Martin RabanusSPD - Inklusive Bildung für alle
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schummer, das war schon ein denkwürdiger Beitrag, den Sie hier gerade abgeliefert haben. Das hätte ich, ehrlich gesagt, von einem Landesvorsitzenden der Lebenshilfe in Nordrhein-Westfalen so nicht erwartet, zumal das Ganze ein bisschen durcheinanderging.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und weil es weltfremd war!)
Entweder machen wir Inklusion und meinen das tatsächlich ernst, oder wir machen weiter wie bisher und lassen die Sondereinrichtungen bestehen. Ich weiß nicht, wie Sie es hinbekommen wollen, Inklusion und Exklusion zusammenzubringen.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht nicht!)
Das finde ich schon erstaunlich.
(Widerspruch bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden hier über inklusive Bildung, von der Kita über die Schule und die berufliche Bildung – ich finde es gut, dass es dazu einen eigenen Antrag gibt – bis hin zur akademischen Bildung. Die SPD steht seit Jahren für die inklusive Bildung und für die Inklusion. Ich bin froh, dass sich auch die CDU heute – das war in dem Beratungsprozess in den letzten Jahren nicht immer so – uneingeschränkt hinter das Bundesteilhabegesetz stellt. Es ist sehr schön, dass wir das jedenfalls heute aus der Debatte mitnehmen können.
(Beifall bei der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wunder geschehen!)
Inklusion ist dabei natürlich mehr als Integration. Das ist nicht nur Semantik. Wir reden über Teilhabe und nicht nur über das Dabeisein. Wir reden davon, dass alle Menschen – lassen Sie es mich einmal so sagen – auf dem Platz des Lebens stehen und mitspielen können und nicht nur auf den Tribünen sitzen müssen.
(René Röspel [SPD]: Ein schönes Bild!)
Das ist es, worum es tatsächlich geht.
Die UN-Konvention – das ist gesagt worden – ist vor über zehn Jahren von der Vollversammlung der UN beschlossen worden. Sie ist seit Ende März 2009 geltendes Recht in Deutschland. Wo stehen wir? Ich bin bei denjenigen, die sagen: Wir sind in den letzten Jahren wesentliche Schritte vorwärtsgekommen. Das Bundesteilhabegesetz ist genannt worden. In die Schul- und Hochschulgesetze der Länder hat die Inklusion im Wesentlichen Eingang gefunden. Wir haben im Bereich der Wissenschaft vieles getan. Wir forschen, und wir haben einen Nationalen Aktionsplan dazu. Inklusion ist Bestandteil der Bildungsberichterstattung geworden.
All das, finde ich, darf man nicht verschweigen, soll man nicht verschweigen; all das ist gut so, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir natürlich nicht an einem Endpunkt sind und dass auch die Bundesländer an ganz unterschiedlichen Positionen stehen. In Berlin ist der Ressourcenvorbehalt bei der Inklusion gefallen. Sorry, wenn ich das so sagen muss. In meinem Heimatland Hessen, schwarz geführt, grün mitregiert, ist der Ressourcenvorbehalt im Schulgesetz leider nicht gefallen. Wir haben also unterschiedliche Konstellationen, die wir zur Kenntnis nehmen müssen.
Ich will auf das Thema der beruflichen Bildung eingehen; denn ich habe gesagt, dass ich es gut finde, dass es diesen Antrag gibt. Auch hinsichtlich der beruflichen Bildung haben wir einiges getan. Im Rahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung haben wir die assistierte Ausbildung eingeführt. Lassen Sie mich dazu sagen: Ich würde mir wünschen, dass das ein Dauerinstrument wird und wir über 2018 hinaus diese assistierte Ausbildung anbieten können.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben im Bereich der Weiterbildung für Benachteiligte vieles getan. Wir haben die Dimension Inklusion sogar beim Meister-BAföG eingeführt. Auch das ist gut so.
Aber ich glaube, wir müssen uns entscheiden. Inklusion ist etwas, worüber sich irgendwie alle einig sind, wobei aber die letzte Konsequenz fehlt. Wenn das Recht auf Inklusion ein Menschenrecht ist, dann muss die Umsetzung auch mit letzter Konsequenz angegangen werden. Wir als SPD wollen das. Wir wollen Verbindlichkeit. Wir wollen Verlässlichkeit und Inklusion für alle im Bildungssystem und darüber hinaus. Wenn wir das ernst meinen, dann müssen wir an drei Punkten ansetzen.
Erstens. Das Bildungssystem muss so umgebaut werden, dass sich das System den Menschen anpasst und nicht umgekehrt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist tatsächlich so: Wir stellen Ausbildungsreife fest. Wir stellen Schulreife fest. Wir stellen Studienreife fest. Aber was wir genau brauchen, ist ein Paradigmenwechsel: Das System muss sich auf den Menschen einstellen.
Zweitens. Wir brauchen ein Unterstützungssystem, das stabil ist, das die Institutionen zum einen, zum anderen aber auch die Pädagoginnen und Pädagogen – damit meine ich nicht nur Lehrkräfte, sondern auch multiprofessionelle Teams – unterstützen kann.
Drittens. Wir brauchen die notwendigen Ressourcen dafür. Das ist der Dreh- und Angelpunkt. Das, liebe Freunde von der CDU/CSU, liebe Koalitionspartner, kann ich Ihnen nicht ersparen: Ja, das Kooperationsverbot im Bildungsbereich ist aufgebrochen. Jetzt müssen wir es abschaffen.
(Xaver Jung [CDU/CSU]: Das gibt es gar nicht! Sie können es nicht abschaffen!)
Dafür werden wir als SPD auch in der nächsten Wahlperiode werben.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Jetzt hat Christina Schwarzer, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. Bitte schön.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7122485 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 240 |
Tagesordnungspunkt | Inklusive Bildung für alle |