Angelika GlöcknerSPD - Aktuelle Stunde zur Europapolitik der Bundesregierung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße es, dass wir heute hier über Europa reden und wir uns mit diesem aus meiner Sicht so wichtigen Thema befassen. Wir alle wissen: Noch immer ist in der EU vieles nicht so, wie wir es uns wünschen.
Ich danke an dieser Stelle Staatsminister Roth, der uns gestern im Europaausschuss über die Themen, die heute im Europäischen Rat anstehen, informiert hat. Vielen Dank für die umfassenden und wie immer kompetenten Informationen.
Ich teile die Auffassung einiger meiner Vorredner und drücke mein Bedauern darüber aus, dass die Bundeskanzlerin heute nicht hier spricht, um uns ihre Positionen zu verdeutlichen. Ich glaube, das wäre ein wertvoller Beitrag gewesen, um der oft bemängelten Intransparenz europäischer Politik ein Stück entgegenzuwirken.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])
Europa ist und bleibt ein wichtiges Gebilde; denn nirgendwo auf der Welt – das möchte ich auch betonen, Herr Ulrich – leben Menschen so frei, so friedlich und so demokratisch wie in dieser EU.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
In einer Zeit, in der andere Regionen in der Welt wachsen und immer mehr an Bedeutung gewinnen, wie etwa in Asien oder Lateinamerika, ist es wichtig, auch künftig gehört zu werden. Die Menschen hier in Europa müssen deswegen künftig geschlossen mit einer starken Stimme sprechen. Dies wird nur dann gelingen, wenn die EU zusammenhält und sich die Mitgliedstaaten nicht auseinanderdividieren lassen.
Wir wissen aber: Die Wirtschafts- und Finanzkrise, die europäische Uneinigkeit während der Flüchtlingswelle und zuletzt der Brexit haben das Vertrauen der Menschen in die EU erschüttert und gefährden den Zusammenhalt der EU. In vielen Gesprächen erzählen mir die Menschen immer wieder, dass sie in erster Linie von der EU erwarten, dass es ihnen wirtschaftlich gut geht und dass sie hinreichend sozial abgesichert sind. Dafür braucht es auf jeden Fall eine gute nationale Sozialpolitik der einzelnen Mitgliedsländer in der EU.
Wir von der SPD-Fraktion, Herr Ulrich, haben in der laufenden Periode vieles auf den Weg gebracht. Ich würde mir wünschen, dass Sie das einfach einmal realisieren.
(Beifall bei der SPD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Was denn? Das glauben Sie doch wohl selber nicht!)
Wir haben beispielsweise den Unterhalt für Alleinerziehende auf den Weg gebracht. Wir haben geholfen, finanzschwache Kommunen zu stärken. Wir haben die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes auf den Weg gebracht und damit gerade für die unteren Lohnbereiche das Lohnniveau erheblich angehoben.
(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Was hat das denn mit Europa zu tun?)
Erkennen Sie das an, und blenden Sie diese Wirklichkeit nicht immer aus! Diese Errungenschaften wollen wir auch nach der Bundestagswahl ausbauen, verfestigen und verbessern.
(Beifall bei der SPD – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Mit wem? Mit denen da drüben?)
Wir wissen aber auch – das dürfen wir nicht ausblenden –: Leider sieht die Realität in anderen Staaten der EU anders aus. Auch wenn sich Europa insgesamt gesehen langsam erholt, gibt es nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedsländern. Anstatt dafür zu sorgen, dass sich soziale Standards für die Menschen spürbar verbessern, werden vor allem in den ärmeren Mitgliedstaaten weitere Einschnitte vorgenommen. Desolate Haushalte sollen durch konsequente Sparvorgaben im Rahmen des Fiskalpakts aufgebessert werden. Das führt zu weiteren sozialen und finanziellen Einschnitten bei den Menschen. Aber genau das wiederum – das wissen wir auch – bremst den Konsum und verhindert, dass die Konjunktur anspringt. Dies zeigt einmal mehr: Das Spargebot alleine führt in eine Wachstumsfalle. Ohne eine verstärkte unterstützende und solidarische Rolle Europas werden die gebeutelten Mitgliedstaaten da nicht mehr herauskommen. Deswegen muss ganz oben auf unserer europäischen Agenda mit Blick auf die Zukunft eine sozialere Europapolitik stehen.
Vor allem muss ganz oben auf der Agenda die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit stehen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist nach wie vor mit 40 Prozent in einigen EU-Ländern erschreckend hoch. Die Jugendgarantie, die hilft, junge Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, muss weiterhin finanziert werden und, wenn nötig, nachgebessert werden. Vor allem aber muss die Bildung in staatlicher Hand bleiben. Übertriebene Sparanforderungen anderer europäischer Mitgliedstaaten dürfen nicht dazu führen, dass Bildung vom Geldbeutel der Eltern abhängig wird. Bildung in der EU muss für alle zugänglich sein und zugänglich bleiben.
Die Regelungen zur Entsendung von Arbeitnehmern müssen überarbeitet werden. Die Zahl der entsandten Arbeitnehmer steigt stetig an. Dabei kommt es besonders in einigen Branchen zu gravierenden Problemen bei der Einhaltung von Lohn- und Arbeitsstandards. Freizügigkeit darf eben nicht zur Ausbeutung und zu schlechten Arbeitsbedingungen führen und darf erst recht nicht dazu genutzt werden, um Sozialdumping zu betreiben. Sozialdumping, liebe Anwesende, ist ein Spaltpilz, deshalb muss es unterbunden werden. Es bedarf der Umsetzung des Prinzips: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.
Was wir aber insgesamt gesehen auf den Weg bringen müssen, ist, dass wir Anreize schaffen für weitere Investitionen vor allem in arbeitsplatzschaffende Infrastrukturprojekte. Es muss gelingen, dass wieder mehr Menschen vor allem auch in den wirtschaftlich schwächeren Ländern Europas erwerbstätig werden, dass sie mehr Geld in der Tasche haben, damit konsumieren können, sodass so die Konjunktur endlich wieder anspringen kann.
Frau Kollegin.
Wir müssen auch – meine letzte Bemerkung – dafür sorgen, dass wir insgesamt höhere soziale Standards haben. Wir müssen wichtige Standortvorteile hier in Europa schaffen, und deswegen bin ich Andrea Nahles sehr dankbar dafür, dass sie versucht, eine europäische Grundsicherung voranzubringen. Ich kann nur sagen:
Das war ein schöner Schlusssatz.
Ich bin sofort fertig. – Der Proeuropäer Macron hat eine neue Chance erhalten. Diese gilt es zu nutzen, und ich wünsche mir für Europa, dass wir vieles auf den Weg bringen werden. Die SPD hat viele gute Vorschläge gemacht. Wir werden sie am Wochenende bei unserem Bundesparteitag vertiefen und werden weiterhin Verantwortung für ein sozialeres Europa übernehmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Als Nächster hat das Wort der Kollege Carsten Körber für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7122239 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 240 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Europapolitik der Bundesregierung |