01.02.2018 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 11 / Tagesordnungspunkt 5

Fabio Valeriano Lanfranco De MasiDIE LINKE - EU-Verordnung zu einem Europäischen Währungsfonds

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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Europäische Währungsfonds als die Speerspitze des Sozialismus: Ich glaube, ich habe da etwas verpasst.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Die Linke teilt viele der Bedenken gegen den Europäischen Währungsfonds, aber aus anderen Gründen als die FDP. Die FDP fordert in ihrem Antrag mehr Wettbewerbsfähigkeit. Was sonst? Auf Deutsch: Überall in Europa sollen Löhne und Renten sinken, damit Gewinne und Vermögen weiter zulegen.

(Otto Fricke [FDP]: Jetzt kommst du irgendwann mit Hartz IV! – Christian Dürr [FDP]: Spannend!)

Es ist wie Kindergeburtstag: Wenn ein Kind ein immer größeres Stück vom Kuchen will, muss es den anderen auf den Teller greifen. Mit Wettbewerb hat das übrigens nichts zu tun. Das ist dreiste Enteignung.

(Beifall bei der LINKEN – Otto Fricke [FDP]: Wir reden von Brot, Sie von Kuchen! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind so bei Ihnen die Kinderpartys?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, wenn Sie sich einmal die Zahlen anschauen würden, dann würden Sie feststellen: Seit vielen Jahrzehnten sinkt der Anteil der Löhne am volkswirtschaftlichen Kuchen. Der Anteil der Gewinne und Vermögen hat zugelegt, aber die Investitionsquote der Unternehmen ist gesunken, weil niemand investiert, wenn man die Mehrheit der Bevölkerung auf Diät setzt und die Stimmung mies ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Enteignung der Beschäftigten in Deutschland durch die Agenda 2010 –

(Otto Fricke [FDP]: Ich wusste es doch! Das musste kommen!)

Hartz IV, Leiharbeit, Befristung ohne Sachgrund – war die zentrale Ursache der Euro-Krise. Wir haben durch unser Lohndumping eine künstliche Abwertung bewirkt

(Christian Dürr [FDP]: Versuch doch mal, zum Antrag zu reden!)

und mehr ans Ausland verkauft als von dort eingekauft. Es ist wie in der Kneipe: Wenn ich Ihnen immer mehr verkaufe, als ich von Ihnen einkaufe, müssen die anderen anschreiben und Schulden machen. Fakt ist: Griechenland hat seine Wettbewerbsfähigkeit dramatisch erhöht und liegt am Boden.

(Otto Fricke [FDP]: Das ist die falsche Debatte, Herr Kollege!)

Die Schulden sind wegen der Kürzungspolitik sogar gestiegen, weil die Wirtschaft einbrach. Portugal hat die Kürzungspolitik beendet und wächst wieder. So viel zu den Fakten.

(Beifall bei der LINKEN)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, gerne.

Bitte schön.

Herr Kollege, kann es sein, dass Sie Ihre Weisheiten nur von Kindergeburtstagen und aus Kneipen haben?

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Ich bin Vater eines achtjährigen Sohnes. Ich verbringe sehr gern mit ihm den Kindergeburtstag. Ich glaube, Sie sind Zahnarzt. Ich weiß auch nicht, ob Sie Ihre Weisheiten nur aus Zahnprothesen beziehen. Ich glaube, wir wenden uns besser wieder dem Thema zu.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Lustiger wäre gewesen „aus Weisheitszähnen“!)

Wenn die Euro-Zone nun Deutschland weiter nacheifert und Exportüberschüsse anhäuft, drohen internationale Schuldenkrisen oder Strafzölle von Donald Trump, es sei denn, Sie wollen auf den Mars exportieren. Der Europäische Währungsfonds soll Schocks abfedern und Banken stützen. Die Euro-Rettung war ja eine Bankenrettung. Über 90 Prozent der Griechenland-Kredite flossen in den Schuldendienst, vor allem an deutsche und französische Banken. Die Deutsche Bank, laut IWF die gefährlichste Bank der Welt, hat weiter eine Bilanz, die so groß ist wie die italienische Volkswirtschaft. Sie wird daher vom Steuerzahler gerettet, wenn die Hütte brennt. Wer keine Transferunion will, liebe FDP, muss daher systemrelevante Banken wie die Deutsche Bank aufspalten und das Prinzip der Haftung durchsetzen. Wer keine Transferunion will, muss in Deutschland mehr investieren und die Exportüberschüsse abbauen, um neue Schuldenkrisen zu verhindern.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit dem Fiskalpakt und den Strukturreformen

(Otto Fricke [FDP]: Was hat denn das mit dem Antrag zu tun? – Christian Dürr [FDP]: Ich glaube, das soll überkleistern, dass Sie einer Meinung mit der AfD sind! Sagen Sie es doch einfach!)

– warten Sie ab, Geduld –, also Lohn- und Rentenkürzungen, vertiefen Sie Krisen und nehmen Euro-Staaten die Möglichkeit,

(Christian Dürr [FDP]: Sie sind der gleichen Auffassung wie die AfD!)

die Wirtschaft im Abschwung zu stützen, also das Instrument, das Deutschland 2009 erfolgreich angewandt hat.

(Otto Fricke [FDP]: Welche Wirtschaft ist denn im Abschwung?)

Ich sage nur: Abwrackprämie. Es soll aber Taschengeld vom EWF geben, wenn Löhne und Renten brav gekürzt werden und die Konjunktur hierdurch abschmiert. Das ist, als würde man einem Komapatienten eine Herzdruckmassage verpassen, ihm aber gleichzeitig Blut abnehmen. Fakt ist: Die EZB verfehlt permanent ihr Inflationsziel, weil die Löhne nicht vom Fleck kommen. Die Arbeitsmarktreformen haben die Geldpolitik kastriert.

(Otto Fricke [FDP]: Holla, die Waldfee!)

Es ist doch völlig verrückt, bei niedrigen Zinsen nicht mehr zu investieren. Wenn Staaten nicht investieren, landet das billige Geld der EZB auf den Finanzmärkten, nicht in der realen Wirtschaft, und neue Finanzblasen drohen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Europäischer Währungsfonds würde ja Sinn machen, wenn er öffentliche Investitionen in der Krise stabilisierte. Hätte der EWF eine Banklizenz, könnte er sich bei der EZB refinanzieren, der ja bereits die Staatsanleihen ausgehen, weil Deutschland zu wenig investiert. Ein EWF, der die Kürzungspolitik in Europa vertieft, wird die Euro-Zone nicht stabilisieren, sondern die europäische Idee zerstören. Deswegen, lieber Herr Kollege Kahrs, geht es nicht um die Frage, ob wir mehr oder weniger Europa wollen, sondern um die Frage, welches Europa wir wollen. Die Linke steht für ein Europa von Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Nächste Rednerin ist die Abgeordnete der Grünen Dr. Franziska Brantner.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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