01.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 206 / Tagesordnungspunkt 6 + ZP 3

Michael FuchsCDU/CSU - Verantwortung der kerntechnischen Entsorgung

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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Wir haben vor etwas mehr als einem Jahr mit der Arbeit der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Atomenergieausstiegs begonnen, und wir haben sehr intensiv zusammengearbeitet. Als ich die Liste der 19 Kommissionsmitglieder zum ersten Mal gesehen habe, war mein Gedanke: Das wird ja eine muntere gruppendynamische Übung. Da saß nämlich der Präsident des BDI neben der Direktorin des WWF und 30 Jahren Kernenergiegeschichte in Deutschland – namentlich mir gegenübersitzend –; Pro und Kontra waren in einem Raum versammelt, Schreckgespenster der Kernenergiegegner wie auch Schreckgespenster der Kernenergiebefürworter. Wir hatten auch – das war wahrscheinlich gut so – einen leibhaftigen Bischof unter uns, der am Ende dafür gesorgt hat, dass wir himmlischen Beistand hatten. Deswegen war es möglich, dass diese Kommission zu einem einvernehmlichen Konzept gekommen ist, das wir einstimmig beschlossen haben.

Entscheidend war: Wir haben in der Kommissionsarbeit eben nicht die Schlachten der Vergangenheit geschlagen. Wir haben die Ideologie außen vor gelassen, und das war richtig so. Uns ging es um eine sichere und – Hubertus Heil hat es schon gesagt – zukunftsfeste Lösung, die vor allen Dingen dem Verursacherprinzip Rechnung trägt und die eine Vielzahl von Streitereien im Bereich der Kernenergie rechtlich und politisch befrieden und beenden soll.

Alles in allem glaube ich, dass die Kommission eine vernünftige Arbeit abgeliefert hat. Mein Dank geht daher an die Mitglieder der Kommission, vorrangig aber an die drei Vorsitzenden – Hubertus Heil hat sie schon erwähnt –: Ole von Beust, Matthias Platzeck und Jürgen Trittin. Lieber Herr Trittin, ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, ob Ihnen das schadet. Ich habe es auch nie für möglich gehalten, dass ich in diesem Hause mal einen Grünen lobe. Aber wenn es Ihnen schadet, ist es ja gut so.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)

Mein herzliches Dankeschön also besonders an Sie. Ich muss ehrlich zugeben: Ich habe mir am Anfang der Kommissionsarbeit eine so vernünftige Zusammenarbeit nicht vorstellen können.

Klar ist aber auch: Die Kommissionsarbeit war nur das Vorspiel. Das Entscheidende kommt jetzt. Wir beginnen damit heute. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist eine ordentliche Grundlage. Er zeichnet wesentliche Weichenstellungen der Kommissionarbeit nach. Mit diesem Gesetzentwurf können wir weiterarbeiten.

Erstens. Die Betreiber der Kernkraftwerke bleiben für die Stilllegung und den sicheren Rückbau zu 100 Prozent verantwortlich und auch in der Zahlungsverpflichtung.

Zweitens. Für die Zwischen- und Endlagerung übertragen die Energieversorger die Finanzmittel auf einen Fonds beim Bundesfinanzminister. Grundlage sind rund 17,4 Milliarden Euro, die die Energieversorger hierfür zurückgestellt haben, wie man in den Bilanzen sehen kann. Die Kommissionsarbeit hat gezeigt, dass diese Rückstellungen – das sollte die Linke zumindest wahrnehmen – im internationalen Vergleich eher konservativ als zu hoch berechnet sind. Hinzu kommt ein gemeinsam von uns berechneter Risikozuschlag in Höhe von rund 6 Milliarden Euro. Das sind immerhin noch einmal 35 Prozent obendrauf. Am Ende beläuft sich der Gesamtbetrag auf annähernd 23,5 Milliarden Euro. Dieser wurde auch von unabhängigen Gutachtern der Bundesregierung als sachgerecht bestätigt.

