Heike BaehrensSPD - Drittes Pflegestärkungsgesetz
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das PSG III hat im Rahmen der parlamentarischen Beratungen den richtigen Schliff bekommen. In Anknüpfung an die Debatte heute Morgen möchte ich sagen: Es zeugt von guter demokratischer Kultur, wenn ein ordentlicher Gesetzentwurf nach intensiven Debatten, Gesprächen mit Betroffenen und Experten weiter verbessert wird.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Denn auf diesem Weg konnte erreicht werden, was wir heute beschließen: dass die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung im Verhältnis zur Pflegeversicherung auch zukünftig nicht nachrangig sind. Erst diese notwendige Klarstellung hat es möglich gemacht, dass wir heute Morgen die größte sozialpolitische Reform dieser Legislaturperiode tatsächlich beschließen konnten: das Bundesteilhabegesetz.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Menschen mit Behinderungen haben sowohl einen Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung als auch auf Leistungen zur gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Darüber, wer dies zu bezahlen hat, müssen sich die Kostenträger verständigen. Dazu werden die Pflegekassen nun am neugeschaffenen Teilhabe- und Gesamtplanverfahren der Eingliederungshilfe beratend beteiligt. Der bisher bestehende Gleichrang der Leistungen der Pflege und der Eingliederungshilfe bleibt also bestehen. Gleichzeitig – das ist ganz wichtig – werden die Mitwirkungsrechte von Menschen mit Behinderungen hinsichtlich dieser Verfahrensschritte deutlich gestärkt. Das ist eine wichtige Errungenschaft, die vor allem der Beharrlichkeit unserer Fraktion zu verdanken ist.
(Beifall bei der SPD)
Leider sind die Regelungen zur Abgrenzung der ambulant betreuten Wohngemeinschaften gegenüber stationären Wohnangeboten im PSG III recht kompliziert geregelt worden. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass damit sichergestellt wird, dass auch zukünftig alle Menschen mit Behinderung, die ambulant betreut wohnen möchten, auch weiterhin die vollen Leistungen der Pflegeversicherung erhalten, selbst dann, wenn sie einen hohen Pflege- und Betreuungsbedarf haben. Denn „ambulant vor stationär“ steht allen Menschen zu.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Von der Opposition war heute Morgen und auch jetzt zu hören, dass es mit diesem Gesetz nicht gelungen sei, die Kommunen nachhaltig in ihrer Beratungskompetenz zu stärken; dafür hätte mehr Geld eingesetzt werden müssen, so die Opposition. – Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass die Pflegeversicherung die Kommunen in die Lage versetzen muss, Pflegeberatung leisten zu können? Schon längst vor Einführung der Pflegeversicherung hatten Kommunen und Landkreise die Aufgabe, für das Vor- und Umfeld der Pflege zu sorgen. Ja, sie haben noch immer im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge den verbindlichen Auftrag, sich um die alten Menschen vor Ort zu kümmern und sie in allen Lebenslagen bei Fragen rund um die Versorgung zu beraten und zu unterstützen; der Auftrag ist in § 71 SGB XII im Rahmen der Altenhilfe verankert. Diese Verantwortung haben sie.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Eine solche Beratung muss oft lange vor einem festgestellten Pflegebedarf ansetzen – nur dann ist sie wirkungsvoll –, und sie muss selbstverständlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus Steuermitteln finanziert werden.
Es gibt durchaus Gemeinden und Landkreise, die diese Aufgaben vorbildlich wahrnehmen – das weiß ich auch aus meinem eigenen Wahlkreis –, weil sie nahe dran sind an dem, was ihre Bürgerinnen und Bürger brauchen, wenn sie älter werden oder krank sind. Aber es gibt auch viele Kommunen und Landkreise, die sich seit der Einführung der Pflegeversicherung vor mehr als 20 Jahren vornehm zurückgelehnt haben, um abzuwarten, was nun alles von den Pflegekassen und von Pflegedienstleistern übernommen wird,
(Hilde Mattheis [SPD]: Genau!)
und dies, obwohl gerade die Kommunen und Landkreise mit der Einführung der Pflegeversicherung in erheblichem Umfang bei den Sozialhilfekosten, also der Hilfe zur Pflege, entlastet wurden.
Darum sage ich: Die Kommunen und Landkreise sind im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge dazu verpflichtet, dass sie nicht nur mithilfe dessen, was wir heute im PSG III regeln, sondern auch aus eigenem Antrieb, aus eigener Verantwortung heraus wieder mehr tun im Bereich der Altenhilfe und dies auch finanzieren. Das sind sie ihren Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Auch dafür werden wir die Kommunen zukünftig um 5 Milliarden Euro jährlich entlasten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich komme zum Schluss. Bund, Länder und Gemeinden haben gemeinsam für ein würdevolles Altern und für gute Rahmenbedingungen in der Pflege zu sorgen. Mit dem heutigen dritten Baustein der umfassenden Pflegereform leisten wir, aber eben auch alle Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der Pflegeversicherung, dazu einen wichtigen Beitrag.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Heike Baehrens. – Und der letzte Redner in dieser Debatte: Tino Sorge für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7038533 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 206 |
Tagesordnungspunkt | Drittes Pflegestärkungsgesetz |