17.02.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 219 / Tagesordnungspunkt 25

Jana SchimkeCDU/CSU - Soziale Absicherung von Solo-Selbständigen

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Welt ist bunt, auch die Unternehmerwelt. Wir haben es heute wieder einmal mit einem Antrag zu tun,

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Mit einer Anfrage haben wir es heute zu tun!)

der Gleichmacherei betreibt und, wie ich finde, auch ein Schritt in die Planwirtschaft ist.

(Widerspruch bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Was Sie machen wollen, liebe Kollegen und Kolleginnen der Linken, ist: Sie wollen Selbstständige zu Arbeitnehmern machen, indem Sie alle Selbstständigen unter ein gemeinsames Regelwerk von Rentenversicherung, von Arbeitslosenversicherung und von Krankenversicherung bringen wollen.

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Haben Sie die Zahlen gelesen? – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil es bunt ist, muss man sie in ein Regelwerk packen, weil man es sonst nicht schafft!)

Unternehmertum aber, meine Damen und Herren, folgt auch im Sozialversicherungsrecht zunächst der Annahme, dass man von seinen Einkünften leben kann.

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Das können viele nicht mehr!)

Deshalb bedeutet Selbstständigkeit nicht nur Entscheidungsfreiheit, sondern auch Eigenverantwortung: hinsichtlich der Absicherung im Alter, gegen Arbeitslosigkeit und Krankheit.

Wir alle kennen natürlich auch die Beispiele, in denen der Lebensplan nicht aufgegangen ist. Das sind jene Fälle, in denen mit der Hoffnung auf bessere Zeiten alles in die Firma und nichts in die Vorsorge gesteckt wurde. Auch das Fehlen eines Nachfolgers, dem das Geschäft eigentlich übergeben werden sollte, kann im Alter zu einer existenziellen Schieflage führen. Doch diese Beispiele, meine Damen und Herren, rechtfertigen eben nicht, dass wir ein bestehendes und etabliertes Regelwerk und Wertegerüst an Rechten und Pflichten von Selbstständigen über Bord werfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: 60 Prozent!)

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Kurth?

Ich möchte meine Ausführungen gerne erst einmal zu Ende führen. Vielen Dank.

Das ist Ihr gutes Recht.

Sie wollen uns heute einmal mehr weismachen, dass Altersarmut auch in der Unternehmerwelt ein Massenphänomen ist. Doch die Antworten der Bundesregierung belegen, dass dem nicht so ist.

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Weil Sie alles schönreden!)

Während gerade einmal 3 Prozent der über 65-Jährigen in Deutschland Grundsicherung im Alter beziehen, waren davon in 2015 nur 17,4 Prozent Selbstständige. Auch 2003 lag der Anteil bei 17 Prozent. Ein Anstieg der Gefährdung durch Altersarmut bei Selbstständigen ist daher nicht erkennbar. Dass Altersarmut unter ehemaligen Selbstständigen weit verbreitet sein soll, stimmt deshalb nicht.

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Das steht aber in der Antwort auf unsere Anfrage drin! Schauen Sie sich die Zahlen an! Sie reden sich alles schön! Ganz, ganz schlimm!)

Im Gegenteil: Selbstständige sind eine äußerst heterogene Gruppe.

Ich habe ja Verständnis dafür, dass Sie ein Problem damit haben, dass Menschen individuell sind und unterschiedlich sind. Von daher erläutere ich Ihnen das gerne. Das betrifft sowohl die Verteilung auf einzelne Berufsgruppen als auch beim Einkommen. Viele Selbstständige gehen in Vollzeit ihrer Arbeit nach, einige arbeiten nur wenige Wochenstunden, andere arbeiten zusätzlich neben ihrer Tätigkeit als Angestellte. So vielfältig die Selbstständigkeit in Deutschland ist, so vielfältig ist auch ihre Absicherung im Alter. Und das ist gut so, meine Damen und Herren.

(Mechthild Rawert [SPD]: Was ist denn daran gut?)

Ein Großteil ist über die berufsständischen Versorgungswerke abgesichert. Rund 400 000 der 4,2 Millionen Selbstständigen sind derzeit aktiv über ein Versorgungswerk abgesichert; und der Anteil nimmt weiter zu.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um die geht es doch gar nicht!)

Die kontinuierlich steigenden Mitgliederzahlen belegen das. Bei den Mitgliederzahlen der Versorgungswerke hat sich insbesondere die Zahl der Frauen seit 2005 fast verdoppelt.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch hier gar nicht das Thema!)

