23.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 225 / Tagesordnungspunkt 8

Lothar BindingSPD - Umsetzung der EU-Geldwäscherichtlinie

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Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir vorab eine Bemerkung. Ich habe bei Google nach dem Begriff „Geldwäsche“ gesucht.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Haben Sie Dr. Schick gefunden?)

und wurde mit folgendem Pop-up beglückt: Diesen Freitag – jetzt mitspielen, Euro-Jackpot rund 49 Millionen! – Es hat mich gewundert, dass in diesem Kontext ein solches Pop-up kommt. Da merkt man, was von Google im Hintergrund verknüpft wird.

Gerhard Schick hat zitiert, dass Geldwäscher Deutschland lieben, und die Zahl 20 Milliarden Euro erwähnt. Soweit wir wissen, sind von den 20 Milliarden Euro ungefähr 30 bis 40 Millionen Euro in Deutschland gewaschen worden. Das ist eine andere Größenordnung. Deshalb denke ich: Wenn wir so pauschal über dieses Thema sprechen, dann kommen wir der Sache nicht näher.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Was sind bei dem Beispiel, das er genannt hat, überhaupt die Zutaten? Ich nenne sie einmal: eine russische Firma, die Schwarzgeld hat – das ist klar –, zwei Briefkastenfirmen, und zwar nicht in Deutschland, sondern in Großbritannien – ich nenne sie einmal Firma A und Firma B –, einen Richter aus Moldau – man fragt sich: warum Moldau?; die Antwort: wir haben ein Assoziierungsabkommen, es gibt also Freihandel mit Moldau, und deshalb gelten Rechtsverhältnisse in Moldau auch für die EU – und einen Staatsbürger aus Moldau. Wir haben also Russland, England, Moldau und Deutschland. Jetzt schauen wir uns einmal an, was da eine Rolle spielt.

Die Firma A schließt mit der Firma B einen Vertrag, dass die Firma A der Firma B ganz viel Geld leiht. Sie leiht ihr gar kein Geld, aber die Bürgschaft für dieses Leihgeschäft übernehmen die russische Firma und der Bürger aus Moldau, wir haben also zwei Bürgen. Nun verlangt die Firma A das gar nicht an die Firma B geliehene Geld zurück, obwohl noch gar kein Geld geflossen ist. Weil Firma B aber nicht zahlt – ist ja klar, sie hat ja auch kein Geld bekommen –, verklagt Firma A jetzt Firma B in Moldau auf Rückzahlung dieses nichtgezahlten Geldes. Der Bürge in Moldau ist zuständig. Der Richter in Moldau entscheidet, dass die Schuldforderung zu Recht besteht, und wenn die Schuldforderung zu Recht besteht, müssen die Bürgen zahlen. Das ist klar. Das ist ein Rechtsgeschäft, das dort gültig ist. Deshalb übernimmt jetzt die russische Firma die Überweisung an den Gerichtsvollzieher in Moldau. Der wiederum überweist das Geld auf ein Konto der Firma A in Lettland. Man merkt, was da eine Rolle spielt: Das Schwarzgeld ist nun auf dem Konto der Firma A in Lettland, in der EU, angekommen. Jetzt werden mit diesem Geld Bestellungen bei der Firma Bogner im Auftrag der russischen Firma getätigt. Sie kauft mit diesem Schwarzgeld in einer ganz großen Dimension in Deutschland ein.

Jetzt könnte man sich fragen, ob der Außenhandelsvertreter der Firma Bogner nicht hätte spüren können, dass da möglicherweise andere Geschäftsmodelle im Hintergrund ablaufen. Man könnte darüber nachdenken, ob wir ihn nicht verpflichten sollten, in einem solchen Fall aktiv zu werden.

An diesem Fall merken wir, dass die Sache nicht ganz so einfach ist, wie es hier vorgetragen wurde. Es geht nicht nur um Deutschland, sondern es geht um ein großes Geflecht und eine komplizierte Konstruktion, die das alles möglich macht. Umso mehr müssen wir mit den anderen Ländern darüber reden.

Wer ist eigentlich beteiligt? Es gibt immer drei Schritte: die Einspeisung des Schwarzgeldes in den Markt, die Verschleierung – da gibt es verschiedene Mechanismen – und die Integration des Weißgeldes in den Markt. Wer ist hauptsächlich beteiligt? Spielbanken, Pferderennen, Hotels, Wechselstuben, Bankkonten, Automatenwirtschaft.

Eine kleine Bemerkung dazu – Jens Zimmermann hat das schon erwähnt –: Wir haben uns ein bisschen darüber geärgert – darüber haben wir auch gestritten –, dass die CDU es erreicht hat, dass die Automatenwirtschaft, die im Referentenentwurf klugerweise enthalten war, herausgenommen wurde.

(Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Wir waren doch gar nicht beteiligt, Herr Kollege!)

Wir sehen darin einen schweren Fehler, weil – sagen wir es einmal so – zumindest nicht ganz klar ist, dass in den Automatensalons, von denen es allein im Umfeld meiner Wohnung sechs Stück gibt, Geldwäsche unmöglich ist. Insofern wäre es klug, sich darum noch einmal zu kümmern. Wir müssten sicher noch ein bisschen streiten, damit sie wieder hineinkommen. Aber auch deutsche Banken haben fragwürdige Überweisungen aus Russland angenommen.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist doch strafbar!)

Auch dort hat niemand genau hingeschaut, obwohl das gut gewesen wäre.

Die Verschleierung funktioniert – das kennen wir schon –: Scheingeschäfte, Offshorebanken, Briefkastengesellschaften, Scheingesellschaften, Strohmänner, gefälschte Rechnungen, Rückdatierungen usw. Die Quellen und Senken sind Korruption, Waffen- und Drogenhandel, Terrorismusfinanzierung. Also, es lohnt sich, dass wir uns darum kümmern.

In dem Gesetz wird als Antwort eine Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen in der vorgetragenen Weise vorgeschlagen. Das halten wir für eine sehr gute Idee. Auch die Einrichtung eines Transparenzregisters halten wir für eine gute Idee. Wer ein „berechtigtes Interesse“ hat, sollte da hineinschauen können, inklusive Journalisten. Das ist eine Brücke in die Öffentlichkeit. Vielleicht kann man da noch mehr machen; als ersten Schritt finde ich das aber ganz gut. Vielen Journalisten verdanken wir ja die Erkenntnisse, die wir in diesem Kontext haben. Insofern ist das sehr gut.

Ein letzter Satz: Ich finde auch die Verschärfung der Sanktionen von 100 000 Euro auf 1 Million Euro hinreichend. Es handelt sich um die übelsten kriminellen Machenschaften, die wir beobachten können. Deshalb ist eine Geldbuße von 1 Million Euro wahrscheinlich angemessen.

Ich finde, das ist für die erste Lesung ein sehr guter Aufschlag. Wir warten auf die zweite und dritte Lesung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Der letzte Redner in dieser Aussprache ist Dr. Hans Michelbach von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7089614
Wahlperiode 18
Sitzung 225
Tagesordnungspunkt Umsetzung der EU-Geldwäscherichtlinie
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