31.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 229 / Tagesordnungspunkt 35

Elisabeth ScharfenbergDIE GRÜNEN - Finanzierung von Gesundheitsversorgung und Pflege

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir als Grüne teilen nicht alle Forderungen der Linken. Aber wir sind uns darüber einig, dass es in der Kranken- genauso wie in der Pflegeversicherung an Solidarität und Gerechtigkeit fehlt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, jetzt hören wir einmal auf, uns selbst zu feiern. Sie selbst sehen ja noch viel Handlungsbedarf. Sonst hätten Sie heute nicht die Beratung über den Pflegebericht der Bundesregierung mit auf die Tagesordnung gesetzt, einen Pflegebericht – das sehe ich anders als mein Kollege Herr Rüddel –, der das gesamte Problempanorama der Pflege beschreibt.

Dass es noch viel zu tun gibt, dafür haben Sie selbst in dieser Woche einen ganz traurigen Beweis geliefert. Nach monatelangem Stillstand haben Sie die notwendige Reform der Pflegeausbildung in den Sand gesetzt.

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr!)

Sie haben da ein beschämendes Polittheater aufgeführt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es war eine Schmierenkomödie, bei der sich die Pflegekräfte in diesem Land – um es freundlich zu formulieren – veralbert vorkommen müssen. Sehr geehrte Pflegekräfte, das haben Sie wirklich nicht verdient!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Dieses Ignorieren der Nöte der Pflegekräfte zieht sich durch. Sie haben den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt; das ist gut. Darauf haben wir alle sehr lange gewartet. Doch wie soll diese Reform ohne ausreichend Pflegekräfte gestemmt werden? 500 000 Menschen werden zusätzlich Leistungen aus der Pflegeversicherung bekommen. Das kann doch überhaupt nicht funktionieren. Es herrscht doch schon jetzt ein dramatischer Personalmangel in Pflegeeinrichtungen und bei Pflegediensten. Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie den Pflegekräften mit all dem aufbürden? Sie versprechen ein Personalbemessungsinstrument. Aber das verschieben Sie weit in die Zukunft. Von einer verbindlichen Einführung sprechen Sie erst einmal gar nicht. Ehrlich, das ist zu wenig, um mehr Menschen für die Pflegeberufe zu gewinnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie machen sich auf dem Rücken der Pflege einen schlanken Fuß. Das lassen wir, das lassen auch die Pflegekräfte im Land Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zurück zur Finanzierung. Sie feiern sich im aktuellen Pflegebericht für einige Maßnahmen, die Sie von 2011 bis 2015 ergriffen haben, um die finanzielle Stabilität der Pflegeversicherung zu erhalten. Sie nennen die Beitragssatzerhöhungen, den sogenannten Pflege-Bahr und den Pflegevorsorgefonds.

(Mechthild Rawert [SPD]: Das war eine andere Koalition!)

Über den Pflege-Bahr möchte man ja eigentlich gar nicht mehr sprechen, so schlecht konstruiert und überflüssig ist dieser Quatsch. Aber es gibt diesen Quatsch immer noch. Liebe SPD, eure Ankündigungen, den Pflege-Bahr wieder abzuwickeln, habt ihr ganz schön schnell vergessen.

(Mechthild Rawert [SPD]: Wo stand das? Faktencheck!)

Dann zum Pflegevorsorgefonds. Auch das ist so eine unsägliche und sinnlose Aktion. Er hat mit Nachhaltigkeit überhaupt nichts zu tun. Der Fonds bindet einfach nur sehr viel Geld, Geld, das wir jetzt dringend für die Pflegebedürftigen und die Pflegekräfte brauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Maria Michalk [CDU/CSU]: Sie wollen immer alles gleich einsetzen! Das ist nicht richtig!)

Die Pflegeversicherung braucht mehr Geld. Deshalb war eine Erhöhung der Beiträge richtig. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie haben auch hier nicht über den Augenblick hinaus gedacht. Schon in diesem Jahr wird die Pflegeversicherung deutlich mehr Ausgaben als Einnahmen haben. Spätestens 2022 wird der Beitrag wieder steigen müssen. Sie haben die grundlegenden Finanzierungsprobleme nicht gelöst. Mutig und ehrlich sieht ganz anders aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stehen in der Pflegeversicherung vor riesigen Herausforderungen. Dafür brauchen wir eine solide und gerechte Finanzierungsbasis. Das funktioniert nur mit einer solidarischen Bürgerversicherung, in der alle Bürgerinnen und Bürger versichert sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben diese Reform wieder einmal verschoben. Das ist ein hoher Schuldschein, den Sie der nächsten Bundesregierung hinterlassen. In allen Umfragen kommt heraus, dass es eine menschenwürdige Pflege ist, was die Menschen massiv umtreibt. Deswegen sind wir alle aufgefordert, uns ehrlich um Pflege zu kümmern.

(Mechthild Rawert [SPD]: Machen wir!)

Es liegen weiterhin große Herausforderungen vor uns.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben jedenfalls keinen Grund, sich auszuruhen. Beenden Sie endlich Ihre taktischen Spielchen zulasten der Pflege!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner spricht Rudolf Henke für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7093419
Wahlperiode 18
Sitzung 229
Tagesordnungspunkt Finanzierung von Gesundheitsversorgung und Pflege
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