Hans-Joachim SchabedothSPD - Einwanderungsgesetz
Danke schön. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bosbach, Sie waren natürlich immer ein wertvoller Streitpartner. Wir werden Sie im Bundestag vermissen. Aber wie wir Sie alle kennen, werden Sie sicher öfter einmal die Gelegenheit finden, im Fernsehen aufzutreten. Dann können wir Ihnen ja schreiben.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Asyl ist für Menschen, die uns brauchen. Einwanderung ist für Menschen, die wir brauchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so hat es einst Bundespräsident Richard von Weizsäcker ausgedrückt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf)
– Es ist schön, wenn er von verschiedenen Seiten zitiert wird.
Diese Erkenntnis, die ja offensichtlich viele teilen, ist nun schon viele Jahre alt. Alle, die sich heute mit dem Thema Einwanderung beschäftigen, wissen: Wir müssen zwischen Geflüchteten und Einwanderungswilligen differenzieren.
Wenn Sie nicht buhen, sondern das abnicken, dann hat das Konsequenzen. Asyl ist und bleibt ein in Deutschland von der Verfassung geschütztes Recht. Dieses Recht kennt keine Obergrenze. Doch eine Zuwanderung nach Gutdünken darf es nicht geben. Um es klar und deutlich zu sagen: Einen universellen Anspruch, nach Deutschland zu kommen, um hier zu leben und zu arbeiten, gibt es nicht. Es sollte ihn auch weiterhin nicht geben. Trotzdem gibt es viele gute Gründe, Menschen einzuladen, nach Deutschland zu kommen, nicht nur als Besucher, sondern mit der Perspektive, unsere Arbeitskollegen, unsere Nachbarn und unsere Mitbürger zu werden; denn ein Land mit unserer demografischen Schieflage ist auf Einwanderung angewiesen.
Trotz aller Produktivitätsfortschritte durch die Digitalisierung und des damit überflüssig gemachten Arbeitskräftepotenzials droht jetzt und in Zukunft in vielen Branchen ein Fachkräftemangel; dieser wird noch massiver. Die Einwanderung von Fachkräften und Ausbildungswilligen kann deshalb ein Teil der Problemlösung sein. Doch dazu – damit komme ich auf meine Eingangsbemerkungen zurück – brauchen wir Regeln. Ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild ist vielleicht eine Möglichkeit. Die SPD hat das in ihrem Entwurf aus dem letzten Jahr ausgeführt. Die Grünen haben daran angedockt.
Aber klar ist: Einwanderung wird an klare Voraussetzungen gebunden. Begünstigt ist, wer jung ist, über Sprachkenntnisse verfügt, eine Ausbildung in einem Mangelberuf besitzt oder sogar schon einen Arbeitsvertrag mitbringt. Das bislang höchst unübersichtliche Regelwerk, auf das viele verwiesen haben – von rund 40 Regeln ist die Rede –, braucht endlich klar vermittelbare Strukturen und eine einheitliche Zusammenfassung.
Herr Schröder, stellen Sie sich einmal vor, dass Sie nicht Mitglied einer Regierungsmannschaft sind, sondern ein gut ausgebildeter IT-Spezialist, der sich den Arbeitgeber und das Zielland aussuchen kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie dann ausgerechnet das Land wählen, das die größten bürokratischen Hürden aufstellt. Erst recht können wir uns nicht vorstellen, dass Einwanderungswillige und ihre Familien unser Land wählen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie hier nur Bürger zweiter Klasse sind. In vielen Gesprächen, die ich vor allem mit Vertretern von Start-ups geführt habe, wurde immer wieder über die Vielzahl der bürokratischen Hürden in Deutschland geklagt. Ich bin sicher, dass ich solche Gespräche nicht exklusiv geführt habe, sondern dass Sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Auf diese Klagen muss man doch antworten.
(Beifall bei der SPD)
Unternehmen, die sich für Arbeitskräfte aus Drittstaaten öffnen wollen – und zwar nicht deshalb, weil sie diese besser ausbeuten können als deutsche –, müssen wir doch verlässliche Einwanderungsregeln geben. Doch auch Geflüchtete – das ist der andere Aspekt, der immer zu kurz kommt –, die bereits in Deutschland sind, sollten eine Einwanderungschance nutzen dürfen. Viele sind bei uns heimisch geworden. Sie möchten auch dann nicht mehr in ihr erstes Heimatland zurückkehren, wenn es gelingen würde, die Fluchtursachen zu beseitigen. Was sollen wir mit diesen Menschen machen? Warum sollten wir ihnen Chancen prinzipiell verwehren? Auch wer im Rahmen der Drei-plus-zwei-Regelung eine Ausbildung bei uns absolviert hat, sollte eine Anschlussperspektive erhalten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Außerdem sollte eine fest definierte Zahl junger Menschen, die willens und in der Lage sind, eine Berufsausbildung in Deutschland zu absolvieren, eine Einwanderungschance bekommen, ohne dass sie dabei auf Schlepperdienste angewiesen sind, ihr Vermögen oder sogar ihr Leben aufs Spiel setzen müssen. Dafür brauchen wir doch eine Alternative.
Förderliche Kriterien sind natürlich Schulbildung, Deutschkenntnisse, die Bereitschaft zur Ausbildung in einem Mangelberuf. Aber was ist denn mit denen, die sagen – das haben wir in unseren Gesetzentwürfen noch nicht berücksichtigt –: „Ich will meine Chance bei euch suchen“? Sagen wir denen: „Sucht sie doch woanders, aber nicht bei uns“? Auch für sie brauchen wir einen irgendwie kalkulierbaren Weg. Wer darüber gründlich nachdenkt – das haben die Grünen ja getan –, kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie wir mit unserem Einwanderungsgesetz. Leider will die Union nicht mitziehen; das haben wir gehört.
Ich kann nicht nachvollziehen, warum es in Ihren Reihen oft ein Hyperventilieren auslöst, wenn es um Zuwanderung und Einwanderung geht. Gerne würden wir unseren Vorschlag von der langen Bank wieder auf den Tisch des Hauses legen. Die vorliegende Initiative der Grünen ist jüngeren Datums; klar. Sie unterscheidet sich von unserem Vorhaben in ein paar entscheidenden Punkten; sie sind genannt worden. Die Stoßrichtung ist jedoch dieselbe. Die Grünen testen jetzt erneut die Tiefe des Wassers; das ist immer gut. Aber wir haben das schon selbst ermessen.
Unser nüchternes Fazit: Mit dem Koalitionspartner in seiner jetzigen Formation geht so etwas leider nicht. Wir wollen ihn überzeugen, nicht überfahren oder überstimmen. Deshalb sagen wir Nein zu Ihrem Vorschlag.
Die Aversion gegen ein Einwanderungsgesetz hat doch oft ein Geschmäckle des Xenophobischen. Aus dieser Ecke müssen wir heraus. Ich finde es wichtig, dass wir uns darauf besinnen – das hat uns eine Studie vor einigen Tagen aufgezeigt –, dass Menschen, die hier gut integriert sind, schon nach zehn Jahren mehr für unsere Gesellschaft einbringen, als sie je gekostet haben. Wenn man schon humanen Erwägungen nicht folgen will: Irgendwie kann man dann auch fragen, ob das schlichte ökonomische Nutzenkalkül nicht ein Anlass ist, die eigene Position zu überdenken. Wenn das nicht in dieser Legislaturperiode gelingt: Mit einem Bundeskanzler, den wir stellen, werden wir die Sache schnell erledigen können.
Danke für Ihre Unterstützung, die ich dann immer noch erwarte.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Dr. Hans-Joachim Schabedoth. – Nächste Rednerin: Nina Warken für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7114807 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 237 |
Tagesordnungspunkt | Einwanderungsgesetz |