Stephan ThomaeFDP - Gesetz zur Stärkung der Bürgerrechte
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der erste Gesetzentwurf der Freien Demokraten in dieser 19. Wahlperiode ist nicht zufällig ein Bürgerrechtestärkungs-Gesetz, sondern definiert eines der Kernanliegen der Freien Demokraten, an dem sich nichts geändert hat. Deswegen wollen wir uns mit einem Gesetz zur Stärkung der Bürgerrechte in diesem Hohen Haus nach vierjähriger Abwesenheit zurückmelden.
(Beifall bei der FDP)
Die Sicherheitspolitik der letzten Jahre war geprägt von Angst – Angst vor Terror, Kriminalität, Bedrohung. Die Antwort darauf war viel zu oft: minimale Sicherheitsgewinne gegen maximale Einschränkungen bürgerlicher Rechte. Wir Freien Demokraten wollen eine Trendwende einleiten. Auch wir – auch ich – haben ein Verhältnis zur Sicherheit, aber wir wollen maximale Sicherheitsgewinne bei minimalen Eingriffen in bürgerliche Freiheitsrechte.
(Beifall bei der FDP)
Wir wollen das Minimaxprinzip wieder vom Kopf auf die Füße stellen, und das macht den Unterschied. So sieht unser Gesetzentwurf eine Aufhebung der anlasslosen, flächendeckenden Vorratsdatenspeicherung vor, die eben keinen maximalen Sicherheitsgewinn bringt, sondern nur der Anlass zur Erhebung von mehr Daten bei unbescholtenen Bürgern ist und nur eine Scheinsicherheit auslöst. Im Augenblick stellt das sogar überhaupt keinen Sicherheitsgewinn dar, weil 2010 das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig und 2014 sowie 2016 der EuGH sie für europarechtswidrig erklärt hat und nun, 2017, ein Oberverwaltungsgericht, das OVG Münster, die VDS ausgesetzt hat. Die Bundesregierung nimmt es hin, dass die Vorratsdatenspeicherung unanwendbar bleibt und vermutlich irgendwann einmal, in einigen Jahren, wiederum von Karlsruhe oder vom EuGH wiederholt wird, dass schon irgendein Anlass bestehen muss, um Daten zu erheben und zu speichern. Da wäre es doch klüger und geschickter und ein effektiverer Sicherheitsgewinn, wenn der Gesetzgeber selbst die anlasslose Vorratsdatenspeicherung aufhöbe und den Weg frei machte für eine anlassbezogene Datenspeicherung, und zwar dort, wo echte Gefahr besteht: bei Gefährdern und gefährlichen Straftätern.
(Beifall bei der FDP)
Herr Kollege Thomae, erlauben Sie mir kurz eine Intervention. – Ich würde dringend darum bitten, dass die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion in der ersten und zweiten Reihe die Gespräche einstellen, während der Redner hier vorne redet.
(Beifall bei der FDP)
Und mir zuhörten. – Danke schön.
Neben der Vorratsdatenspeicherung halten wir auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, ein Gesetz, das mit heißer Nadel gestrickt ist, auf den letzten Metern der 18. Wahlperiode auf den Weg geschoben, regelrecht durchgezogen wurde, für verfassungswidrig und europarechtswidrig. Denn die Regulierung der Telemedien fällt im Wesentlichen nicht in die Gesetzgebung des Bundes, sondern wäre Gegenstand eines Staatsvertrages der Länder. Es gibt zwar durchaus einige Inhalte des NetzDG, die auch wir Liberale teilen, zum Beispiel Auskunftsansprüche Betroffener. Es gibt aber auch Dinge, die wir extrem kritisch sehen, nämlich insbesondere die Verlagerung der schwierigen rechtlichen Frage der Rechtswidrigkeit von Meinungsäußerungen in die Entscheidungszuständigkeit privater Unternehmen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Denn wenn private Unternehmen unter Androhung empfindlicher Bußgelder innerhalb enger und starrer Fristen entscheiden müssen, ob ein Inhalt als rechtswidrig einzustufen ist und gelöscht werden soll, dann wird man im Zweifel nicht für die Meinungsfreiheit kämpfen und eintreten, sondern ihn sicherheitshalber einfach löschen. Und das ist bitte schön keine Kleinigkeit, sondern ein empfindlicher Grundrechtseingriff.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Es gibt aber durchaus einen Punkt, den wir sehr befürworten – Kollege Jarzombek sprach ihn im letzten Tagesordnungspunkt an –, nämlich die Regelung hinsichtlich des Zustellungsbevollmächtigten. Denn das ist eine Frage der ZPO; da sehen wir eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das ist auch wichtig, weil, wie schon ausgeführt, inländische Betroffene einen inländischen Ansprechpartner brauchen. Für alles andere gibt es noch nicht einmal eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes.
Ja – damit will ich zum Schluss kommen, Herr Präsident –, das Problem einer zunehmenden Verrohung und zuweilen auch Rechtsverachtung im Netz sehen wir wohl. Das muss man angehen. Aber auch dabei muss man sich an die Regeln und die Gesetzgebungskompetenzen halten. Wenn noch nicht einmal eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht, dann halten wir eine Privatisierung von Grundrechtseingriffen wie die Löschung von Meinungsäußerungen für nicht hinnehmbar. Deswegen bitten wir Sie, die Überweisung dieses Gesetzentwurfes zu beschließen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Vielen Dank, Herr Kollege Thomae. – Als Nächstes für die Fraktion der CDU/CSU: die Kollegin Winkelmeier-Becker.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7181082 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 4 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Stärkung der Bürgerrechte |