18.01.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 7 / Tagesordnungspunkt 11

Michael Georg LinkFDP - Arbeitsprogramm der EU-Kommission 2018

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute diskutieren wir über das Arbeitsprogramm der Kommission. Dies ist die erste vereinbarte Debatte, die wir darüber führen. Natürlich ist es ganz wichtig, dass wir im Detail diskutieren. Aber lassen Sie mich einige Sachen kurz vorab erwähnen.

Es ist gut und es ist wichtig, dass wir in die Diskussion über die europäische Gesetzgebung Zeit investieren. Wir sollten uns einen Ruck geben – das ist die Chance des Anfangs dieser Wahlperiode – und gemeinsam mehr Zeit in die Debatte der europäischen Gesetzgebung investieren. In der Vergangenheit ist ein solcher Anlauf schon oft erfolgt. Wir haben es leider nicht geschafft, zum Beispiel so etwas wie eine Europa-Fragestunde einzuführen. Ich glaube, das wäre wichtig.

Ich sage vor allem mit Blick auf die zu Recht hohen Erwartungen, die das Bundesverfassungsgericht an uns Parlamentarier stellt – gleich ob wir einer Regierungs- oder Oppositionsfraktion angehören –, dass wir die Bundesregierung bei ihrem Handeln in der EU stärker kontrollieren, sie aber auch besser legitimieren, indem wir mehr Zeit in die Debatte der europäischen Gesetzgebung investieren. Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken. Dann erübrigt sich, auch ohne Kommentar, eine solche Stellungnahme, wie wir sie gerade gehört haben, in der von Diktatur und anderen Dingen die Rede war. Man hat alle Chancen, sich in diese EU gewaltengeteilt, gerecht und vor allem justiziabel einzubringen, wenn man es denn nur vernünftig will.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir Freien Demokraten sind bereit und freuen uns auf diesen Diskurs. Es gibt unterschiedliche Wege, wie man das vereinte Europa am besten bauen kann. Wir Freien Demokraten stehen für eine EU, die stark, regelbasiert, handlungsfähig, subsidiär, dezentral und ordnungspolitisch von einer Konzentration auf das Wesentliche geprägt ist und den Mitgliedstaaten dabei genügend Eigenverantwortung und Spielraum für den notwendigen Wettbewerb um die besten Lösungen lässt. Vertiefung der europäischen Integration, zu der wir stehen, heißt für uns nicht Zentralisierung, sondern kluges Ausbalancieren der Zuständigkeiten im vereinten Europa und intelligente Checks and Balances in der Art, wie die EU regiert wird. Das ist die Maxime, mit der wir Freien Demokraten Europapolitik betreiben und an der wir das Arbeitsprogramm der Kommission messen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 2018 will die Kommission die Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien abschließen. Michel Barnier macht eine exzellente Arbeit. Dennoch – machen wir uns nichts vor –: Auch wenn wir den Brexit fair und im Respekt vor der britischen Entscheidung zu Ende führen wollen, ist er ein Prozess, bei dem am Ende vermutlich alle menschlich, politisch und ökonomisch verlieren werden. Dieser Fall darf nicht Schule machen. Dennoch sollten wir daran denken, dass die EU die Briten auch in Zukunft als strategischen Nachbarn und als NATO-Partner braucht und dass wir die Tür für Großbritannien im Hinblick auf die Zukunft und für den Fall einer neuerlichen Abstimmung, so unwahrscheinlich sie heute auch sein mag, offenlassen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Kolleginnen und Kollegen, zu einigen einzelnen Punkten des Programms der Juncker-Kommission, über das wir hoffentlich bald in den Fachausschüssen ausführlich diskutieren werden – das ist ja beileibe kein Thema, das nur den Europa-Ausschuss angeht –, mangels längerer Redezeit nur einige wenige Stichworte:

Der klare Impetus, den die Kommission auf den digitalen Binnenmarkt legt, ist außerordentlich positiv. Ich denke, die Kommission hat begriffen, dass dies eine der prioritären Herausforderungen ist. Es fehlte in diesem Bereich in der letzten Wahlperiode an klarer Unterstützung durch die Große Koalition.

Ein anderer Bereich, in dem die Kommission, wie wir denken, auf einem sehr guten Weg ist, ist die Handels­politik, mit der die Kommission auch in Zeiten eines weltweit erstarkenden Protektionismus ihren Anspruch untermauert, die Globalisierung mit einer ambitionierten Politik zum Wohle aller zu gestalten. Umso problematischer, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, dass die Kollegen der Grünen während der Jamaika-Sondierungen doch tatsächlich die Ratifizierung des fertigen Handelsabkommens CETA mit Kanada blockiert haben und von der Union kein Veto zu hören war.

(Beifall bei der FDP)

Beim wichtigen Thema der Migrationspolitik wollen wir die Kommission nach Kräften darin unterstützen, das überkommene Dublin-System zu reformieren. Europa braucht einen effizienten und krisenfesten Mechanismus, mit dem wir schnell und human auf neue Flüchtlingslagen reagieren können. Außerdem brauchen wir endlich einen effizienten Schutz der Außengrenzen mit exekutiven Befugnissen.

Positiv ist auch, dass sich die Kommission weiterhin der Bekämpfung von Cyberangriffen, Propaganda und Fake News widmen will. Dass hier zunächst eine Beratergruppe einberufen worden ist, lässt hoffen, dass man unausgegorene Schnellschüsse vermeiden möchte und nicht den falschen Weg gehen will, den die Große Koalition mit dem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz gegangen ist.

(Beifall bei der FDP)

Im Bereich der Energiepolitik setzt die Kommission auf Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssicherheit. Das ist gut. Hier benötigen wir in der Tat einen gesamteuropäischen Ansatz. Dass sich die Bundesregierung in diesem Energiebereich über die Bedenken zahlreicher europäischer Nachbarstaaten – Dänemark, Litauen – hinwegsetzt und diese Staaten mit dem unabgestimmten Ausbau von Nord Stream 2 brüskiert, ist aber alles andere als konstruktiv.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir unterstützen die Kommission auch in ihrem Vorhaben, neue Vorschläge zur Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit in der EU zu entwickeln. Europa kann nur dann wirklich stark sein, wenn es seinen Werten und Prinzipien treu ist und international ein Beispiel für Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Menschenrechte bleibt.

(Beifall der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])

Wir halten auch am Ziel einer glaubwürdigen Erweiterungsperspektive für den Westbalkan fest und begrüßen mit Nachdruck die Pläne zur Fortschreibung der ständigen strukturierten Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich und für einen europäischen Verteidigungsfonds.

Wir sind auch durchaus offen für die Idee – Juncker hat es angesprochen – eines Anteils transnationaler Listen für die Wahlen zum Europäischen Parlament. Wir fordern das als FDP schon lange. Wir halten das für richtig. Das gilt auch für den Prozess im Zusammenhang mit dem europäischen Spitzenkandidaten.

Juncker spricht auch von der Reform der Wirtschafts- und Währungsunion. Ja, sie muss reformiert werden. Eine solche Reform muss sich allerdings zunächst am Prinzip der finanziellen Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten orientieren

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und darf nicht zu Finanztransfers führen, die eine Erschlaffung der Reformbemühungen zur Folge hätten.

Wenn der ESM schon in einen europäischen Währungsfonds überführt werden soll und wir darüber reden – wir werden darüber zu diskutieren haben, und ich will ausdrücklich die Bedenken unterstreichen, die wir hier von meinem Vorredner Gunther Krichbaum zur Rechtsgrundlage gehört haben –, dann muss dieser auch ein politisch unabhängiges Instrument zur Krisenprävention werden. Konvergenz ist wünschenswert, aber nur, wenn sie in Richtung von mehr Wettbewerbsfähigkeit geht – nicht als Nivellierung oder als Schwächung.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Akzeptanz der Wirtschafts- und Währungsunion wird nicht steigen, wenn sich in weiten Teilen der Bevölkerung der Eindruck verfestigt, dass Risiko und Haftung auseinandergehen. Auch neue Vorschläge zur Einführung europäischer Steuern werden die EU nicht attraktiver oder besser machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Debatte um die Zukunft Europas läuft. Als Parlament leisten wir in der kommenden Woche mit der gemeinsamen Erklärung mit der Assemblée nationale einen wichtigen Beitrag. Präsident Macron reformiert sein Land auf dem Feld der Wettbewerbsfähigkeit wie kein französischer Präsident vor ihm. Hier wäre es an Deutschland, jetzt nachzuziehen.

Deshalb kann ich nur sagen: Wir Freien Demokraten freuen uns, in dieser Wahlperiode als Opposition hier im Bundestag, als Gruppe im Europäischen Parlament und in drei Landesregierungen aktiv und konstruktiv am weiteren Aufbau der Europäischen Union zu arbeiten. Wir freuen uns auf dieses Projekt und insbesondere auf die Arbeit in den Ausschüssen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Michael Link. – Nächster Redner für die Fraktion Die Linke: Alexander Ulrich.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7192667
Wahlperiode 19
Sitzung 7
Tagesordnungspunkt Arbeitsprogramm der EU-Kommission 2018
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta