schon mehrere gesagt, auch die Kollegin Stamm-Fibich hat darauf hingewiesen. Ich möchte noch einmal drei Aspekte erwähnen.

Der erste Aspekt ist ein ganz wichtiger: Arzneimittelsicherheit. Mit diesem Gesetz wollen und werden wir sicherstellen, dass ein begründeter Fälschungsverdacht ausreicht – auch Maria Michalk hat darauf hingewiesen –, um ein Arzneimittel wieder vom Markt zu nehmen. Es ist momentan wirklich so, dass überall gefälscht wird, dass gefälschte Arzneimittelpackungen in legale Vertriebsketten kommen, nicht in erster Linie in Deutschland, vor allen Dingen aber in Europa. In ganz vielen Fällen haben Kriminelle sich, teilweise sogar aus dem Internet, Druckvorlagen von Pharmafirmen beschafft. Das ist ein Problem, das wir in der Praxis haben. Denn mit bloßem Auge kann man die Fälschungen nicht erkennen. Die WHO schätzt den Anteil der Fälschungen auf 10 Prozent. Gerade in der Onkologie, wo Zytostatika eingesetzt werden, geht es um Leben und Tod; es ist ganz wichtig, dass wir hier handeln. Wir haben eine gute Regelung geschaffen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und sie wird auch wirksam sein. Denn der Rückruf ist darin ausdrücklich geregelt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wir packen ein weiteres Problem an. Wir alle wissen, dass immer wieder darüber geklagt wird, dass nicht ausreichend Medikamente und gerade auch Impfstoffe zur Verfügung stehen. Jetzt ist Herbst, und bald fängt der Winter an. Wir schaffen insofern Transparenz, als die Ständige Impfkommission und auch medizinische Fachgesellschaften künftig Handlungsempfehlungen geben können. Das brauchen die Patienten; denn die Patienten müssen sicher sein, dass sie im Krankheitsfall Medikamente bekommen; die Patienten müssen sicher sein, dass sie mit wirksamen Impfstoffen geimpft werden. Das ist eine wirklich gute Regelung, liebe Kolleginnen und Kollegen, die wir in den Gesetzentwurf aufgenommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Lassen Sie mich zum Schluss meiner Rede noch einmal auf einen strittigen Punkt zurückkommen: die beabsichtigte Zulassung gruppennütziger Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der EU war bewusst, dass gerade wir Deutschen aufgrund unserer Vergangenheit sehr sensibel mit Forschung an Menschen umgehen müssen, die ihren Willen nicht mehr eindeutig mitteilen können. Deshalb hat sie auch den nationalen Parlamenten einen breiten Spielraum eingeräumt. Seit dem Frühsommer haben wir in diesem Hause im Ausschuss, aber auch öffentlich ganz, ganz engagiert das Für und Wider diskutiert. Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Diskussionen nicht nur in den Anhörungen im Gesundheitsausschuss haben gezeigt, dass wir uns ernsthaft und mit Niveau und in der Tiefe mit diesen Fragen auseinandergesetzt haben.

Wir haben vergangenen Mittwoch mehrheitlich entschieden – auch das hat Frau Schulz-Asche angesprochen –, dass nichteinwilligungsfähige Menschen an gruppennützigen Studien teilnehmen können, wenn sie im gesunden Zustand, im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ihre Einwilligung zur Teilnahme erklärt haben. Dabei setzen wir enge Grenzen, wann die Teilnahme erlaubt ist und welche Untersuchungen im Rahmen einer solchen Studie möglich sind.

Zunächst schreiben wir eine verpflichtende ärztliche Aufklärung über alle Risiken einer Studienteilnahme vor. Dann muss auch noch eine eigenständige schriftliche Einwilligung abgegeben werden. Man kennt zwar den Forschungsinhalt einer künftigen Studie dann noch nicht, aber auch die Betreuer müssen später umfassend aufgeklärt werden, bevor sie für den Betreuten in die konkrete klinische Prüfung einwilligen. Man hat also noch eine Hürde eingebaut.

Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine gute Regelung. Es ist auch eine ausgewogene Regelung für die Wissenschaft. Für mich bedeutet diese Entscheidung, dass ich jederzeit die Möglichkeit zur Ausübung meines Selbstbestimmungsrechtes habe, das im Grundgesetz verankert ist. Jeder hat ja nach Artikel 2 Grundgesetz das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Dies ist nicht geringzuschätzen: Es ist eines der Grundrechte in unserem Grundgesetz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Martina Stamm-Fibich [SPD])

Eine Beschneidung dieses Freiheitsrechts, das ganz vorne im Grundgesetz steht, muss immer – das wissen nicht nur die Juristen – sehr gut begründet sein.

Abschließend: Meine sehr verehrten Damen und Herren, man sollte niemandem verbieten, seine Bereitschaft zur Teilnahme an Forschungsstudien zu erklären, die das Schicksal künftig Betroffener lindern könnte. Deswegen ist das ein guter und ausgewogener Gesetzentwurf, dem man wirklich zustimmen kann.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Stephan Albani für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bitte noch einen Augenblick um Aufmerksamkeit, bis wir dann zu den Abstimmungen über den Gesetzentwurf kommen. – Bitte schön, Herr Kollege Albani.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7030414
Wahlperiode 18
Sitzung 200
Tagesordnungspunkt Arzneimittelrechtliche Vorschriften (3. Lesung)
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