Carl-Julius CronenbergFDP - Erleichterung von Betriebsratswahlen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor ein paar Tagen habe ich kurz überlegt, ob ich einen befreundeten Metallbauer aus dem Sauerland – er hat ungefähr 20 Mitarbeiter – anrufe und frage, ob er denn Union-Busting oder Betriebsratsbashing betreibt. Die Antwort konnte ich mir schon vorstellen: Union-Busting, was ist denn das? Hilft das gegen Fachkräftemangel?
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP – Bernd Rützel [SPD]: Dann ist das ein sehr guter Arbeitgeber!)
Ich finde das nicht so lustig. Wer pauschal Unternehmer des Bustings und Bashings verdächtigt, dem sich Betriebsräte und Beschäftigte wehrlos unterwerfen, der erklärt nicht die Arbeitswirklichkeit der Beschäftigten, sondern verleiht in Wahrheit seiner Geringschätzung von Unternehmern, Betriebsräten und Beschäftigten Ausdruck. Was ist denn das für ein Menschenbild?
(Beifall bei der FDP – Pascal Kober [FDP]: Genau so ist es!)
Wie sieht denn die Wirklichkeit in den kleinen inhabergeführten Betrieben aus? Brauchen Millionen Beschäftigte in Handwerk oder Gastronomie wirklich schärfere Regelungen zur Mitbestimmung?
Herr Kollege Cronenberg, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Krellmann?
Ja, Frau Krellmann.
(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Das ist ja originell! – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU], an die Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE] gewandt: Bei der AfD haben Sie sich nicht getraut!)
Sie ist sehr intensiv bei der Fragestellung.
Vielen Dank, Herr Cronenberg. – Das Problem ist: Ich bin bei diesem Thema immer so engagiert, weil ich als Gewerkschaftssekretärin viele Betriebsratswahlen selbst durchführen musste.
Ich möchte klarstellen: Ich weiß, dass es ganz viele Betriebsräte gibt, die richtig gute Arbeit machen. Aber ich weiß auch, dass es Betriebe gibt, in denen Betriebsräte große Schwierigkeiten haben. Ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von Betrieben nennen, in denen Betriebsräte, die sich einst engagiert haben, aufgegeben haben, ein Burn-out haben und krank geworden sind. Mir geht es darum, dass man schaut: Wo sind die Probleme in der Betriebsverfassung? Es geht nicht um die Stellen, an denen alles gut läuft – darüber muss man gar nicht reden –, sondern darum, dort, wo es nicht gut läuft, zu helfen.
Was mir fehlt und was scheinbar überhaupt nicht wahrgenommen wird, ist, dass nur 9 bzw. 10 Prozent der Betriebe in Deutschland überhaupt einen Betriebsrat haben. Umgekehrt: Es sind nur 43 Prozent der in Westdeutschland Beschäftigten und 34 Prozent der in Ostdeutschland Beschäftigten durch Betriebsräte geschützt. Da gibt es doch eine Mitbestimmungslücke. Es ist nicht so, dass nur wir Linke sagen: Das ist ganz problematisch. – Ich kann das alles sehr genau einschätzen. Ich weiß, dass es da tolle Sachen gibt. Darüber müssen wir nicht reden. Aber wir müssen über die Fälle reden, in denen die Leute Schwierigkeiten haben; denn das kann nicht sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Krellmann, Sie haben gerade einige Punkte erwähnt. Zunächst einmal: Ja, Missbrauch gibt es. Es gibt Missbrauch – so sind die Menschen nun einmal – aber auf beiden Seiten; auch das möchte ich hier einmal erwähnen. Ich habe auch Betriebsräte erlebt, die im Schutz der Privilegien, die sie genießen, durchaus zweifelhafte Dinge getan haben. Für Fälle, in denen Betriebsräte bei ihrer Arbeit gestört werden, gibt es die Einigungsstellen der Tarifpartner – das wissen Sie –, und die Arbeitsgerichte können auch angerufen werden. Die – unzureichenden – Gesetze sind nicht das Problem. Ich glaube, dass Ihre Annahmen zum Mitbestimmungsgrad, auch wenn sie statistisch stimmen, falsch sind, weil ein Betriebsrat in ganz kleinen Unternehmen mit 5 bis 20 Mitarbeitern oft nicht erforderlich ist. Da regeln die Mitarbeiter das untereinander.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Wenn Sie jetzt fordern, die Gesetze zu verschärfen, dann riskieren Sie – genau das ist mein Punkt –, dass Sie das Kind mit dem Bade ausschütten und auf Unternehmerseite wie auf Betriebsratsseite diejenigen bestrafen, die eigentlich eine gute Arbeit machen; denn sie würden die Kosten tragen.
(Beifall bei der FDP)
Ich sage Ihnen eines: Solange die Belegschaftsversammlung eines Betriebs in der Umkleidekabine einer Fußballmannschaft stattfinden kann, so lange sind mir kurze Dienstwege, direkte Gespräche und flexible Absprachen viel lieber als bürokratische Verfahren.
(Beifall bei der FDP)
In den größeren Unternehmen wird die überwiegende Zahl der Beschäftigten ohnehin durch Betriebsräte vertreten. Da sind wir schnell bei 60 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit über 50 Mitarbeitern und sogar bei über 90 Prozent in Betrieben mit über 500 Mitarbeitern.
Lassen Sie mich für die Freien Demokraten klarstellen: Wir begrüßen das ausdrücklich. Betriebsräte bündeln Interessen, ergänzen Absprachen der Tarifpartner und regeln betriebliche Belange. Als Gesprächspartner für die Geschäftsleitung auf Augenhöhe leisten sie – Kollege Rützel, Sie haben das gerade gesagt – einen wichtigen Beitrag für den Betriebsfrieden und den unternehmerischen Erfolg.
Betriebsräte müssen aber schon demokratisch legitimiert sein. Daher halte ich es nicht für sinnvoll, das vereinfachte Verfahren auf größere Betriebe auszuweiten. Arbeitgeber brauchen kompetente Verhandlungspartner, die den jeweiligen Betrieb genau kennen und die für dessen Beschäftigte sprechen. Einmischung oder Politisierung durch Gesamtbetriebsrat oder Gewerkschaft können da schädlich sein und liegen eben nicht im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Damit sind wir bei der Legende der natürlichen Feindschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Geschäftsleitung und Betriebsrat oft, ja sogar sehr oft die gleichen Interessen verfolgen, insbesondere bei standortsichernden Investitionen. Gerade diese Investitionen setzen Vertrauen der Kapitalgeber in Stabilität und sozialen Frieden voraus. In Ihrem Antrag aber stellen Sie die vertrauensvolle Zusammenarbeit gemäß § 2 Betriebsverfassungsgesetz infrage. Damit wollen Sie Misstrauen zur Regel machen. So gefährden Sie Investitionen und Arbeitsplätze. Das können wir nicht gutheißen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Gerade, am Sonntagabend, hatte Sahra Wagenknecht bei „Anne Will“ mehr Investitionen gefordert. Da sagt Ihre Vorsitzende mal etwas Vernünftiges, und Sie fallen ihr da in den Rücken!
Was fehlt in Ihrem Antrag? Das sind Konzepte für die Zukunft der Arbeit. Die Aufgabe muss lauten, die richtige Balance zu finden zwischen Chancen auf selbstbestimmte Arbeit einerseits und berechtigtem Schutzanspruch vor Missbrauch andererseits. Der Antrag ist in den Annahmen falsch, im Ton respektlos. Der Überweisung stimmen wir zu, Ihre Forderungen lehnen wir ab.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Cronenberg. Da es sich hier eingebürgert hat, Abgeordnete zu loben, die ihre Redezeit nicht ausschöpfen, lobe ich Sie, Herr Cronenberg, auch ausdrücklich, dass Sie uns 13 Sekunden zur Verfügung stellen.
Als Nächstes für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Beate Müller-Gemmeke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7210176 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 20 |
Tagesordnungspunkt | Erleichterung von Betriebsratswahlen |