Armin SchusterCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Auch ich bin sonst bei solchen kontroversen Partys immer ganz vorne mit dabei, aber heute sage ich ab. 12 Tote, 53 Verletzte, unzählige trauernde Angehörige – wenn wir von denen ernst genommen werden wollen, dann müssen wir, meine ich, eine Geschlossenheit zeigen, auf die ich noch zurückkommen möchte.
Wir haben diese Geschlossenheit erlebt – ich war sehr intensiv bei der Aufarbeitung des NSU-Komplexes beteiligt –, als eine Debatte, die mir sehr gut gefallen hat, über die Mordserie stattgefunden und das Haus hier zusammengehalten hat.
(Burkhard Lischka [SPD]: Genau!)
Ich finde, das ist eine Haltung, die uns jetzt gut täte, eben weil die 12 Toten einen so fassungslos machen. Ich glaube, dass wir jenseits von Partei- und Fraktionsgrenzen konsequent sein und jetzt auch entschlossen und gemeinsam handeln müssen, weil 150 Amris oder Personen einer ähnlichen Preisklasse noch dort draußen herumlaufen. Wir können nicht nur trauern, aber wir können versuchen, die 150 Sicherheitsrisiken, die draußen noch herumlaufen, mit einer gemeinsamen Haltung zu bekämpfen.
Ich bin optimistisch. Ich empfinde es als eine spürbare politische Annäherung beim Thema „innere Sicherheit“, wenn die Grünen – ich kann es nicht genau bei der Bundestagsfraktion erkennen, aber bei vielen in den Ländern – jetzt über Videoüberwachung sprechen, über die Möglichkeit, nach Afghanistan abzuschieben, über die Möglichkeit, die Überwachung von Gefährdern zu verbessern, die Abschiebehaft zu erweitern und die elektronische Fußfessel einzuführen.
Das Ergebnis des Gespräches zwischen Herrn Kretschmann und Herrn Strobl gestern in ihrem Koalitionsausschuss hinsichtlich präventiver Telekommunikationsüberwachung bei Gefährdern, Onlinedurchsuchung und Vorratsdatenspeicherung empfinde ich als ein ermutigendes Zeichen. Auch die Grünen im Bund könnten die Gelegenheit vielleicht für eine andere Art der Diskussion mit uns nutzen. Ich weiß nicht, ob ich zu viel in das Gespräch hineininterpretiere, aber dass Sie Racial Profiling morgen von der Tagesordnung genommen haben, empfinde ich als gutes Zeichen.
An die SPD gewandt: Auch ich schimpfe manchmal, klar, das gehört dazu. Aber ich sage Ihnen: Ganz oft schimpft in mir nicht der CDU-Politiker, sondern der, der seit 37 Jahren in seinem Beruf nicht Geld zur Maxime gemacht hat. Ich wollte nie viel Geld verdienen oder Return on Investment in den Vordergrund stellen. Bei mir ging es immer um die Sicherheit der Menschen. Und wenn Sie sich dann nicht richtig entscheiden, dann gehe ich mal ab.
Das hat aber mit Partei ganz wenig zu tun. Sie können sich vorstellen, dass man sich ärgern kann, wenn man Ideen schon hatte. Jetzt bin ich aber dankbar, dass wir es zusammen tun. Die Residenzpflicht, die Veränderung der Abschiebehaft, der neue Haftgrund „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“, das Ausreisegewahrsam: Meine Damen und Herren, das ist ein gutes Momentum, das Schwarz-Rot hat und das Grün im Bundesrat flankieren könnte, wenn Sie dieselbe Haltung wie bei der Mordserie des NSU haben.
Deshalb habe ich einen Appell an beide Fraktionen. Er ist wirklich sehr ernst gemeint. Meine Damen und Herren, geben Sie sich einen Ruck bei der Einstufung des Maghreb als sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat. Wir haben es mit Baden-Württemberg hinbekommen. Das ist ein grünes Land. Hessen ist auch nicht weit entfernt, glaube ich. Tun Sie das.
Denken Sie außerdem – Herr Lischka, da bin ich Ihnen sehr dankbar – bitte einmal ohne politischen Reflex über die Idee von Transitzentren nach. Genau diese Methode wenden wir seit Jahrzehnten tagtäglich am Frankfurter Flughafen an. Dort gibt es keine Schießbefehle, keine Mauern, keine Stacheldrahtsituation und kein Gefängnis. Aber es ist Ihre Art, immer so darüber zu reden.
