17.05.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 33 / Einzelplan 06

Bernhard DaldrupSPD - Inneres, Bau und Heimat

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, auch auf ein paar andere Aspekte als nur auf das Thema innere Sicherheit einzugehen.

Städte sind steingewordene Gesellschaftspolitik. Aus ihren Grundrissen, aus ihren Strukturen kann man Wertordnungen ablesen.

Möglicherweise kennt der eine oder andere diesen Satz von Hans-Jochen Vogel. Er hat dies 1971 gesagt, und es ist heute noch gültig.

Stadtentwicklung und Kommunalpolitik erschöpfen sich eben nicht in Kubikmeter umbauten Raums. Städte sind der Mikrokosmos, in dem sich wie in einem Brennglas gesellschaftliche Veränderungen zeigen. Die Kernprobleme von damals sind auch heute noch unsere: Verkehrsinfarkt, Schwäche des Nahverkehrs, Wohnungsversorgung, explodierende Mieten und Grundstücksspekulation.

Heute kommen neue Aspekte dazu: Digitalisierung, auseinanderfallende Lebensbedingungen zwischen pros­perierenden und altindustriellen Regionen, gegensätzliche Milieus in den Städten – von Hipstern bis vermeintlichen Hinterwäldlern –, Bevölkerungswachstum in großen Städten, Leerstände in strukturschwachen Räumen und nicht zuletzt eine bunte Gesellschaft: sozial, ethnisch und kulturell verschieden.

Der Raumordnungsbericht ist voll mit solchen Beispielen, und zwar ganz frei von Hetze und Hass. Wir müssen diesen Sachverhalten Rechnung tragen. Ich bin sehr froh, dass sich diese Große Koalition systematisch und mit konkreten Fragestellungen um die Zukunft der Kommunen kümmert. Ich will damit auch sagen: Wir stehen an der Seite der Kommunen. Ich nenne dafür ein paar Beispiele:

Ich bin sehr froh, dass wir wieder einen Ausschuss für kommunalpolitische Fragen im Deutschen Bundestag haben, damit wir endlich die Herausforderungen der Kommunen in Zusammenhängen diskutieren können. Der Programmsatz der Koalitionsvereinbarungen „Wer bestellt, bezahlt“ ist ein Meilenstein, jedenfalls aus Sicht des Bundes, gegenüber den Kommunen. Wir stellen uns unserer Verantwortung.

Ich bin sehr froh darüber, dass wir eine Kommission gebildet haben, die grundlegende Fragen gleichwertiger Lebensverhältnisse thematisiert, unter anderem auch den Abbau der drückenden kommunalen Altschulden. Es geht um ganz Handfestes, nämlich um die Frage, wie Menschen eine bezahlbare Wohnung finden, wie sie einen guten öffentlichen Nahverkehr nutzen können, wie sie gute Schulen und Kitas finden.

Damit wir zeitnah helfen können, wollen wir das Grundgesetz ändern. Wir schaffen das Kooperationsverbot ab, damit der Bund den Kommunen bei der Bildung schnell und zeitnah helfen kann. Wir verdreifachen die Mittel für den Nahverkehr auf 1 Milliarde Euro jährlich. Und schließlich wollen wir, dass das Geld für den sozialen Wohnungsbau auch genau dafür eingesetzt wird. 2 Milliarden Euro geben wir obendrauf.

Übrigens, hätten die Länder in Bezug auf die Entflechtungsmittel immer ihrer Verantwortung entsprochen, gäbe es heute möglicherweise 100 000 bis 200 000 Sozialwohnungen mehr.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wer das kritisiert, kann gerne bei den jeweiligen Landesregierungen nachfragen, egal ob es im schwarz-grünen Hessen oder im grün-schwarzen Baden-Württemberg oder sonst wo ist. Es wäre also gut, wenn es uns gelänge, gemeinsam das Grundgesetz zu ändern, um diesen Fragen Rechnung zu tragen.

Unsere Maßnahmen zielen auf die Lebensqualität in den Städten und Dörfern. Wir wollen Ortskerne auch in ländlichen Regionen revitalisieren und auch dort Baulücken schließen. Wie notwendig es ist, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, hat Herr Lischka gerade eben – nicht als Opposition, sondern als Anreicherung, glaube ich – deutlich zum Ausdruck gebracht.

Über viele Jahre war die Sicherung und Schaffung von ausreichendem und bezahlbarem Wohnraum kein Thema. Seit einigen Jahren ist es das, und heute ist es die zentrale soziale Frage. Wir reagieren darauf mit einer Wohnraum­initiative: Wir schaffen 1,5 Millionen neue Wohnungen bzw. die Voraussetzungen dafür. Wir investieren 2 Milliarden Euro mehr für den Bau von Sozialwohnungen. Wir wollen die Baulandmobilisierung verbessern und der Bodenspekulation steuerlich entgegenwirken. Herr Ruppert, wenn Sie möchten, dann können Sie die Grunderwerbsteuer in Nordrhein-Westfalen, so wie Sie es versprochen haben, senken. Wir machen es jedenfalls nur dann, wenn sich auch große Immobilienunternehmen der Grunderwerbsteuer nicht durch Vertragsgestaltungen wie beispielsweise Share Deals entziehen.

(Beifall bei der SPD)

Zur Baulandmobilisierung gehört auch, dass die bundeseigenen Grundstücke den Kommunen von der Bundesimmobilienanstalt kostengünstig und nicht zu Höchstpreisen überlassen werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört auch, zu klären, ob bereits aufgegebene Kasernenstandorte dem Wohnungsmarkt jetzt möglicherweise doch nicht zur Verfügung gestellt werden sollen. Herr Minister, ich habe die Bitte, dass Sie mit den Kollegen im Kabinett für Klarheit sorgen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem Baukindergeld unterstützen wir junge Familien. Wir wollen fördern, aber wir wollen keine Fehlanreize geben. Darauf werden wir sicherlich achten müssen. Wir fördern den privaten Wohnungsbau mit einer steuerlichen Förderung; wohlgemerkt: nicht irgendwie, sondern im bezahlbaren Mietpreissegment.

In Verbindung mit Städtebauförderung und Dorferneuerung wirken die Maßnahmen ebenso in ländlichen Räumen wie auch in Ballungsgebieten. Sie entlasten damit auch die Wohnungsmärkte in städtischen Zentren. Das ist, glaube ich, wichtig. Um dort die Mietenspiralen zu bremsen, werden wir die Umlage von Modernisierungskosten begrenzen, die Mietpreisbremse verschärfen und eine Kappungsgrenze nach Modernisierungen einführen. Wir wollen Mieter nicht aus ihrem Zuhause herausmodernisieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin dem Kollegen Gerster sehr dankbar, dass er auf die Notwendigkeit der Anpassung des Wohngeldes hingewiesen hat.

Um gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen, ist ein bundesweites Glasfasernetz nötig. Ich freue mich sehr über den Beschluss des Kabinetts, dass der Bund zur Förderung des Breitbandausbaus jetzt zusätzlich 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung stellen wird, weil die jüngsten Ergebnisse der Steuerschätzung dies ermöglichen. Das ist gut so. Vielen Dank an den Bundesfinanzminister Olaf Scholz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen auch bessere Chancen für strukturschwache Regionen. Ein gesamtdeutsches Fördersystem soll Wachstum und Arbeit nach Bedarf fördern und nicht nach Himmelsrichtungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir machen eine fortschrittliche Politik für bessere Lebensverhältnisse in Städten, Dörfern und Regionen. Heimat ist für uns keine rückwärtsgewandte Heimattümelei. Es ist auch kein Kampfbegriff gegen Modernisierung und Aufklärung. Es ist schon gar nicht ein Begriff, der sozusagen für reaktionäre Sprachkonditorei in Anspruch genommen werden kann.

Wir gestalten Heimat als einen Ort, an dem Menschen gerne leben, wo sie sich wohlfühlen und wo sie zu Hause sind: auf dem Dorf, im Quartier, im Viertel, im Kiez oder auf dem Kiez, wie die Hamburger sagen. Mir gefällt es jedenfalls, wenn unser Bundespräsident sagt:

... Heimat weist in die Zukunft ... Heimat ist der Ort, den wir als Gesellschaft erst schaffen.

Daran arbeiten wir.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nächster Redner ist der Kollege Ulrich Lange, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7227450
Wahlperiode 19
Sitzung 33
Tagesordnungspunkt Inneres, Bau und Heimat
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine