Michael DonthCDU/CSU - Öffentlicher Personennahverkehr
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der öffentliche Personennahverkehr auf Schiene und Straße garantiert jeden Tag die Mobilität von Millionen Menschen in unserem Land. Die Fahrgastzahlen steigen erfreulicherweise immer weiter, und ich glaube, man kann sagen, auch weil wir die Zuständigkeiten den Ländern übertragen haben; diese machen das eigentlich ganz gut.
Ich finde es daher schön, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dass Sie sich darüber Gedanken machen, wie der ÖPNV weiter verbessert werden kann. Allerdings frage ich mich, warum Sie dann Anträge ohne jegliche Verbesserungsvorschläge vorlegen. Ihr Antrag soll dem Titel nach – ich beziehe mich auf Tagesordnungspunkt 6 b – einen fairen Wettbewerb sicherstellen. Das ist aber eine Mogelpackung; denn Sie fordern genau die Maßnahmen, die einen fairen Wettbewerb abschaffen würden.
Wir haben in Deutschland seit Jahrzehnten ein bewährtes Miteinander von kommunalen und privaten Nahverkehrsunternehmen. Die Privaten sind oft mittelständische Familienunternehmen wie zum Beispiel das der Familie Steinbrück in Gotha – diesen Betreiber kennen wir alle –, die Buslinien eigenwirtschaftlich betreiben, das heißt ohne kommunale Zuschüsse. Der Wettbewerb zwischen privaten Unternehmen auf der einen und kommunalen Unternehmen auf der anderen Seite sorgt für Qualität im Angebot, für Effizienz und auch für Wirtschaftlichkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dabei gilt getreu unserer Verfassung der Grundsatz: Markt vor Staat. – Das heißt, Verkehre, die sich aus den Fahrgeldeinnahmen alleine finanzieren, haben Vorrang vor denen, die sich nur mit Zuschüssen realisieren lassen.
Nun baut Ihr Antrag auf zwei Behauptungen auf. Eigenwirtschaftliche Verkehrsanbieter besäßen erstens einen weitreichenden Konkurrenzschutz und würden zweitens kommunale Verkehrsunternehmen aus dem Markt drängen. Beides ist falsch. Dazu ein paar Zahlen: In den letzten zehn Jahren ist das Marktvolumen der Verkehrsleistungen im ÖPNV, das direkt, das heißt ohne Wettbewerb, vergeben wurde, um 88 Prozent gestiegen. Von diesen Direktvergaben sind wiederum 96 Prozent an kommunale Unternehmen gegangen. 96 Prozent! Ein Krümel von gerade einmal 4 Prozent verbleibt für die Privaten. Sieht so die von Ihnen behauptete Verdrängung aus dem Markt aus? Ja, Sie haben recht: Es findet eine brutale Verdrängung statt, aber bezogen auf die privaten Verkehrsunternehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Zahl der privaten Busunternehmen ist im gleichen Zeitraum – das ist ein weiterer Beleg – um fast ein Drittel zurückgegangen; sie sind vom Markt verschwunden. Da gab es übrigens keine Beschwerdebriefe von Verdi.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so, das ist eine Rede gegen Verdi!)
Daran sieht man, dass der angeblich weitreichende Konkurrenzschutz nicht vorhanden ist, sonst müssten diese Zahlen bundesweit ganz anders aussehen. Zahlen und Fakten sprechen eine andere Sprache als Ihre grünlackierten Fake News.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
Fahren wir fort. In Ihrem Antrag behaupten Sie des Weiteren, die Angebotskonzepte der kommunalen Aufgabenträger ließen sich oft nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen durchsetzen, und deshalb müssten wir das Gesetz ändern. Nach der geltenden Regelung des Personenbeförderungsgesetzes kann die Verkehrsgenehmigung versagt werden, wenn der beantragte Verkehr nicht im Einklang mit dem Nahverkehrsplan steht. Die Genehmigung muss sogar versagt werden, wenn der Antrag die in der Bekanntmachung beschriebenen Anforderungen nicht erfüllt. Das heißt, die Kommunen können Anforderungen und Standards, auch Sozial- oder Ökostandards, vorgeben und sind keinesfalls der Willkür der privaten Anbieter ausgeliefert. Die Kommunen geben die Richtschnur vor; sie definieren, wie der ÖPNV aussehen soll. Aber sie müssen sich auch die Mühe machen, einen Nahverkehrsplan mit allen Beteiligten auszuarbeiten. Der Kollege Lange kann ein Lied davon singen und ich auch im Kreistag. Ein Nahverkehrsplan, der Antworten auf all diese Fragen gibt – das ist, glaube ich, Uli, echt ein G’schäft.
Sie behaupten weiter, der Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre – ich zitiere, wenn ich darf – „kann zu einer Genehmigung von Nahverkehrsleistungen führen, … ohne dass eigene kommunale Unternehmen den vorab genehmigten eigenwirtschaftlichen Verkehren Konkurrenz machen können“. Dass auch das nicht stimmt, zeigt ein Blick ins Gesetz. Der eigenwirtschaftliche Antrag des Privaten erhält nur dann den Zuschlag, wenn er ein besseres Angebot macht. Von den Vorgaben der Kommunen darf der Antrag, wenn überhaupt, nur unwesentlich abweichen. Obendrein hat der kommunale Bestandsunternehmer bei qualitativ ähnlichem Antrag einen Bestandsschutz und kommt so zum Zuge. Ich finde, diese Regeln sind ausgewogen und fair. Gleichzeitig sorgen sie für einen Wettbewerb um die beste Qualität.
Würden wir auf die Forderungen Ihres Antrags eingehen und die Kommunen und ihre Unternehmen noch stärker stellen, wäre ein Wettbewerb mit privaten Unternehmen nicht mehr möglich, und sie würden vom Markt verschwinden. Ich erinnere an die Zahlen, die ich genannt habe. Das entspricht aber nicht dem Ziel, das Sie im Titel Ihres Antrags genannt haben. Vielleicht entspricht das Ihren Absichten, aber uns, vor allem in der CDU/CSU-Fraktion, gefällt es auf jeden Fall nicht.
Ich möchte noch kurz auf Ihren zweiten Antrag eingehen. Die Maßnahmen und Instrumente, die Sie darin für die Zukunft des ÖPNV fordern, sind von der Bundesregierung zum großen Teil schon aufgegriffen worden oder betreffen die Kompetenz der Länder. Dann wollen Sie die Finanzmittel des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes, GVFG – Kollege Kühn hat es dargestellt –, mit dem der Bund große Investitionen im Nahverkehr in den Ländern mit einem Anteil von 60 Prozent unterstützt, von 333 Millionen Euro auf 1 Milliarde Euro aufstocken.
Erst vor einem Jahr haben sich Bund und Länder darauf geeinigt, die Regionalisierungsmittel, die hauptsächlich dem Schienenpersonennahverkehr zugutekommen, um fast 1 Milliarde Euro pro Jahr zu erhöhen. Nun werden auch noch die Mittel aus dem GVFG vom Bund über 2019 hinaus weitergeführt, obwohl die Länder ursprünglich diese Mittel nach 2019 selber aufbringen wollten. Das zeigt doch, wie stark sich der Bund hier zugunsten des ÖPNV, für den primär die Länder zuständig sind, engagiert,
(Beifall bei der CDU/CSU)
ganz zu schweigen von den 9,5 Milliarden Euro pro Jahr, die die Länder durch den neuen Länderfinanzausgleich vom Bund erhalten. Im Jahr 2020 sind das annähernd 20 Milliarden Euro pro Jahr, die im vergangenen Jahr beschlossen wurden und die die Länder nach dem heute noch geltenden Grundgesetz nicht bekommen würden. Und jetzt kommen Sie und sagen: Aber die GVFG-Mittel muss der Bund auch noch zusätzlich auf 1 Milliarde Euro erhöhen. – Ich bitte Sie: Das ist fast schon unverschämt.
Da war sogar der grüne Ministerpräsident aus Baden-Württemberg gemäßigter. Der hat nämlich diesem Kompromiss zugestimmt und war damit mehr als zufrieden. Vielleicht sollten Sie, Kollege Kühn, bei ihm einmal 14 Tage hospitieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sabine Leidig hat als nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7092712 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 228 |
Tagesordnungspunkt | Öffentlicher Personennahverkehr |