Einen schönen guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der eine oder die andere denkt vielleicht in diesen Tagen: Gibt es nicht wichtigere Themen in unserem Land als den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte?
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das ist wohl wahr! Da haben Sie völlig recht, Frau Kollegin!)
Rente, Pflege, Wohnen, Bildung, Arbeitsmarkt, Sicherheit, die Zukunft Europas, das alles sind zentrale und wichtige Themen, um die wir gerade in diesen Tagen bei den Koalitionsverhandlungen ringen und über die wir darüber hinaus hier im Deutschen Bundestag und in unserer Gesellschaft natürlich intensiv beraten und debattieren.
Trotzdem ist es richtig und wichtig, dass wir gemeinsam in diesem Haus so engagiert um den richtigen Kurs in der Flüchtlingspolitik ringen; denn der Umgang in unserem Land mit Menschen, die bei uns Schutz und Sicherheit suchen, ist ein Gradmesser dafür, wie ernst wir es mit der Menschenwürde und dem Schutz der Familie meinen.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben hier gestern in der Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus zusammengesessen. Anita Lasker Wallfisch hat – viele Kolleginnen und Kollegen waren dabei – eine wirklich bewegende und sehr beeindruckende Rede gehalten. Ich finde, sie hat uns für unsere Debatte heute Morgen und für unsere Entscheidung etwas mitgegeben.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann machen Sie was draus!)
Ich zitiere:
Für uns haben sich die Grenzen damals hermetisch geschlossen und nicht, wie hier, geöffnet, dank dieser unglaublich generösen, mutigen, menschlichen Geste, die hier gemacht wurde.
Ich finde, wir sollten gemeinsam stolz darauf sein, dass Deutschland ein Sehnsuchtsort geworden ist und ein weltoffenes Land, in dem die Menschenwürde unser wichtigstes Grundrecht ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil die Menschenwürde und der Schutz der Familie nicht nur für Deutsche gelten und nicht nur für Christinnen und Christen, ringen wir hier heute Morgen und an vielen Stellen in unseren Debatten um den richtigen Weg. Wir machen es uns nicht einfach;
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
niemand macht es sich einfach, weder hier im Haus noch darüber hinaus.
Zur Wahrheit gehört auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass – das macht es ja so schwer – nicht alle Menschen, die verfolgt sind, nicht alle Menschen, die in einem Bürgerkriegsland leben, nicht alle Menschen, die in ihrem Heimatland keine Perspektive haben, bei uns Schutz und Sicherheit bekommen können oder eine Perspektive und eine gute Integration.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Deswegen müssen wir hier im Bundestag entscheiden, wer zu uns kommen darf und wer hierbleiben darf. Dass wir uns heute Morgen die Entscheidung nicht leicht machen, das zeichnet uns auch aus, finde ich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Familiennachzug bietet alles, was wir bei der Zuwanderung wollen und uns wünschen. Er findet legal, sicher und geordnet statt, und zwar nicht durch Schlepper und Schleuser, und er ist absolut gut und wichtig für die Integration bei uns.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Michael Frieser [CDU/CSU])
Deshalb ist es für die SPD – das möchte ich hier heute Morgen noch einmal sehr deutlich sagen – immer sehr schwer, den Familiennachzug auszusetzen, zu begrenzen oder deutlich zu reduzieren. Aber ich sage auch sehr deutlich: Trotzdem ist der Kompromiss, wie Herr de Maizière schon gesagt hat – der Gesetzentwurf, den wir heute vorlegen und den wir mit vereinbart haben und auf jeden Fall mittragen –, akzeptabel.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wichtigste vorab, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ab dem 1. August 2018 soll Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte wieder möglich sein. Das ist die gute Botschaft und wichtige Nachricht.
Damit es überhaupt wieder Familiennachzug gibt – auch wir kennen die Mehrheiten hier in diesem Haus –, haben wir uns darauf verständigt, den Familiennachzug jetzt für vier weitere Monate auszusetzen und diese Verlängerung zu beschließen.
Frau Högl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kubicki?
Ja, bitte.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Leichte Überraschung!)
Frau Kollegin Dr. Högl, gehe ich recht in der Annahme, dass wir ab 1. April dieses Jahres einen unbegrenzten Familiennachzug hätten und gar keine Härtefallregelung bräuchten, wenn die Sozialdemokraten diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen würden?
(Beifall der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Herr Kubicki, wir haben unter den gegebenen Umständen nach intensiver Debatte beschlossen, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, und zwar bis zum März dieses Jahres. Die Rahmenbedingungen, unter denen wir das gemacht haben, sind hier, glaube ich, bekannt.
Ich lege in meiner Rede jetzt dar, warum uns allen, denen der Familiennachzug und eine humanitäre Flüchtlingspolitik am Herzen liegen, die Verlängerung der Aussetzung nicht leichtfällt.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr schwach!)
Trotzdem habe ich deutlich gesagt, dass der Gesetzentwurf, den wir heute beraten und beschließen, ein ganz wichtiger Schritt ist, ein Kompromiss, den wir jetzt eingehen, um eine gute Neuregelung ab 1. August 2018 auf den Weg zu bringen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abschaffung des Familiennachzugs!)
Der einzige Zweck dieser Verlängerung, die wir heute Morgen beschließen, ist, eine neue Regelung zu formulieren, mit der wir gewährleisten, dass ab dem 1. August 2018 wieder Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten zu uns kommen können.
In der ersten Lesung am 19. Januar 2018 habe ich für die SPD-Fraktion hier ausgeführt, dass wir wollten, dass in diesem Gesetzentwurf das Datum 31. Juli 2018 explizit genannt wird, und das ist jetzt der Fall. Bis dahin wird längstens verlängert, und danach ist Familiennachzug wieder möglich.
(Beifall bei der SPD)
Mit dieser Übergangsregelung greifen wir einer Neuregelung, die ab dem 1. August 2018 gelten soll, nicht vor; denn diese Neuregelung wollen wir hier im Deutschen Bundestag gemeinsam sorgfältig beraten, formulieren und dann miteinander beschließen. Das soll sicherstellen, dass ab 1. August 2018 wieder Menschen über den Familiennachzug zu uns kommen können.
Der zweite Punkt, der der SPD wichtig war und den wir auch gewährleistet haben, ist, dass wieder Anträge gestellt werden können. Wir haben entsprechende Informationen aus dem Auswärtigen Amt, dass bereits jetzt wieder Anträge entgegengenommen werden, Menschen eine Beratung bekommen und die Anträge, soweit möglich, auch bearbeitet werden.
Jetzt komme ich noch zu den Härtefällen, weil auch das etwas ist, was uns allen natürlich sehr am Herzen liegt.
Nach § 22 Aufenthaltsgesetz können bei Härtefällen Visa ausgestellt werden, sodass Menschen, für die diese Härtefallregelung gilt, eine Aufenthaltserlaubnis bekommen können. Im letzten Jahr waren das 66 Personen. Deswegen sage ich ganz deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, diese Härtefallregelung anders auszulegen und auszugestalten, damit darunter mehr als 66 Personen fallen. Diese Härtefallregelung muss vor allen Dingen, so wie es richtig und wichtig ist, im Sinne des Kindeswohls und unter Berücksichtigung der UN-Kinderrechtskonvention interpretiert werden. Das ist unsere Aufgabe.
(Beifall bei der SPD – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Rechtsauslegung ist nicht Sache des Parlaments! Recht: sechs, setzen! – Stephan Thomae [FDP]: Sie können das ändern! Tun Sie aber nicht!)
Wir gehen heute mit dem Gesetzentwurf – und ich werbe für die SPD-Fraktion um Zustimmung – einen ersten wichtigen Schritt. Wir verlängern die Aussetzung des Familiennachzugs längstens bis zum 31. Juli dieses Jahres. Das ist vereinbart, und das ist notwendig, um uns Zeit für eine Neuregelung zu schaffen. Dann wollen wir diese Neuregelung hier miteinander debattieren.
Ich hoffe sehr, dass es eine Neuregelung sein wird, mit der Menschen zu uns kommen können und die einen akzeptablen Kompromiss darstellt. Dafür werbe ich.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ich würde dringend raten, nachzulesen, was die Härtefallregelung ist!)
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Wirth, AfD.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7197671 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 11 |
Tagesordnungspunkt | Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten |