Eckhard PolsCDU/CSU - Schutz von Kindern und Familien vor Armut
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gesellschaftliche Teilhabe, soziale Absicherung, Gesundheit und Bildung, das sind alles Rechte eines jeden Kindes, die sich unter anderem aus der UN-Kinderrechtskonvention ergeben. Vertragsstaaten und damit auch unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, sind verpflichtet, die entsprechenden Rahmenbedingungen zur Verwirklichung dieser Rechte zu schaffen. Die soziale Absicherung in der Bundesrepublik Deutschland ist – das möchte ich meinen Ausführungen voranstellen – auf einem sehr hohen Niveau, und im weltweiten Vergleich stehen wir gerade dank unserer unionsgeführten Bundesregierung gut da.
Natürlich gibt es auch bei uns noch Armutsgefährdung. Wir müssen alles tun, um diese zu bekämpfen. Dies schließt auch die Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe explizit ein und beschränkt sich nicht, wie oft suggeriert, auf das zum Überleben Notwendige. Klar ist: Armutsgefährdung und Kinderarmut haben ihre Ursache zumeist in der Familienarmut. Kinder sind langfristig armutsgefährdet, wenn sie in einem von Armut gefährdeten Haushalt leben. Ursache hierfür ist logischerweise das Einkommen der Eltern. Eines der besten Programme gegen Kinderarmut ist die von der Bundesregierung getragene Wirtschaftspolitik, die Menschen in Arbeit bringt und Familienteilhabe in allen Bereichen ermöglicht. Sozialleistungstransfers schützen sowohl von Armut betroffene Familien als auch armutsgefährdete Familien.
Die Instrumente des Sozialstaats werden ständig weiterentwickelt und aktuellen Gegebenheiten angepasst. Was den speziellen Schutz von Kindern angeht, betrifft dies Kinderregelsätze und das Bildungs- und Teilhabepaket. Im Blick behalten müssen wir immer die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und besonders auch die Kinder von Alleinerziehenden. Oft erhalten Alleinerziehende den ihnen zustehenden Unterhalt nicht, da der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht oder nicht ausreichend nachkommt. Um dies zu kompensieren, gibt es den Unterhaltsvorschuss; wir haben das schon gehört. Er bietet durch eine vorübergehende Überbrückung eine unmittelbare Unterstützung für Alleinerziehende und ihre Kinder. Um dieses Instrument noch wirksamer werden zu lassen, steht für mich fest: Die Altersgrenze von zwölf Jahren muss abgeschafft werden, ebenso die maximale Bezugsdauer von 72 Monaten, die nicht sachgerecht ist. Klar ist aber auch: Die Rückholquote bei den säumigen Zahlern muss dringend erhöht werden. Insbesondere
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: In Bremen!)
in den Bundesländern, in denen Grüne und Linke in Regierungsverantwortung stehen, sehen wir hier noch einen eindeutigen Nachholbedarf.
Die Ausgangsbedingungen von Armut wie fehlende Teilhabemöglichkeiten und Bildungschancen führen in einen Teufelskreis, der schwer zu durchbrechen ist. Kinder, die in Armut oder Armutsgefährdung aufwachsen, bleiben aufgrund ihrer geringen Teilhabe- und Bildungschancen in ihrem späteren Leben oft selbst arm. Für Kinder ist die Armut oder Armutsgefährdung ihrer Eltern somit in doppelter Weise ein nicht tragbares Hemmnis. Armut hat – das ist nicht neu – negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und wirkt sich damit negativ auf die Lebensqualität und auch auf die Lebenserwartungen aus. Ich möchte aber eines klarstellen: Das von Ihnen suggerierte Wachsen der Armut findet so nicht statt.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist das!)
Bezüglich der Armut in Deutschland ist aber auch klar: Die Zahl der Erwerbstätigen, die Arbeitslosengeld II beziehen, liegt heute etwa genauso hoch wie noch vor einem Jahr. Schauen wir zehn Jahre zurück – das hat der Kollege Weinberg auch schon gemacht –, so stellen wir fest, dass mehr Menschen Hartz IV erhielten als heute, nämlich 5,4 Millionen. Das widerspricht der vielfach verbreiteten Wahrnehmung, dass ein Teil der Bevölkerung abgehängt wird. Auch spricht es eindeutig gegen eine Ausweitung der sogenannten sozialen Kluft zwischen Arm und Reich. Auf der einen Seite stehen gleich einem Mantra wiederholte Äußerungen in den Talkshows, auf der anderen Seite haben wir verlässliche Zahlen des Statistischen Bundesamtes, nach denen die Gefahr, in Armut und soziale Ausgrenzung zu geraten, nicht zunimmt – im Gegenteil.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber bei den Kindern sagt das das Statistische Bundesamt! Bei den Kindern nimmt es zu!)
