16.02.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 218 / Tagesordnungspunkt 16

Stefan KaufmannCDU/CSU - Attraktivität der Berufsausbildungsförderung

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ganz herzlichen Glückwunsch, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, zu dieser gelungenen, ja beinahe schon perfekten Kopie des Antrags der Linken zum gleichen Thema.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn Ihr Antrag? Was tun Sie denn?)

Doch während die Linken vor vier Monaten noch eine aus ihrer Sicht notwendige Anpassung an die Lebenswirklichkeit forderten, wollen die Grünen nun den angeblichen Attraktivitätsverlust des BAföG stoppen. Mit Ihren Anträgen liefern Sie, die Grünen und die Linken, den Beweis dafür, dass auch Sie offensichtlich im postfaktischen Zeitalter angekommen sind; denn mit der Realität hat das überhaupt nichts zu tun, lieber Kollege Kai Gehring.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein guter Witz gewesen! Also sind die Mietkosten nicht gestiegen? Sind die Lebenshaltungskosten nicht gestiegen? – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alternative Fakten!)

Wir lassen uns die BAföG-Reform nicht von Ihnen kleinreden.

Während man den Linken noch zugutehalten kann, dass Sie es damals nicht besser wussten und die BAföG-Reform wahrscheinlich an Ihnen vorbeigegangen ist, liebe Kollegin Gohlke, können Sie sich nach unserer lebhaften Debatte am 20. Oktober nun wirklich nicht auf Unkenntnis berufen. Sie waren offensichtlich körperlich anwesend – auch du, lieber Kai; aber zugehört hast du nicht, als wir damals diskutiert haben. Jetzt legen Sie einen Antrag vor, der überhaupt nichts Neues enthält, sondern nur von allem ein wenig mehr.

(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Von nichts kommt ja nichts!)

Anscheinend wollen Sie den Linken in nichts nachstehen. Sie lassen jegliches Maß vermissen.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sind denn Ihre Konzepte? Kommen Sie mal zu Ihren eigenen Konzepten!)

Das ist ein Überbietungswettbewerb sondergleichen. So geht es nicht, Kollege Mutlu.

(Beifall bei der CDU/CSU)

An dieser Stelle ein kleiner Hinweis, was das Ganze haushalterisch bedeuten würde: Allein die von Ihnen geforderte Erhöhung der BAföG-Sätze um weitere 6 Prozent und der Freibeträge um 3 Prozent würde im Bundeshaushalt zu jährlichen Mehrausgaben von etwa 435 Millionen Euro führen. Sagen Sie mir bitte, wo Sie im Einzelplan 30 die Mittel kürzen wollen, um einen solchen Auswuchs zu finanzieren!

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen schon, dass wir Milliarden Überschüsse haben? Wo soll denn da gekürzt werden bei einem Rechtsanspruch? Das ist doch Quatsch!)

Meine Damen und Herren, was fällt uns zu dem vorliegenden Antrag ein? Die Antragsteller haben es vermieden, in ihrer Forderung direkt auf den zufälligerweise dieser Tage veröffentlichten Alternativen BAföG-Bericht einzugehen. Aber die Parallelen zwischen den beiden Werken sind verblüffend. Es ist auch beachtlich ehrlich, wenn die Verfasser des Alternativen BAföG-Berichtes ihrerseits in ihrem Vorwort schreiben, dass dieser zu einer Debatte über Stand und Perspektiven der Ausbildungsförderung im Jahr der Bundestagswahl beitragen möchte. In jedem Fall darf man wohl sagen, dass uns hier ein Gemeinschaftswerk der GEW-Jugend und einiger Oppositionspolitiker vorliegt, die mittels diverser Abgeordnetenanfragen zum Gelingen dieses Alternativen BAföG-Berichtes beigetragen haben.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist von der Gewerkschaft! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie den Bericht! Dann können Sie was lernen!)

Mehr Lobenswertes, Kollege Gehring, kann ich allerdings zu dem vorliegenden Antrag und auch zu diesem GEW-Bericht nicht sagen.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie den erstmal! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das spricht gegen Sie!)

Das Fatale, liebe Kollegen von den Grünen, ist: Dieser Antrag – das haben Sie gerade noch einmal gesagt – berücksichtigt die aktuelle Reform überhaupt nicht.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)

Im Gegenteil: Sie bezeichnen die Reform, die wir gerade gemeinsam gestemmt haben, als Schrumpfkur und bewegen sich – den Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen – ganz offensichtlich in einer Parallelwelt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wo leben Sie? In welcher Parallelwelt?)

