Edelgard Bulmahn - Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da dies meine letzte Sitzung im Deutschen Bundestag sein wird, weil ich für den neuen Bundestag nicht mehr kandidiere, bitte ich darum, einige Worte sagen zu können.
Ich bin Abgeordnete in einer sehr spannenden Zeit gewesen. Als ich im Januar 1987, vor über 30 Jahren, das erste Mal in den Deutschen Bundestag gewählt worden bin, habe ich mir nicht vorstellen können, einige Jahre später in einem geeinten Land leben zu dürfen. Ich hätte mir überhaupt nicht vorstellen können, dass ich an diesem Prozess sogar mitwirken konnte: als Abgeordnete, unter anderem im Ausschuss für Deutsche Einheit. Ich hätte mir einige wenige Jahre später aber auch nicht vorstellen können, dass die Hoffnungen, die ich und auch viele andere 1990/1991/1992 hatten, endlich in einem Zeitalter des Friedens leben zu können, so schnell wieder zerstört werden.
30 Jahre lang die Möglichkeit zu haben, als Abgeordnete, mehrmals als Ausschussvorsitzende, als Sprecherin meiner Fraktion, als Bundesministerin für Bildung und Forschung und jetzt als Vizepräsidentin Politik aktiv gestalten zu dürfen, habe ich genau wie Norbert Lammert immer als ein Privileg empfunden und wahrgenommen. Das ist es auch. Das kann nicht jeder. Politik wirklich aktiv gestalten zu können, zu beeinflussen, die Zukunft gestalten zu können, Weichen zu stellen, die weit in die Zukunft hineinreichen, wie mir das mit dem Ganztagsschulprogramm, mit der Nachwuchswissenschaftlerförderung, mit der grundlegenden Reform des BAföG und der Exzellenzinitiative gelungen ist, um nur einiges zu nennen, das ist eine wirklich wunderbare Möglichkeit, für die ich außerordentlich dankbar bin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass all das nicht ohne Mitarbeit der Kolleginnen und Kollegen geht. Ich glaube, das weiß jeder, egal in welcher Funktion man ist. Deshalb möchte ich mich bei Ihnen allen ganz herzlich bedanken.
Ich weiß, lieber Heinz Riesenhuber, dass du dich damals als Minister für Forschung und Technologie wahrscheinlich manches Mal über die junge Abgeordnete Bulmahn geärgert hast. Im Übrigen wurde auch ich von anderen geärgert. Aber ich glaube, eines war klar, nämlich dass es immer um die Sache ging.
Deshalb möchte ich diesen Dank an Sie alle für diese langen Jahre der Zusammenarbeit mit zwei Bitten verbinden. Ich möchte ihn mit der Bitte verbinden, dass dieses Parlament auch in Zukunft wirklich mit aller Kraft und mit allem Engagement für eine starke und stabile Demokratie kämpft. In dieser leben wir nämlich.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nichts kommt von selbst.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, wünsche ich mir, dass dies ein Parlament bleibt, das sehr viel Selbstbewusstsein hat, das debattierfreudig ist, das seine Rechte, aber auch seine Verantwortung wahrnimmt, und dass dies ein Parlament bleibt, in dem das Argument und die Leidenschaft für die Sache zählen und nicht Pöbelei, Rassismus, Ausgrenzung oder Hass an der Tagesordnung sind.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen Sie streiten; denn das fällt nicht vom Himmel.
Ich habe eine zweite Bitte. Viele wissen, dass mein Herz für Bildung, Wissenschaft und Forschung brennt – immer noch. Ja, wir investieren viel in Wissenschaft und Forschung. Darüber, dass uns das gelungen ist, bin ich sehr, sehr froh, und wir müssen dies fortsetzen. Auch das ist richtig. Wir dürfen uns nicht darauf ausruhen. Wir müssen noch mehr tun. Aber wir müssen noch viel, viel mehr in Bildung investieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt kaum etwas, von dem die Lebenschancen eines Menschen so stark abhängen wie von den Bildungschancen, und es gibt keinen anderen Bereich, von dem unsere Zukunft so abhängt wie von Bildung, Wissenschaft, Forschung und dem, was wir können, was unsere Kompetenz ausmacht.
Deshalb, sehr geehrter Herr Schäuble: Ja, wir leben in einem föderalen Staat, und er hat wirklich sehr viele Stärken. Ich bin davon überzeugt, dass es sich lohnt, diesen föderalen Staat immer wieder zu stärken und zu unterstützen. Aber wir leben auch in einer sozialen Demokratie, und zu einer sozialen Demokratie gehört auch, dass man sich gegenseitig unterstützt,
(Beifall bei der SPD)
dass man auch diejenigen unterstützt, die dieses Ziel unter schlechteren Rahmenbedingungen erreichen müssen. Der Wert und die Stärke einer Demokratie zeigen sich auch daran, wie viel sie in ihre Kinder und ihre Zukunft investiert.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir hier noch mehr tun müssen: Wir müssen mehr investieren, und es sind mehr Anstrengungen nötig, auch vom Bund. Auch dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, lohnt es sich zu streiten.
(Beifall bei der SPD)
Ich möchte mich auch ausdrücklich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, nicht nur bei denjenigen, die hinter mir sitzen, sondern bei all denjenigen, die uns unsere Arbeit erleichtern.
Vor allen Dingen wünsche ich Ihnen aber auch Erfolg bei Ihrer Arbeit, heftigen Streit in der Sache, aber auch, dass man zu Ergebnissen kommt. Alles Gute für die Zukunft!
Ich werde weiterhin mit Interesse beobachten, mit ein bisschen Wehmut gehen, aber auch mit Freude darüber, dass ich so lange mitmachen und mit Ihnen gemeinsam die Zukunft dieses Landes gestalten konnte.
Danke.
(Anhaltender Beifall im ganzen Hause – Die Abgeordneten der SPD erheben sich)
Ja, jetzt muss der Kollege Singhammer kommen. – Dann hat die Ministerin Katarina Barley für die Bundesregierung das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7148484 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 245 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland |