Hans-Joachim SchabedothSPD - Emissionsfreie Mobilität, Bahnpolitik, Radverkehr
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Irgendwann war doch einmal Schluss mit den Postkutschen. Wann das genau war – wer will das mit absoluter Sicherheit bestimmen? Aber ganz sicher ist: Nie ist irgendjemand auf die Idee gekommen, den Siegeszug des Autos durch die Begrenzung der Nutzungsjahre von Pferden für das Reiten und Kutschieren beschleunigen zu wollen.
(Beifall des Abg. Arno Klare [SPD])
Wie so oft: Das Bessere setzte sich hier durch.
Die Grünen wollen nun die Schonfrist für klimaschädliches Autofahren 2030 auslaufen lassen. Sie versprechen sich davon den Siegeszug des Besseren.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das Ende des Schlechten!)
Es ist immer gut, wenn man in der Politik Ziele definiert. Aber: Hat das Ganze nicht auch ein dirigistisches Geschmäckle, wie man im Musterländle des Automobils zu sagen pflegt? Warum 2030? Warum nicht 2035? Warum nicht 2029?
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir Ihnen erklärt! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal was zum Klimaabkommen!)
Ist 2030 wirklich ein „Schwachsinnstermin“, wie Herr Kretschmann rügte? Ist die Erwartung, dass es sogar noch schneller geht, wirklich absolut unrealistisch?
(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat der Bundesrat beschlossen!)
Der technische Fortschritt war gerade im Automobilbau schon immer Treiber des Besseren. Diesel- und Benzinfahrzeuge sind heute schon Auslaufmodelle wie ihrerzeit die Kutschen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat Herr Dobrindt aber noch nichts von gehört!)
– Tja, der wird damit dann auch kein Geld mehr verdienen können. – Kann die Automobilindustrie in Deutschland noch Leitmarkt und Leitanbieter sein, wenn sie auf diese langen Auslauffristen setzt und darauf vertraut? Die nichtdeutschen Wettbewerber würden uns doch schnell den Rang ablaufen.
Die IG Metall und die SPD haben im Rahmen der Nationalen Plattform Elektromobilität seit Jahren eine bessere politische Flankierung der Elektromobilität gefordert. Doch unser Koalitionspartner hat den Knall erst nach Dieselgate gehört.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den hat er bis jetzt noch nicht gehört! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ansatzweise! – Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist denn im Aufsichtsrat von VW?)
– Das wäre traurig, aber da kann ich Sie beruhigen: Ich glaube, sie haben es verstanden.
(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das bezweifeln wir!)
Ähnliches gilt leider auch für viele Automobilhersteller; wir haben so mindestens zwei Jahre verloren. Einige setzen immer noch auf verbesserte Dieselmotoren, Erdgas oder effizientere synthetische Brennstoffe. Deshalb frage ich mich, ob der Dieselgate-Knall vielleicht doch nicht laut genug war. Der Elektroantrieb, das autonome Fahren, das Teilen, statt das Besitzen von Autos – das sind Eckpunkte für den Erfolg von morgen. Zulieferungen für Autos mit Verbrennungsmotoren sind sicherlich schon vor 2030 ein auslaufendes Geschäftsmodell. Es wird der Tag kommen – eher früher als später –, an dem niemand mehr eine Einspritzpumpe oder einen Auspuff braucht. Die hier gebundenen Arbeitsplätze werden sich sicher so nicht erhalten lassen. Doch klar ist auch: Alle Arbeitsplätze in der Automobilindustrie von heute wären massiv gefährdet, wenn wir den Anschluss an die Weltspitze verlieren würden. Die weitsichtigeren Automobilzulieferer investieren deshalb schon lange in eine Zukunft ohne Verbrennungsmotoren. Nötiger denn je wäre jetzt der Aufbau einer deutschen Batterie- und Zellproduktion.
(Kirsten Lühmann [SPD]: Genau!)
Konsortien könnten dabei deutsches Know-how und Investitionskraft bündeln.
Fazit: Ich bezweifle, ob wir Fristsetzungen wirklich benötigen, um die deutsche Automobilindustrie auf einen richtigen Weg zu zwingen.
(Beifall bei der SPD)
Wer in Zukunft mit Autos in unserem Land Geld verdienen will, der muss jetzt umsteuern.
(Beifall bei der SPD)
Tesla und die chinesischen Autobauer werden jedenfalls nicht warten, bis die ganze deutsche Automobilindustrie verstanden hat. Die Politik kann sie leider auch nicht zum Jagen tragen. Vielleicht könnte man dem Begehren der Grünen, dem ich ja sympathisch gegenüberstehe, noch die Funktion eines letzten Warnschusses zuerkennen, auch wenn meine Fraktion ihn nicht mit abfeuern wird.
Doch es gibt Besseres als das Drohen mit dem grünen Zeigefinger: Wir müssen die Mitbestimmung der Beschäftigten und der Gewerkschaften stärken.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Damit stärken wir zugleich die Durchsetzungskraft für den Ausstieg aus dem Zeitalter des Verbrennungsmotors hin zur emissionsfreien Mobilität. In der Auseinandersetzung mit den Schlafmützen an den Schaltstellen der industriellen Zukunft vertraut die SPD mehr auf den Stachel der Unternehmensmitbestimmung als auf gelegentliche grüne Nadelstiche.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7125885 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 244 |
Tagesordnungspunkt | Emissionsfreie Mobilität, Bahnpolitik, Radverkehr |