16.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 210 / Tagesordnungspunkt 31

René RöspelSPD - Forschung und Innovation für Europas Zukunft

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich war ich ganz froh, dass wir am Ende eines Jahres, das mit Blick auf Europa ein sehr schwieriges Jahr war – über viele politische Entwicklungen kann man in große Sorge verfallen –, in einer der letzten Debatten tatsächlich über Europa reden, statt wieder wie ein Müllsammler, der an den Wegesrändern entlanggeht, danach zu suchen, welche Probleme es irgendwo gibt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielleicht trägt genau das auch zu der schwierigen Situation und einer Stimmung bei, die es Europa nicht leichter macht.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Verdrängung macht es nicht besser!)

– Lieber Ralph Lenkert, bei der Frage des Urheberrechts wäre vielleicht der Blick nach Europa angebracht; denn mit dem, was die Europäische Kommission im Bereich der Open-Access-Strategie – dazu wird Elfi Scho-Antwerpes gleich etwas sagen – oder zum europäischen Urheberrecht vorschlägt, ist Europa viel weiter als wir angesichts der Mühen, mit denen wir uns in Deutschland jeden Tag beschäftigen müssen.

Neben den Sorgen, die es in Europa gibt, gibt es, wie ich finde, auch große Hoffnung. Die Abstimmung über den Brexit hat gezeigt, dass sich gerade die jungen Menschen für Europa entschieden haben – mehr als drei Viertel von ihnen haben für ein freies und vielfältiges Europa gestimmt –: es waren eher die alten Säcke, die damit Probleme haben – sie haben auch an jeder Stelle über die Probleme genörgelt – und für den Brexit gestimmt haben.

Wenn unsere französische Gasttochter Aurore am Sonntag nach zwei Monaten in unserer Familie nach Lyon zurückkehrt, wird sie hoffentlich ein anderes Bild von Deutschland haben als das, das Marine Le Pen gerade in Frankreich verbreitet. Wenn meine Kinder ihrerseits die Erfahrung machen konnten, in einer französischen Familie zu leben, dann ist es für sie eine selbstverständliche und gute Normalität, in Nachbarschaft und Frieden miteinander zu leben.

Als letzte Woche an einem Hagener Berufskolleg, dem Cuno, der Europatag begangen wurde, haben junge Auszubildende von ihren Erfahrungen von einem Auslandsaufenthalt berichtet und erzählt, wie gut und wichtig das ist. Auch wenn ich meine, dass wir da noch viel zu schlecht aufgestellt sind und Erasmus+ noch viel zu wenig vertreten können, ist Teil meiner Hoffnung, dass Europa etwas wirklich sehr Gutes ist.

Gerade wir Deutschen müssten uns eigentlich daran erinnern, wie wichtig die Zusammenarbeit bei Wissenschaft und Forschung ist; denn es war die manchmal vergessene, aber doch so wichtige Reise des Max-Planck-Präsidenten und Nobelpreisträgers Otto Hahn 1959 nach Israel unter dem Stichwort der Wissenschaftszusammenarbeit, die ein neues Fundament für die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel gelegt hat. Er bzw. die Wissenschaft hat den Weg zu einem friedlichen Miteinander bereitet.

Ich danke Stefan Kaufmann und unseren Mitarbeitern für eine wirklich gute Zusammenarbeit bei diesem Antrag. Wenn die Koalition heute einen Antrag mit dem Titel „Starke Forschung und Innovation für Europas Zukunft“ vorlegt, dann ist man fast bemüht, sich durch die Details unseres guten Antrags zu wühlen. Ich möchte, ohne uns selbst beweihräuchern zu wollen – das liegt mir fern; ich bin nicht katholisch –, wie Thomas Rachel den Schwerpunkt auf Europas Zukunft legen, weil wir mit diesem Antrag Menschen näher zusammenbringen wollen. Wir wollen, dass junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mobiler werden, ein paar Monate im Ausland forschen und dass viele aus Europa zu uns kommen und uns und unsere Wissenschaft kennenlernen. Dann macht mir die Zukunft Europas keine Bange. Das ist ein guter Weg.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Den wollen wir beschreiten, indem wir die Hürden, die es noch gibt, weiter aus dem Weg räumen.

Wir wollen auch die Länder innerhalb Europas näher zusammenbringen, indem wir im Sinne einer Solidarität zwischen den Ländern diejenigen, die noch schwächer sind und beispielsweise nicht so exzellente Forschungseinrichtungen wie wir in Deutschland haben, in die Lage versetzen, aufzuholen. Auch das ist, finde ich, ein ganz wichtiger Punkt.

Wir halten die Verbundforschung in Europa für einen Kern der europäischen Forschungspolitik. Verbundforschung heißt, dass mindestens drei Partner aus drei Ländern zusammen in einem Forschungsprojekt arbeiten müssen. Wer das einmal mitgemacht hat, weiß, wie völkerverbindend, friedenschaffend und wissenschaftlich wichtig das ist.

In unserem Antrag ist von strukturellem Pluralismus die Rede. Damit ist gemeint, dass wir die Vielfalt der Wissenschaftssysteme und der Gesellschaften Europas nicht als Nachteil oder als Übel, sondern als Chance begreifen. Wir wollen diese Vielfalt nicht wegharmonisieren, sondern stärken. Sie muss erhalten bleiben, damit alle im Rahmen ihrer unterschiedlichen wissenschaftlichen Vorgehensweisen innerhalb der europäischen Forschungsprogramme zum Erfolg beitragen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wir sind ausdrücklich der Auffassung, dass Exzellenz- und Grundlagenforschung der Kern des Wohlstands unserer Gesellschaft ist. Wir wollen keinen Deut weniger Geld für Grundlagenforschung ausgeben. Deswegen sind wir sehr froh über die Äußerung der Regierung, sich weiterhin dafür einzusetzen, dass hier nicht gekürzt wird. Wir sind aber auch der Meinung, dass Europa im Bereich der angewandten Forschung besser werden kann, also dann, wenn es darum geht, aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse wirtschaftlich nutzbare Ergebnisse zu erzielen und damit Wachstum zu befördern.

Nicht zuletzt müssen wir in Europa bei der Förderung der Sozial- und Geisteswissenschaften, der Migrationsforschung, der Bildungsforschung sowie der Friedens- und Konfliktforschung besser und sichtbarer werden. Die Menschen in Europa interessiert, wie es mit unserer Gesellschaft weitergeht und welche Ziele wir mit einem gemeinsam gestalteten sozialen Europa erreichen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dazu kann die Forschung einen wichtigen Beitrag leisten. Deswegen kann ich nur bitten: Arbeiten Sie mit an der Zukunft Europas, und unterstützen Sie unseren Antrag!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Kai Gehring für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall des Abg. Jürgen Hardt [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7046287
Wahlperiode 18
Sitzung 210
Tagesordnungspunkt Forschung und Innovation für Europas Zukunft
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta