Karl-Georg WellmannCDU/CSU - Östliche Partnerschaft der Europäischen Union
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Präsidentin ist schon gequält, weil es heute so viele letzte Reden gibt – meine auch. Insofern will ich mal mit etwas Positivem anfangen. Ich kann definitiv letzte Zweifel zerstreuen: Die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages ist durch das Ausscheiden von Christoph Bergner, von Franz Thönnes, von Gernot Erler, von Marieluise Beck und von mir nicht beeinträchtigt.
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie kann man das jetzt schon wissen?)
Insofern kann ich alle beruhigen.
Ich will diese Gelegenheit nutzen, um mich bei allen Kollegen für die gute Zusammenarbeit zu bedanken. Anders, als mancher draußen glaubt, ist die parlamentarische Arbeit vor allem im Ausschuss keine Arena für parteipolitisches Gezänk oder für Grabenkämpfe. Ich habe die Arbeit als außerordentlich sachlich, gelegentlich sogar sachkundig erlebt.
(Zuruf von der SPD: „Gelegentlich“? – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer war das?)
Es gab einen breiten Konsens, was die wesentlichen Prinzipien unserer Außenpolitik angeht: das Verhältnis zu Israel, die Westbindung, die europäische Integration, seit Willy Brandt und Egon Bahr auch der Ausgleich mit dem Osten, mit Russland.
Ich bedanke mich auch beim Genossen Gehrcke, der sich gelegentlich an diesem Konsens abgearbeitet hat. Wolfgang Gehrcke, du wirst weiter für die Herbeiführung des Staatssozialismus arbeiten; das ist in Ordnung.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist besser, du machst das hier, als wenn du zu Hause deine Frau nervst. Der Staatssozialismus wird nicht kommen, aber das ist in Ordnung.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wart’s mal ab!)
Damit wären wir beim heutigen Thema: Östliche Partnerschaft. Gerade in dieser Woche und bei diesem Thema muss man an den alten Kohl und seine Begründung erinnern, warum wir damals, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, den östlichen Staaten eine europäische Perspektive gegeben haben. Er hat gesagt: Die europäische Systematik ist die beste Gewähr für Frieden, Sicherheit und Wohlstand. – Weil alles andere nur Armut, Unsicherheit und Instabilität erzeugt, müssen wir den östlichen Staaten eine europäische Perspektive geben. Es ist im ureigenen deutschen Interesse, dass Polen, die baltischen und all die anderen Staaten Mitglied der europäischen Familie werden und dass es keine Zwischenzonen gibt.
Nun gibt es die Länder der Östlichen Partnerschaft, die bisher draußen geblieben sind. Es gibt die Ukraine, mit der es eine Assoziierung gibt; aber die Ukraine ist noch nicht über den Berg. Die geopolitischen und vor allem sozialen Folgen wären fatal, wenn der europäische Weg der Ukraine scheiterte.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb bedarf es aller Anstrengungen, damit die Ukraine den Weg in die europäische Normalität schafft. Ich wünsche mir dabei manchmal mehr Realitätssinn und dass wir weniger Luftschlösser bauen, etwas weniger die Dinge schönreden und anderen gegenüber etwas weniger Wertepädagogik betreiben.
(Beifall des Abg. Jürgen Coße [SPD])
Bitte nicht wieder „Am deutschen Wesen mag die Welt genesen“! Übrigens gilt das in der Tat auch für Nord Stream 2.
Wir brauchen mehr Mut, sonst geht das schief. Bei Griechenland haben wir gezeigt, dass es vielleicht gehen kann, wenn wir uns anstrengen. Das politische Kunststück besteht darin, das alles mit Russland zu besprechen, damit dort die alten Ängste und Gelüste nicht wieder aufkommen. Auch hier erinnere ich an den alten Kohl, der immer gesagt hat: Man muss die Sorgen und Probleme der anderen, des Gegenübers, mitdenken. – Ich habe den Eindruck, dass dies in den letzten zehn Jahren nicht wirklich vollständig gelungen ist. Deshalb müssen wir weiter intensiv an diesem Thema arbeiten. Das spricht die russische Außenpolitik übrigens in keiner Weise frei. Die russische Westpolitik ist bei Licht betrachtet grandios gescheitert, aber das ist nichts, was bei uns Genugtuung hervorrufen kann.
Vergesst mir Osteuropa nicht! Denkt an die Worte des klugen Karl Schlögel, der gesagt hat: Die Mitte Europas ist nach Osten gerückt. – Das hat politische und kulturelle Konsequenzen. Ich habe den Eindruck: Manch einer bei uns hat das noch nicht so richtig verstanden.
Es gibt so viele Konflikte draußen in der Welt, aber Deutschland ist keine Weltmacht. Nicht nur Warschau, Vilnius und Riga sind europäische Metropolen, sondern auch Moskau, Kiew und Minsk. Diese Städte sind Teil Europas. Sie liegen sozusagen politisch in unserem Vorgarten. Sie dürfen nicht in den Windschatten der großen Probleme und Krisen geraten; ich denke an den in Brand gesteckten Nahen Osten, die Flüchtlingskrise, den Brexit und an den amerikanischen Präsidenten. Das ist das, was ich denen, die hier weitermachen, mit auf den Weg geben möchte.
Ich kündige übrigens an, dass ich auch außerhalb des Mandats weiterhin in Osteuropa aktiv sein werde, selbst wenn der eine oder die andere das als Bedrohung empfinden mag. Es würde mich freuen, wenn wir uns gelegentlich begegnen und austauschen würden.
Ich danke ein letztes Mal dafür, dass Sie mir zugehört haben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Kollege Dr. Bernd Fabritius hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7124833 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 242 |
Tagesordnungspunkt | Östliche Partnerschaft der Europäischen Union |