22.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 240 / Zusatzpunkt 6

Thorsten FreiCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Europapolitik der Bundesregierung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Hofreiter, ich habe überhaupt nicht verstanden, worüber Sie eigentlich sprechen.

(Beifall des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU] – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist leider das Problem bei der Union, dass sie nicht versteht, was es bedeutet!)

Ich habe es wirklich nicht verstanden; denn die Themen, die europapolitisch wichtig sind, diskutieren wir jede Woche hier im Parlament und in den Ausschüssen.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube Ihnen, dass Sie das nicht verstanden haben! Das ist Teil des Problems! Es ist Teil des zentralen Problems, dass Sie das nicht verstehen!)

Die Positionierungen, die die CDU/CSU-Fraktion vorgenommen hat, sind klar proeuropäisch, weil

(Beifall bei der CDU/CSU)

wir glauben, dass wir in Europa gemeinsam bessere Ergebnisse erreichen als alleine.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön wäre es!)

Das ist der entscheidende Punkt. Ja, das letzte Jahr war ein schwieriges Jahr. Wir stehen auch vor Krisen und Herausforderungen. Sie haben den Brexit angesprochen. Zur Wahrheit gehört dazu, dass es die Bundesregierung durch ihre Arbeit auch ermöglicht hat, dass die Brexit-Verhandlungen erstens gut angelaufen sind und dass wir zweitens die Situation 27 : 1 haben, also Geschlossenheit in Europa. Das ist der effektive Beitrag der Bundesregierung. So zu tun, als würde sich die Union oder die Regierung in die Büsche schlagen, ist einfach erbärmlich, um ihre Wortwahl zu wählen, lieber Herr Kollege Hofreiter.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht ist es einfach die Wirklichkeit!)

Ich glaube umgekehrt: Aufgrund der Geschichte der Europäischen Union kann man feststellen, dass sie sich in den Krisen und aus den Krisen heraus entwickelt hat. Sie hat es üblicherweise geschafft, aus den Krisen besser herauszukommen, als sie hineingegangen ist. Wenn man sich die Situation ehrlich anschaut, dann ist es doch ein Zerrbild, nur von Problemen zu sprechen und die Chancen zu übersehen. Sehen Sie nicht, dass es auch ein positives Momentum gibt? Ich nenne einmal die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Wir haben Themen, bei denen wir erkennen, dass es einen europäischen Mehrwert gibt.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Mehr Rüstung für alle!)

Wir haben Themen, bei denen wir erkennen können, dass es überhaupt keine nationalen Lösungen mehr gibt, sondern dass wir zusammenarbeiten müssen.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Mehr Rüstung für alle? Toller Mehrwert!)

Weil Sie ein ganzes Tableau von Themen aufgetischt haben, will ich heute nur zu einem sprechen. Es ist ein Thema, von dem ich glaube, dass wir es nur gemeinsam angehen können. Das ist die Bewältigung der Migrations- und Fluchtherausforderungen. Ich glaube, wir brauchen mehr europäische Zusammenarbeit. Wir müssen schauen, wie wir die Dinge hinbekommen; denn sie laufen derzeit nicht so, wie sie laufen sollen.

Ich will ausdrücklich sagen – ich habe das gestern auch dem Staatsminister gesagt –: Ich halte es für richtig, dass man vor dem Rat ein Stück weit die Themen abgrenzt, von denen man weiß, dass man keine schnelle und einvernehmliche Lösung finden wird – wie etwa den gemeinsamen Verteilmechanismus in Europa –, sie eher etwas zurückstellt und zunächst die Themen herausgreift, bei denen man tatsächlich Lösungen finden kann. Denn die Nutzung des Momentums, von dem ich vorhin gesprochen habe, setzt eben auch voraus, dass wir nicht einzelne Länder in Europa ausgrenzen, sondern gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft angehen und bewältigen. Ich halte es also für wichtig, hier nicht das Trennende herauszustellen, sondern, ganz im Gegensatz, das Gemeinsame.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir die Migrationsherausforderungen bewältigen möchten, dann reicht es nicht, den Blick auf das Heute und Jetzt zu werfen, auf den Bürgerkrieg in Syrien, einem relativ kleinen Land mit gut 20 Millionen Einwohnern, oder auf die zweitgrößte Flüchtlingsgruppe, die aus Afghanistan, einem ebenfalls relativ kleinen Land mit gut 30 Millionen Einwohnern. Die Herausforderungen der Zukunft werden auf dem afrikanischen Kontinent liegen. Er hat derzeit 1,2 Milliarden Einwohner, zur Mitte des Jahrhunderts werden es 2,5 Milliarden, zum Ende des Jahrhunderts 4 Milliarden sein. Insofern müssen wir uns darüber im Klaren sein, wie wir diese Herausforderung bewältigen können.

Wenn wir die Offenheit, denen zu helfen, die unsere Unterstützung wirklich benötigen, erhalten möchten, dann setzt dies voraus, dass wir unsere Grenzen kontrollieren und sicherstellen, dass diejenigen, die unberechtigt in Europa sind, tatsächlich in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden;

(Beifall bei der CDU/CSU)

es bedeutet, dass wir Fluchtursachen bekämpfen müssen, dass wir besser werden müssen, als wir es beispielsweise im Falle der Nigerianer sind. Dazu hat die Europäische Stabilitätsinitiative aktuelle Zahlen veröffentlicht. Die Nigerianer bilden eine der größten Gruppen der Flüchtlinge aus Westafrika. Letztes Jahr sind 19 000 Nigerianer nach Europa gekommen. 520 sind als Flüchtlinge anerkannt worden, 4 200 haben subsidiären Schutz bekommen. Tatsächlich sind von den 14 000, die dann unberechtigt in Europa waren, 120 abgeschoben worden. Das funktioniert so nicht.

Wir müssen deshalb schauen, dass wir den Außengrenzschutz hinbekommen, wir müssen schauen, dass wir das gemeinsam und europäisch machen. Wir müssen aber genauso schauen, dass diejenigen, die nicht bleibeberechtigt sind und keine Bleibeperspektive haben, nach Möglichkeit gar nicht nach Europa kommen, dass wir andere Möglichkeiten finden, beispielsweise in Nordafrika, beispielsweise durch eine gemeinsame Anstrengung an der Grenze zwischen Niger und Libyen. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir die Probleme an der Wurzel packen, wenn wir doch konstatieren müssen, dass wir die Auswirkungen am Ende kaum mehr im Griff haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist genug zu tun. Ich glaube, die Herausforderungen sind riesig. Aber gemeinsam werden wir das schaffen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Frei. – Als Nächster hat der Kollege Alexander Ulrich für die Fraktion Die Linke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7122237
Wahlperiode 18
Sitzung 240
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Europapolitik der Bundesregierung
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