Andere Selbstständige zahlen bereits freiwillig in die gesetzliche Rente ein. Auch das sind derzeit rund 300 000  Menschen.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

Wenn jemand nicht den gesetzlichen Versicherungsschutz genießt, heißt das nicht, dass er per se von Altersarmut betroffen ist. Genau das wollen Sie von den Linken uns aber immer wieder weismachen. Sie glauben, mit der verpflichtenden Einbeziehung der Selbstständigen in unsere sozialen Sicherungssysteme die Lösung für vermeintliche Probleme gefunden zu haben. Doch hier fehlt Ihnen die nötige Weitsicht.

Was wäre denn die Konsequenz, wenn beispielsweise diese Gruppe der beruflich Tätigen in Deutschland in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müsste?

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Kennen Sie sich im wahren Leben überhaupt aus?)

Natürlich würden die Einnahmen der Rentenkasse zunächst einmal steigen. Laut Berechnungen des BMAS wären das bis 2020 jährlich Beitragseinnahmen von rund 1,3 Milliarden Euro, die bis 2045 auf 7,1 Milliarden Euro ansteigen würden. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ließen sich wahrlich viele Traumschlösser bauen, doch wieder einmal zulasten der kommenden Generationen. Denn auch Selbstständige werden älter und haben irgendwann einen Anspruch darauf, aus ihren eingezahlten Beiträgen eine Rente zu beziehen. Eine Erweiterung des Kreises der Beitragszahler ist gleichbedeutend mit einer Erweiterung des Kreises der Rentenbezieher und löst nicht die Probleme der Zukunft, die wir in unseren sozialen Sicherungssystemen haben.

Liebe Kollegen, Sie stellen ja selbst fest, dass Selbstständige das alleinige unternehmerische Risiko tragen. Das ist richtig; denn genau das zeichnet Unternehmertun aus. Genau aus diesem Grund benötigen wir passgenaue Lösungen. Wir brauchen Wahlfreiheit, natürlich auch Wahlfreiheit bei der Altersvorsorge. Deshalb halte ich eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige für den falschen Weg.

Abschließend möchte ich noch einen Punkt ansprechen, den ich in dieser Debatte für wichtig halte: Aufgabe von Politik ist es nicht, unternehmerische Eigenständigkeit zu beschränken. Wir müssen unsere Unternehmer und insbesondere auch die Solo-Selbstständigen stärken und entlasten. Dazu haben wir in der Vergangenheit bereits eine Menge von Projekten auf den Weg gebracht. Wir haben Verbesserungen beim Meister-BAföG bewirkt, wir sind beim Bürokratieabbau entscheidende Schritte gegangen und haben dies auch in Zukunft vor, und wir wollen mit Blick auf den Meisterbrief auch zu Regelungen zurückkommen, die sich schon lange bewährt haben.

Ich möchte aber auch Folgendes anmerken, meine Damen und Herren: Der Antrag der Linken führt dazu, dass wir heute über die soziale Absicherung von Selbstständigen in Deutschland reden.

(Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Das ist gut! Sehr gut! Damit Sie einmal wissen, wo es langgeht!)

Aber Selbstständigkeit – ich hatte es bereits ausgeführt – bedeutet natürlich auch, Eigenverantwortung für das, was man tut, zu übernehmen. Wenn man merkt, dass ein Geschäftsmodell nicht aufgeht, dass das Einkommen nicht passt, dass es – auch mit Blick auf das Alter – nicht funktioniert, dann sollte man sich vielleicht auch fragen, ob das, was man tut, richtig ist oder ob man nicht doch etwas anderes machen, eine andere Tätigkeit ausüben sollte, indem man beispielsweise in ein Angestelltenverhältnis geht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das nicht ein bisschen paternalistisch?)

Das muss an dieser Stelle auch einmal klar gesagt werden.

Unsere Aufgabe als Politik ist es nicht, alle Probleme vollumfänglich immer zu lösen. Gelegentlich sind die Menschen auch selbst gefordert, in ihrem Leben Veränderungen vorzunehmen. Ich denke, diese Forderung und auch die Ermahnung in diese Richtung ist zutreffend. Und: In Deutschland selbstständig zu sein bedeutet natürlich auch, organisiert zu sein in Interessenvertretungen, Kammern beispielsweise. Auch die sind natürlich gefragt, ihre Mitglieder zu beraten – zu beraten in Sachen Altersvorsorge, zu beraten in Sachen Unternehmensnachfolge, zu beraten in Sachen Existenzgründung. Da gibt es schon Strukturen, die helfen und die auch unterstützen müssen.

Meine Damen und Herren, die Union ist die Partei des Mittelstandes.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Oh ja, der Mittelmäßigkeit!)

Das war sie immer, das wird sie immer bleiben. Wir werden uns für unternehmensgerechte Lösungen, für richtige Lösungen einsetzen. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Jana Schimke. – Das Wort für eine Kurzintervention hat Markus Kurth.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7074352
Wahlperiode 18
Sitzung 219
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