Was Sie nicht verstanden haben oder jedenfalls ausblenden – das ist schon erstaunlich –: Wenn erst zum Wintersemester 2016/2017 die Freibeträge und Bedarfssätze gestiegen sind, dann kann man nicht – das müssen Sie uns erklären – mit statistischen Daten aus dem Jahr 2015 beweisen, dass diese Erhöhung keine ausreichenden positiven Wirkungen entfaltet hat.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] – Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung?

Nein.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie haben doch um Erläuterung gebeten! Jetzt wollen Sie doch keine!)

– Nein, Kollege Gehring. – Der gleiche Denkfehler liegt dem Alternativen BAföG-Bericht zugrunde. Um es in die Sprache der Gewerkschaften zu übersetzen: Sie können nicht eine Tariferhöhung zum 1. Juni eines Jahres abschließen und dann bereits am 1. März in den Geldbeutel schauen und feststellen, dass die Erhöhung noch gar keine Wirkung hatte. Das müssen Sie mir einmal erklären.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist – das möchte ich ganz deutlich sagen – vielleicht jahreszeitgemäß, aber unredlich, mit einer solchen Argumentation in die Öffentlichkeit zu gehen und die Menschen zum Narren halten zu wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun Sie!)

Über einen weiteren Punkt bin ich wirklich ärgerlich, lieber Kai Gehring. Sie loben im Begrüßungsteil Ihres Antrags, dass die durch die Übernahme der BAföG-Ausgaben durch den Bund bei den Ländern freigewordenen Mittel – immerhin 1,17 Milliarden Euro jährlich – für Bildung und Wissenschaft ausgegeben werden. Sie verschweigen jedoch, dass es leider einige Länder gibt, die diese Mittel eben nicht zusätzlich in diesem Bereich investiert haben, sondern zur Kofinanzierung des Hochschulpaktes verwenden.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Mann, wann hört dieses Gejammere auf? – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Skandalös! Unmöglich ist das!)

Ich sage nur: Nordrhein-Westfalen. Dort werden immerhin jährlich 200 Millionen Euro dafür verwendet; zu lesen in der taz vom 17. Oktober 2016. Dass Sie diese Zweckentfremdung der freigewordenen Mittel in Ihrem Antrag nicht kritisieren, sondern ausblenden, spricht Bände.

(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gar keine Zweckentfremdung!)

Es zeigt sich gerade in Nordrhein-Westfalen, wie viel Rot-Grün Bildung wert ist.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, Sie widersprechen Ihrem Finanzminister!)

Damit werden Ihre Reden hier im Haus, lieber Kai Gehring, zu hohlen Phrasen; das muss man auch einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch ein Wort zu Ihrer Behauptung, das BAföG sei unattraktiv,

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich sage nur: Getroffene Hunde bellen!)

und deshalb würden junge Menschen nicht studieren. Angesichts wirklich hoher Studierendenquoten, Studierendenzahlen in Rekordhöhe behaupte ich hier einfach das Gegenteil, und das werden Sie nicht widerlegen können. Was wir mit dem BAföG alles gemacht haben, möchte ich jetzt gar nicht aufzählen.

Das können Sie auch nicht mehr aufzählen; denn Sie sind schon über der Zeit.

Darüber sind wir uns hier ja, glaube ich, einig.

Also: Warten wir den BAföG-Bericht ab – er wird im Sommer veröffentlicht werden –, und dann schauen wir, was drinsteht. Dann nehmen wir gegebenenfalls eine Neubewertung vor und schauen, wo man eventuell anpassen muss. Aber ich bin mir sehr sicher, dass dieser BAföG-Bericht sehr erfreulich sein wird.

(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Legen Sie ihn erst mal vor!)

Deshalb: Wir lassen uns nicht von Gefühlen, sondern von Fakten leiten, und das würde ich auch Ihnen raten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Danke sehr.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel geredet, nix gesagt! Wie gewohnt!)

Vielen Dank, Dr. Kaufmann. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Gehring.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt genau zuhören! Da könnt ihr was lernen!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7073981
Wahlperiode 18
Sitzung 218
Tagesordnungspunkt Attraktivität der Berufsausbildungsförderung
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