Umgekehrt werden die Energieversorger nach Zahlung dieses Betrags von einer Nachschusspflicht befreit. Dieser Ansatz ist für mich sachgerecht. Er setzt das Verursacherprinzip strikt um und sorgt dafür, dass die Mittel für Zwischen- und Endlagerung in Zukunft nicht mehr bei den Unternehmen, sondern beim Staat sind. Umgekehrt gewinnen die Energieversorger Planungssicherheit und ein Stück weit Bilanzsicherheit, was meiner Meinung nach dringend notwendig ist; denn man kann wahrlich nicht behaupten, dass es ihnen gerade in letzter Zeit gut geht. Man schaue sich nur die Verlustbilanzen an.

Am wichtigsten ist für mich aber die dritte zentrale Weichenstellung der KFK-Empfehlung. Die operative und die finanzielle Verantwortung für die Zwischen- und Endlagerung werden zukünftig beim Bund zusammengeführt, und zwar für den schwach-, mittel- und hochradioaktiven Abfall. Das heißt aber auch: Der Staat hat es in Zukunft allein in der Hand, mit den Geldern für die Zwischen- und Endlagerung effizient zu wirtschaften. Es gibt jetzt keine Ausreden mehr. Das muss schnell gemacht werden. Wie kann es schnell gehen? Das kann man in Finnland sehen. Vor zwei Tagen hat im Südwesten Finnlands der Bau des Endlagers Olkiluoto begonnen. Ich gebe zu, dass Finnland etwas weniger stark besiedelt ist als Deutschland. Aber man hat vor, bis 2023 dieses Endlager so weit fertiggestellt zu haben, dass es beschickt werden kann, dass also Abfälle eingelagert werden können. Das ist der richtige Weg.

Wir haben ein Budget von 23,5 Milliarden Euro, das seit dem Frühjahr dieses Jahres dem BMF zur Verfügung steht. Damit muss gehaushaltet werden. Das liegt im Interesse des Steuerzahlers. Dass es bei einem vernünftigen Verfahren möglich ist, innerhalb eines absehbaren Zeitraums ein Endlager zu finden, ist klar. Wir dürfen dann aber keine Endlosdiskussion in diesem Hohen Hause beginnen und permanent darüber nachdenken, wo sich überall ein Loch bohren lässt. Wir dürfen nach Gorleben nicht weitere Löcher im Bayerischen Wald, im Schwarzwald, im Hunsrück oder irgendwo in der Heide bohren. Wir müssen uns irgendwann entscheiden. Das muss dann politisch durchgesetzt werden. Das muss dieses Hohe Haus verantworten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dann werden wir mit diesen Summen sicherlich hinkommen. Anders werden wir das nicht geregelt bekommen.

Wichtig ist auch, dass wir für den schwach- und mittelradioaktiven Abfall endlich den Knoten bei Schacht Konrad durchschlagen; denn hiervon hängt ein Stück weit der Rückbau der Kernkraftwerke ab. Ich halte es für notwendig, dort voranzukommen. Deshalb ist es wichtig, dass wir auf einen effizienten Fluss der Finanzmittel zwischen Fonds und Betreibergesellschaft achten. Genauso wichtig ist, dass der effiziente Mitteleinsatz ständig überwacht wird. Wir haben eine Kommission gebildet, die dies tun wird. Ich gehe davon aus, dass wir das in großer Verantwortung gemeinsam machen werden.

Wichtig ist mir auch, dass wir nach dem international festgelegten Trennungsprinzip aus dem Euratom-Vertrag zwischen atomrechtlicher Aufsicht und Betrieb klar trennen und den Sicherheitsfragen sauber Rechnung tragen. Sicherheitsfragen dürfen mit nichts anderem vermischt werden. Die richtigen Strukturen und Vorkehrungen hierfür zu schaffen, das ist unsere Aufgabe im parlamentarischen Verfahren. Ich gehe davon aus, dass wir das in Kürze machen werden und dass wir mit dem nächsten Jahr das Kernkraftzeitalter in Deutschland in geordneten Bahnen abwickeln werden.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächster Redner spricht Jürgen Trittin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7038616
Wahlperiode 18
Sitzung 206
Tagesordnungspunkt Verantwortung der kerntechnischen Entsorgung
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