Sie haben mal als Einstiegsvorschlag die Idee angesprochen, bei den Leuten, die uns täuschen, die eine unklare Identität haben, genauer hinzuschauen. Warum entscheiden wir das nicht schon an der Grenze und treffen eine Entscheidung früh, bevor sie einreisen?
Tun Sie mir einen Gefallen: Denken Sie über das Thema Transitzentren ernsthaft nach. Schauen Sie sich einmal Frankfurt/Main an. Dort werden Sie alles das nicht finden, was Sie sonst kritisieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir sind nicht hektisch. Die Union ist völlig cool. Warum? Weil diese Vorschläge eben nicht neu sind. Sie liegen vor. Wir ziehen die Schublade auf und haben sie. Dass das so ist, müssen Sie akzeptieren. Wir sehen jetzt gut aus. Das gebe ich zu. Aber wir haben auch gut gearbeitet.
Im Übrigen ist der Innenminister kein harter Hund, wie ich in einer Zeitungsüberschrift gelesen habe. Ich halte ihn für einen schlauen Hund – wenn überhaupt; das Wort „Hund“ ist ein bisschen despektierlich.
Ich unterstütze seine Leitlinien, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Ich glaube, es muss auch gesagt werden – auch das ist nicht neu –: Otto Schily hat nach 9/11 vergeblich dafür gekämpft. Schon Otto Schily hat es nicht geschafft, sich gegen die Länder durchzusetzen.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Ja, das stimmt allerdings!)
Schade, dass so wenige Vertreter da sind.
Die Werthebach-Kommission fand ich eine richtige Idee. Auch da haben wir es nicht geschafft. Nach dem NSU haben wir die entscheidende Frage nie geklärt: Gibt es Brennpunktlagen? Gibt es schwerwiegende Krisen, in denen einer führen muss? Meine Damen und Herren, das muss nicht der Bund sein; es kann auch ein Land sein.
Jetzt sage ich Ihnen, was das gravierendste Problem am Fall Amri ist: Wir sind ausländerrechtlich nicht an die Grenzen dessen gegangen, was geht.
Wir haben zum Zweiten nie ein Sammelverfahren einer Staatsanwaltschaft für die kleinkriminellen Dinge erwirkt.
(Dr. Eva Högl [SPD]: Hätten wir aber machen können!)
Drittens darf im GTAZ – so ist der Bauplan – nicht geführt werden. Dort dürfen nur Informationen ausgetauscht werden. Das reicht mir nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Vorschläge von Thomas de Maizière sind für den Föderalismus minimalinvasiv. Da passiert gar nichts. Aber wenn der Föderalismus gestärkt werden soll, dann müssen wir für die Grenzbelastungen auch gute Lösungen haben.
Das heißt für mich – mein ganzes Leben habe ich immer erfahren, dass in Krisen geführt werden muss; in diesem Land darf das aber niemand –: Wir brauchen für Deutschland 4.0 auch Sicherheit 4.0.
Deswegen verschärfen wir nicht, sondern wir modernisieren, meine Damen und Herren. Zwischen Modernisieren und Verschärfen besteht ein Riesenunterschied. Ich möchte eine vernetzte, geführte Sicherheitsstruktur vor allen Dingen in schweren Lagen. Darauf müssen wir uns vorbereiten.
Herr Kollege Schuster, denken Sie auch an die Redezeit.
Ja. – Letzter Punkt: Ich wäre Ihnen allen sehr dankbar für ein entsprechendes Vorgehen. Wenn ich als Baden-Württemberger das sage, ist es schon schlimm genug. Aber die Haltung von Winfried Kretschmann und Thomas Strobl zu dem Leitlinienvorschlag fand ich hervorragend. Sie waren die Einzigen in der ganzen Republik – ich nehme auch meine eigenen Leute nicht aus –, die gesagt haben: Das klingt nicht unplausibel; es enthält viel Prüfenswertes; das sollten wir einmal debattieren.
Genau das könnten meines Erachtens mindestens drei Fraktionen machen. Mit Herrn Tempel könnte ich mir das auch vorstellen – mit Ihnen, Herr Bartsch, eher weniger.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Kollege Uli Grötsch spricht jetzt für die SPD.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 211 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit |