28.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 242 / Tagesordnungspunkt 4

Susanne MittagSPD - Bericht des 1. Untersuchungsausschusses (NSA)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach nunmehr dreieinhalb Jahren kommen wir heute mit dieser Debatte – sie ist ja schon richtig schwungvoll – zum Abschluss des Untersuchungsausschusses. Auch wenn die letzten Meldungen aus dem Ausschuss etwas konfliktreich waren, so haben wir doch insgesamt – es ist schon erwähnt worden – über 581 Stunden, die der Ausschuss getagt hat, zusammengearbeitet, und zwar ziemlich gut und manchmal sogar sehr gut; nicht dass das in Vergessenheit gerät.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Mit Ihnen ging das auch!)

– Danke.

Bei allen unterschiedlichen Sichtweisen und Bewertungen war unser Ziel immer, aufzuklären, auch wenn sich die Vorgehensweise manchmal unterschied. Aber am Ende muss man sagen: Wir haben mehr über die Arbeit unserer Nachrichtendienste erfahren als über die Arbeit der Five Eyes. Dies gilt besonders für den Namensgeber des Ausschusses – diesen Namen konnten wir leider nicht mehr ändern; er hatte sich schon geprägt – oder den britischen Geheimdienst. Dort gab es regierungsseitig so gut wie gar keinen Willen zur Zusammenarbeit.

Ebenfalls keine Kooperationsbereitschaft zeigten in diesem Zusammenhang allerdings die angeblich sehr kooperativen Firmen wie Facebook, Apple, Microsoft oder Google. Es sollte die Frage geklärt werden, in welchem Rahmen sie den US-Geheimdiensten zuarbeiten oder sogenannte Backdoors zur Verfügung stellen. Nachdem wir die Vorstandsvorsitzenden dieser Firmen als Zeugen vor den Ausschuss geladen hatten, wurden die Zusagen zum Erscheinen immer vager. Zum Schluss wollten sie nur noch einem gemeinsamen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden einstündigen Informationsgespräch zustimmen. Das ist aber keine verwertbare Zeu­gen­aussage, das ist ein Kaffeekränzchen, und darauf haben wir verzichtet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir können als Untersuchungsausschuss ausländische Zeugen leider nicht zu einer Aussage in Deutschland zwingen oder herzitieren; aber jeder kann jetzt seine eigenen Schlüsse daraus ziehen, was das zu bedeuten hat.

Doch zurück zu unseren Diensten. Eine der großen Überraschungen war hierbei für uns, dass der sogenannte 360-Grad-Blick der Spionageabwehr, der sich verfestigt hatte, bis zu den Snowden-Veröffentlichungen so gut wie gar nicht praktiziert wurde. Russland, China und noch einige andere einschlägige Länder standen bis vor kurzem mit weitem Abstand im Zentrum der Arbeit der zuständigen Abteilung; das ist auch völlig richtig und soll überhaupt nicht geändert werden. Aber für den Rest der Welt, circa 155 Staaten, war nur ein einziges Referat zuständig. Das heißt, nur wenige Mitarbeiter warfen ein Auge auf die Aktivitäten unserer Partner, auch aus den sogenannten Five-Eyes-Staaten. Das bedeutet für die Praxis, dass sich kaum jemand aktiv um Aufklärung bemühen konnte, sondern dass man sich darauf beschränkte, Hinweisen Dritter, anderer Bundesbehörden oder ausländischer Partner auf verdächtige Aktivitäten nachzugehen. Das war aber bei der Personaldecke nur begrenzt möglich.

Der ehemalige Präsident des BND, Herr Schindler, hat recht eindrücklich geschildert, dass auch die Nachrichtendienste befreundeter Staaten ihre eigenen nationalen Interessen verfolgen. Sie sind keine Freunde, sondern Partner, und auch auf die muss ein wachsames Auge geworfen werden; das war allen klar. Ich sage extra: Allen war das die ganze Zeit klar.

Ein weiteres Problem im BND, das immer wieder auftauchte, waren eklatante Mängel bei den Dienst- und Meldewegen. Das hört sich ein bisschen dröge an, ist aber ziemlich wichtig. Teilweise hatten wir den Eindruck, dass es eine gläserne Decke gibt, durch die Informationen nach oben überhaupt nicht durchdringen. Als zum Beispiel Sachbearbeiter richtigerweise erkannten, dass NSA-Selektoren problematisch sind, versickerte die Warnung in der Hierarchie, zwar nicht ungehört, aber ohne Konsequenzen. Die Information gelangte wohl nie bis zur Hausleitung und schon gar nicht ins zuständige Kanzleramt. Umgekehrt fragten aber auch Kanzleramt oder Minister niemals proaktiv nach. Das hätte aber zur Dienst- und Fachaufsicht gehört, auch auf diesen Entscheidungsebenen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deutlich wurde weiter, dass es bei den NSA-Selektoren oft an einer Dokumentation über deren Herkunft und Zweck fehlte. Auch die Datenübermittlung an andere Nachrichtendienste wurde nicht ausreichend dokumentiert. Bei entsprechenden Nachfragen in der Zeit des Untersuchungsausschusses wurde von der NSA eine große Anzahl der Selektoren kommentarlos zurückgezogen – erst in der Zeit des Untersuchungsausschusses! Die rechtlichen Voraussetzungen fehlten offenbar. Kaum vorstellbar ist, dass der Abteilungsleiter und der Präsident des BND erst durch den Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses im März 2015 über umfangreiche Deaktivierungen problematischer NSA-Selektoren informiert wurden. Das ist ein klassischer Fall fehlender Kultur, zu remonstrieren.

Offenbar wurde die Möglichkeit, dass das bekannt wird und in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss landet, nicht ansatzweise in Betracht gezogen. Dabei geht es nicht um die Schuldfrage bei Sachbearbeitern, sondern um den Führungsstil und die Gesamtverantwortlichkeit der Leitungsebene des BND. Immer wieder hörten wir die Aussage von Zeugen, dass sie den Eindruck hatten, dass Hinweise und Problemmeldungen offenbar nicht gewollt waren bzw. dass nach Hinweisen nichts passierte. Dieses Abschotten von Problemlagen setzte sich über alle Führungsebenen hinweg bis ins Kanzleramt fort.

Bei sich abrupt ändernden Weltlagen, sich rasant entwickelnden technischen Möglichkeiten und neuen Bedrohungen sind eine schnelle Anpassung und Reaktion des BND und anderer Behörden unter Beachtung von Grundrechten jedoch von entscheidender Bedeutung für unsere Sicherheit. Das Potenzial zur Aufgabenerfüllung ist da. Im Bereich der Struktur und der sogenannten Unternehmenskultur gibt es da aber noch richtig viel Luft nach oben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Dr. Konstantin von Notz das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7124854
Wahlperiode 18
Sitzung 242
Tagesordnungspunkt Bericht des 1. Untersuchungsausschusses (NSA)
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