Beachten wir doch bitte eine ganz simple Tatsache: Ein steigendes Normaleinkommen steigert zwangsläufig die Armutsgrenze. Es ist zu bedenken, dass dem vielfach angeführten Armutsbegriff der Statistiker der Vergleich mit dem Normaleinkommen zugrunde liegt. Gemessen werden also nicht die notwendige Entbehrung oder gar das Elend, sondern die Distanz zum Median, dem mittleren Einkommen der Bevölkerung. Steigt dieses mittlere Einkommen, so zieht auch die Grenze für das statistische Armutsrisiko nach. Dieses statistische Armutsrisiko ging in den vergangenen Jahren mal nach oben und mal nach unten. Ein klarer Trend lässt sich jedoch nicht erkennen. So ist dieses statistische Armutsrisiko 2015 zum Beispiel ebenso hoch oder so niedrig wie 2008. In Deutschland galt seit 2015 jeder als materiell armutsgefährdet, der als Single über weniger als 1033 Euro im Monat verfügte, was zum Beispiel für das Gros der Studierenden zutraf. Noch 2014 setzte die Armutsgefährdung erst bei weniger als 987 Euro ein.
Nehmen wir als Beispiel eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren: Diese war 2015 per definitionem dann von Armut bedroht, wenn sie weniger als 2170 Euro monatlich zur Verfügung hatte. Wie wir bereits festgestellt haben, dürfte sich in diesem Jahr die Grenze der Armutsgefährdung wegen der deutlich gestiegenen Einkommen weiter erhöht haben. Arm im traditionellen Sinne waren 2015 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 4,4 Prozent der Bevölkerung. Damit sprechen wir über einen deutlich geringeren Wert als 2014, als es noch über 5 Prozent der Einwohner waren.
Armut im traditionellen Sinn bemisst sich an der materiellen Entbehrung. Dies kann bedeuten, dass man die Wohnung nicht ausreichend heizen kann, Reparaturen von Alltagsgegenständen nicht möglich sind oder dass das Einkommen nicht ausreicht, um jährlich eine Woche in Urlaub zu fahren. In Deutschland ist vor allem die Situation von Kindern und Jugendlichen besser als im europäischen Schnitt.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: 3,4 Millionen Kinder!)
Das hat eine aktuelle Auswertung der europäischen Statistikbehörde Eurostat ergeben. Diese gute Momentaufnahme ist für die Bundesregierung natürlich kein Grund, sich auszuruhen. Jedes armutsgefährdete Kind ist eines zu viel, und wir dürfen kein Kind zurücklassen.
(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das tun Sie aber!)
Ich möchte auf eine Passage Ihres Antrages eingehen, der übrigens in dieser Fassung etwas spät kam. Wenn Sie das, was dort steht, wirklich meinen und umsetzen wollen, dann kann ich nur sagen: Frohe Weihnachten! Sie zeigen beispielhaft unter den Punkten 5 a) und 5 i) Ihres Antrages, dass Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, jeglicher wirtschaftlicher Sachverstand fehlt. Diese Forderungen behindern und gefährden massiv den Mittelstand und somit Hunderttausende inhabergeführte Familienbetriebe im Handwerk und im Handel.
Mit Ihren Forderungen erreichen Sie nicht mehr Beschäftigung und somit auch nicht mehr Wohlstand, sondern Sie sorgen für das Gegenteil: Die Gründerquote – der Wille, eine Firma zu gründen – geht zurück. Ein Nebeneffekt Ihrer Forderungen wäre, dass sich Unternehmer überlegen, überhaupt noch junge Frauen einzustellen. Das machen wir als Union nicht mit. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Frau Dörner, noch ein Wort zu Ihrem Beispiel mit dem Schulbrot. Ich finde die Argumentation völlig daneben. Jeder Vater, jede Mutter kann morgens seinem Kind ein Schulbrot schmieren. Das hat mit Geld oder materiellen Dingen nichts zu tun.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es müssen die Eltern eben aufstehen und das Brot schmieren. Das mache ich auch, wenn ich zu Hause bin.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie sich doch einmal in der Realität um!)
Dann schmiere ich meinen Kindern das Schulbrot und schneide den Apfel durch. Das können andere Eltern auch machen. Dieses Beispiel hier anzuführen, Frau Dörner, finde ich völlig daneben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehen Sie doch einmal in die Schulen! Gucken Sie sich die Kinder an!)
Nächster Redner ist der Kollege Norbert Müller für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7045519 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Schutz von Kindern und Familien vor Armut |