29.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 243 / Tagesordnungspunkt 15

Bernhard DaldrupSPD - Gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich will ein bisschen an die Art und Weise, wie Herr Gambke über dieses Thema gesprochen hat, anknüpfen, statt nur über Rente und Arbeit zu sprechen; denn das Thema der heutigen Debatte lautet: gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West.

Was meinen wir eigentlich, wenn wir über Gleichwertigkeit reden? Das ist nichts anderes als die räumliche Seite des Sozialstaatsprinzips. Es geht nicht um Gleichmacherei, sondern um die Betrachtung von Lebenschancen in ganz unterschiedlichen Bereichen: Bildung, Wohnen, Arbeit, Mobilität, selbstverständlich auch Rente; das ist keine Frage. Aber im Kern ist mit Gleichwertigkeit von Lebensbedingungen in allen Teilräumen des Landes gemeint, dass die Menschen gleiche Chancen und die gleiche Freiheit haben, ihre eigenen Ziele zu verwirklichen. Deswegen ist sozusagen dem Befund des Antrags der Linken gar nicht zu widersprechen. Wenn die Schere zwischen Arm und Reich, regional oder zwischen einzelnen Gruppen auseinandergeht, dann ist das schlecht für die gesamte Gesellschaft. Deswegen ist es auch richtig, dass der Bund aufgefordert wird, hier etwas zu tun.

Aber dann machen Sie etwas, was ich überhaupt nicht verstehe. Denn Sie führen wieder weitgehend eine alte Ost-West-Auseinandersetzung – in dem Antrag ist sogar von „DDR“ die Rede –, suchen ein paar prekäre Unterschiede heraus und wollen sich im Grunde genommen doch nur selbst zum Gralshüter ostdeutscher Interessen machen. Das macht den Antrag schlecht; das macht ihn schwach. Denn das sind Sie nicht, schon gar nicht Sie alleine.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen des Landes heißt ja nicht gleichwertige Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Das ist ein großer Unterschied.

Sie beziehen sich auf Arbeitsmarkt und Rente – dazu ist schon einiges gesagt worden –, und dann fordern Sie einen Solidarpakt III völlig undifferenziert als Konzept. Das macht den Antrag nicht stärker.

Abenteuerlich ist dann die Behauptung, die Bundesregierung ließe effektive Maßnahmen vermissen. Das ist nämlich einfach nur falsch. Deshalb ist der Antrag schlecht. Das sage ich ganz deutlich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will Ihnen ein bisschen auf die Sprünge helfen. Ich will jetzt, wie gesagt, nicht so viel über Ordnung am Arbeitsmarkt reden. Ich glaube, da hat die Koalition das getan, was der Koalitionsvertrag zuließ. Ich will auch nicht über das Thema Rente reden. Aber ich glaube, in beiden Fällen hat Andrea Nahles als zuständige Ministerin wirklich Vorbildliches geleistet,

(Beifall bei der SPD)

und das lassen wir auch nicht in Zweifel ziehen.

Ich möchte andere Punkte ansprechen. Ich glaube nämlich – das muss man in Erinnerung rufen –: Was den Dreiklang von Investitionsschwäche, Höhe der Sozialausgaben und Entlastung von Sozialausgaben und damit die Möglichkeit zu weniger Verschuldung angeht, hat diese Koalition unglaublich viel erreicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich kann Ihnen das haarklein darlegen. Bei den Sozialausgaben liegen die Entlastungen bei 4,5 Milliarden, in der Zukunft bei 5 Milliarden Euro jährlich. Ich könnte die Grundsicherung im Alter oder den Kitaausbau nennen, wo übrigens die Differenzen ganz andere sind, als es aus der Diktion Ihres Antrags hervorgeht. Bei den Investitionen in Höhe von 7 Milliarden Euro geht es um finanzschwache Kommunen. Nehmen Sie das bitte einfach einmal zur Kenntnis! Es geht bei dem Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ darum, den Quartieren zu helfen, die in einer benachteiligten Situation sind. Das alles hat sozusagen Ausgleichsziele zur Grundlage. Das heißt mit anderen Worten: Zu behaupten, hier würde nichts geschehen, ist, ehrlich gesagt, schlicht und ergreifend falsch.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich habe extra eine nette Broschüre mitgebracht – die stelle ich Ihnen gern zur Verfügung –, in der das alles drinsteht. Ich kann das nämlich gar nicht alles aufzählen. Im Ergebnis kommen wir und selbst die kommunalen Spitzenverbände – alles keine sozialdemokratisch durchsetzten Organisationen – zu der Feststellung, dass keine Bundesregierung so viel für die Kommunen und für die Regionen geleistet hat wie diese. Wir sind Teil dieser Bundesregierung bzw. dieser Koalition, und wir sind stolz darauf, dass wir das hingekriegt haben. Und man kann nicht davon reden, dass es unterlassen worden ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Bilanz ist also gut, und es gibt auch Ergebnisse: Der Investitionsstau bei den Kommunen sinkt. Die Investitionen steigen. Die Verschuldung der Kommunen sinkt. Die kommunalen Steuereinnahmen steigen. Man muss aber bereit sein, das alles wahrzunehmen.

Jetzt kommen wir zu dem Thema Solidarpakt III. Hinter dieser Formel steht nichts außer: Gebt uns mehr Geld! – Das ist nicht falsch; es ist aber auch nicht besonders pfiffig. In Wirklichkeit wollen Sie an der alten Ostforderung „Himmelsrichtung statt Bedürftigkeit“ festhalten. Ich bin Iris Gleicke sehr dankbar dafür, dass sie in der Zeit, in der sie diese Aufgabe wahrgenommen hat, dafür gesorgt hat, dass diese Dichotomie endlich aufhört und dass wir zusammen darüber reden, wie künftig nach Bedürftigkeit statt nach Himmelsrichtung gefördert werden kann. Denn das wollen wir.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das wird hier so lax gesagt: Ihr lasst mal wieder die ostdeutschen Kommunen hinten runterfallen. – Im Jahre 2015 betrug die erhöhte Gewerbesteuerumlage der westdeutschen Kommunen 3,4 Milliarden Euro. Sie wird seit Anfang der 90er-Jahre erhoben. Es ist hier ein hohes Maß an Solidarität da, ein ausgesprochen hohes Maß. Ich würde das nicht einfach so wegreden.

Ich habe leider nicht die Zeit, darauf im Einzelnen einzugehen, aber die Antwort ist doch nicht nur, das Ausgleichsziel zu verfolgen, sondern Strukturpolitik. Die Antwort besteht in der Förderung von Wachstumsfeldern, die man mobilisieren muss, in der Unterstützung von endogener Entwicklung, in der tragfähigen wirtschaftlichen Entwicklung, die die Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Wenn wir uns nur auf das Ausgleichsziel konzentrieren, wie das in dem Antrag von Ihnen getan wird, dann ist das ein Festschreiben einer Situation, die wir doch verbessern wollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Kollege.

Deswegen haben wir eine andere Zielsetzung. Ich bitte Sie, doch daran mitzuwirken. Das ist doch die notwendige Voraussetzung.

Das war ein guter Schlusssatz.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel, was passiert, wenn das so gemacht wird und wir uns nicht nur auf das Ausgleichsziel konzentrieren, wenn wir Regionalpolitik als Chancenpolitik begreifen in einer Umbruchzeit, wie wir sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der Digitalisierung erleben –

Herr Kollege.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7125658
Wahlperiode 18
Sitzung 243
Tagesordnungspunkt Gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West
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