Uli GrötschSPD - Präventionsstrategie gegen gewaltbereiten Islamismus
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine bundesweite Präventionsstrategie – wer könnte etwas dagegen haben, gerade nach dem schrecklichen Terroranschlag in Berlin? Auch wenn ich Ihren Antrag heute ablehnen werde,
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heute schon? Wir haben doch noch gar keine Abstimmung!)
habe ich eine gute Nachricht für Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Auf unsere Initiative hin gibt es nämlich bereits seit dem 6. Februar dieses Jahres einen Beschluss der Parteivorsitzenden für ein nationales Präventionsprogramm, den wir schnell und konkret mit Leben füllen werden.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind hier im Bundestag und nicht in der Parteizentrale!)
Ich sage Ihnen auch: Ich bin wirklich froh darüber, dass das Thema Prävention jetzt endlich die öffentliche, aber auch die politische Aufmerksamkeit hat, die es sich schon lange verdient hat. Ich hoffe sehr, dass es diese Aufmerksamkeit auch dann noch haben wird, wenn in Deutschland nicht mehr beinahe jeden Tag Razzien gegen Islamisten stattfinden, wenn die Terrorgefahr nicht mehr so hoch ist wie heute. Ich zähle darauf, dass Sie auch dann noch einen Sinn dafür haben, wie wichtig die Präventionsarbeit in unserem Land ist.
Mir ist auch wichtig, zu sagen, dass wir dabei nun wirklich nicht bei null anfangen. Die Bundesregierung hat bereits im Sommer 2016, also unabhängig von den Anschlägen der letzten Monate, noch deutlich vor dem Berliner Terroranschlag, ihre Strategie zur Extremismusprävention und Demokratieförderung vorgestellt. Im Ministerium von Manuela Schwesig wurde das sehr gut laufende Bundesprogramm „Demokratie leben!“ entwickelt, dessen Mittel wir auf über 100 Millionen Euro verdoppelt haben, und wir brauchen durchaus noch mehr; das will ich ganz und gar nicht leugnen. Für uns ist „Demokratie leben!“ ein zentrales Handlungsfeld. Ja, natürlich ist es wichtig, „Demokratie leben!“ zu haben. Reden Sie doch einmal mit all denjenigen, die Präventionsarbeit in diesem Bereich machen. „ Demokratie leben!“ ist das zentrale Programm, aus dem die Projekte finanziert werden.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn was dagegen gesagt?)
Im BAMF gibt es die Beratungsstelle Radikalisierung, an die sich Angehörige niedrigschwellig telefonisch wenden können. Wir haben eine sehr aktive Bundeszentrale für politische Bildung, die die von uns forcierte Mittelerhöhung optimal und zielgerichtet für ihre Bildungsarbeit einsetzt.
Von zentraler Bedeutung ist es für mich, zu sagen: Im November letzten Jahres ist nach einjähriger Vorbereitung das Präventionsnetzwerk gegen religiös begründeten Extremismus nach dem Vorbild der Bundesarbeitsgemeinschaft gegen Rechtsextremismus gestartet worden. Hier werden sich künftig die bundesweit tätigen Träger und NGOs austauschen, vernetzen, und hier werden sie Qualitätsstandards für die Prävention entwickeln. Das ist genau das, Kollegin Mihalic, was Sie eben gefordert haben. Das haben wir schon. Das ist Ihnen vielleicht entgangen. Sie sind eingeladen, sich darüber zu informieren und mitzuhelfen, diese Stelle künftig mit noch mehr Leben zu erfüllen und zu stärken.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wozu haben Sie es denn in der Partei beschlossen, wenn es das angeblich schon gibt?)
Diese Bundesarbeitsgemeinschaft wird beraten und begleitet von einem Beirat, in dem genau all die Player vertreten sind, in dem die muslimischen Verbände vertreten sind; denn natürlich ist eine zentrale Frage in diesem Bereich, welche Rolle die muslimischen Verbände spielen und wie wir sie in die Deradikalisierungsarbeit einbinden können.
Ich bin durchaus froh, dass es in diesem Haus weitgehende Einigkeit gibt, dass die Prävention ein wichtiger Aspekt unseres politischen Handelns ist. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Großteil aller Gefährder einen deutschen Pass hat oder dass die Attentäter, die die Attentate in Deutschland begangen haben, sich hier radikalisiert hatten. Auch der Attentäter vom 19. Dezember 2016 ist nicht als Terrorist nach Deutschland eingereist, sondern aus Tunesien als Kleinkrimineller ausgereist. Das gehört zur Wahrheit dazu.
Ich sage ganz deutlich: Über das Wie, also darüber, wie ein nationales Präventionsprogramm aussehen sollte, darf und muss geredet werden. Es geht meiner Meinung nach dabei etwa um Fragen wie: Welche Rolle spielen die muslimischen Verbände? Wie gewährleisten wir, dass alle Beteiligten das Programm auf Augenhöhe erarbeiten usw.? Hierzu sind wir zu einem konstruktiven Austausch gerne bereit. Jeder, der sich mit Präventionsarbeit beschäftigt, weiß, dass das ein sehr sensibler Bereich ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines möchte ich auch noch sagen: Wir brauchen endlich ein Demokratieförderungsgesetz, weil wir von kurzfristigen Projektförderungen wegkommen müssen – hin zu planbarer, langfristiger Präventionsarbeit.
(Beifall bei der SPD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!)
Wenn es uns mit der Präventionsarbeit ernst ist, lassen Sie es uns unter Beweis stellen! Unterstützen Sie das Demokratieförderungsgesetz, weil es der Garant und die bundesgesetzliche Grundlage dafür ist, dass die Menschen, die in der Präventionsarbeit tätig sind, in Zukunft auch längerfristig planen können. Präventionsarbeit ist doch nichts, was innerhalb einiger Wochen oder in Form eines Gesprächs geschieht. Präventionsarbeit ist etwas, was lange dauert und dann umso intensiver und nachhaltiger wirkt.
Ich komme zum Ende mit einem letzten Aspekt. Bei allem berechtigten Fokus auf den radikalen Salafismus – das stelle ich überhaupt nicht infrage – in dieser Zeit: Demokratiefeinde gibt es auch von rechts, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich würde mir wünschen, dass ein nationales Präventionsprogramm einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt und all jene in den Blick nimmt, die den Boden des Grundgesetzes verlassen haben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Michael Frieser.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7073617 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 218 |
Tagesordnungspunkt | Präventionsstrategie gegen gewaltbereiten Islamismus |