07.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 36 / Zusatzpunkt 3

Manuel HöferlinFDP - Aktuelle Stunde zu den Auswirkungen der Datenschutz-Grundverordnung

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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Vor allem an meine geschätzten Kollegen der SPD und Union: Guten Morgen! Sind Sie auch wach? Sie haben leider zwei Jahre geschlafen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Saskia Esken [SPD]: Und du? – Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Sie haben vier Jahre geschlafen!)

Was haben Sie verpasst in den zwei Jahren? Sie haben es verpasst, die Möglichkeiten der Nationalstaaten im Hinblick auf die Datenschutz-Grundverordnung zu nutzen und die Regelungen so anzupassen, dass sie nicht so wirken, wie sie das tun.

(Beifall bei der FDP)

Es hat von Ihnen vielleicht niemand bemerkt: Ein Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz kann man nicht einfach im Schlaf machen. Vielmehr führt das Gesetz im Kern jetzt dazu, dass Konzerne wie Facebook sich über eine Datenschutzerklärung eine Einwilligung für Gesichtserkennung und alles Mögliche holen und Tante Traudels Rezepteblog vom Netz genommen wird, weil die Betreiber Angst vor Abmahnschreiben haben.

(Ulrich Kelber [SPD]: Was hat das mit dem nationalen Gesetz zu tun?)

Das ist der Punkt: Die Daten sind kein Stück sicherer geworden. Meine Daten sind nicht sicherer vor Schufa, vor Beitragsservice, vor Geheimdiensten; aber die Homepage des örtlichen Sportvereins muss am Ende vielleicht einpacken,

(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Weil?)

weil dieser Sportverein jetzt plötzlich Angst haben muss, ein Abmahnschreiben zu bekommen.

(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Davor musste der vorher auch schon Angst haben! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Davor muss der Sportverein keine Angst haben! – Axel Müller [CDU/CSU]: Sie waren im Tiefschlaf! – Zuruf von der SPD: Sie haben doch zugestimmt!)

– Frau Kollegin, ich kann dem nicht zugestimmt haben; denn wir waren vor zwei Jahren gar nicht im Parlament vertreten. Übrigens: Sie auch nicht.

(Beifall bei der FDP)

Privatleute, Handwerker, Freiberufler schauen sehnsüchtig zu den österreichischen Nachbarn,

(Zurufe der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

die nämlich die Öffnungsklausel der Datenschutz-Grundverordnung genutzt haben. Das war genau die Aufgabe für Sie in der Großen Koalition – auch in der letzten Legislatur –, diese zum Wohle der Unternehmen und der kleinen Vereine zu nutzen; und das haben Sie sträflich vernachlässigt.

(Beifall bei der FDP)

Stattdessen könnte – Staatssekretär Mayer sprach von Abmahnunwesen; ich sage es mal so – eine Abmahnwelle drohen. Die ersten Abmahnungen sind am 25. Mai bereits eingegangen.

(Saskia Esken [SPD]: Wie viele waren es?)

Ich bin mal gespannt, wie viele es werden. Auf jeden Fall führt es zumindest zu einem großen Drohpotenzial in diesem Bereich.

Um fair zu bleiben: Es ist Ihnen ja selbst unangenehm. Sie wollen hektisch jetzt schnell versuchen, die Fehler auszubügeln. Aber erstens kommen die Vorschläge, die Sie jetzt machen, zu spät – das hätte man in den letzten zwei Jahren machen müssen –,

(Ulrich Kelber [SPD]: Ihre Ausführungen sind falsch! Viel schlimmer!)

zweitens gehen sie nicht weit genug, und drittens – das ist mal wieder spannend – sind sie auch in der Koalition noch nicht abgestimmt. Sie führen wieder über die Medien aus, was Sie besser in den letzten zwei Jahren in einem gemeinsamen Gespräch hätten klären können – und müssen. Es ist ja nicht so, dass Sie erst seit kurzem als Koalition hier säßen. Ich habe in einem Vortrag gehört: Na ja, das hätte alles so lange gedauert, weil die Koalitionsverhandlungen und die Regierungsbildung so lange gedauert hätten. Sie bilden aber nicht seit zwei Jahren diese Regierung, und Sie haben genug Zeit gehabt, das zu machen.

(Beifall bei der FDP)

Vielleicht hätten Sie einfach einmal ein Gespräch auch mit Ihren Kollegen im Europäischen Parlament führen sollen; denn soweit ich informiert bin, stellen Sie im Europäischen Parlament eine ganze Menge Abgeordnete. Es hätte nicht geschadet, und es wäre uns vielleicht viel erspart geblieben.

Lassen Sie mich fünf Punkte nennen, die uns jetzt, nach vorne schauend, weiterhelfen würden; denn es hilft am Ende doch nichts, wenn wir darauf herumreiten, was Sie zwei Jahre lang alles verpatzt haben.

Erstens: die Abmahnwelle stoppen. Es geht um den Schutz von Personen. Es geht nicht darum, dass jemand aus der Abmahnbranche einen Brief schreiben kann, um bei einem relativ hoch festgesetzten Streitwert eine Abmahnpauschale zu erhalten. Also geht es darum, ganz schnell das zu tun, was in Österreich gemacht wurde, nämlich das Abmahnwesen

(Saskia Esken [SPD]: Abmahnunwesen!)

in diesem Bereich einzudämmen. Das muss unbedingt sofort geschehen – und zwar dauerhaft.

(Beifall bei der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Die FDP ist doch bisher immer gegen Änderungen in diesem Bereich!)

Zweitens. Wir sollten die Spielräume der Öffnungsklauseln der Datenschutz-Grundverordnung jetzt nutzen, und zwar ohne den Datenschutz zu verwässern. Das geht; unsere Nachbarländer machen das vor. Der Datenschutz dient in erster Linie den Menschen; ich will nicht die Daten schützen, ich will die Rechte der Menschen schützen. Es darf auch kein Selbstzweck sein, was dort geschieht. Ein Konzern darf nicht genauso behandelt werden wie der Verein vor Ort mit lauter Ehrenamtlern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Hansjörg Müller [AfD])

Drittens: eine Auslegung von Rechtsunklarheiten durch den EuGH forcieren. Auch das müssen wir schnell machen; denn es gibt Rechtsunklarheiten in der Datenschutz-Grundverordnung. Diese sollten dem EuGH möglichst schnell vorgelegt werden, damit Klarheit entsteht. Auch die europäische Datenschutzinstitution kann das tun. Es kann nicht sein, dass zusätzlich zu den sechzehn Rechtsauffassungen zur Auslegung in Deutschland noch weitere hinzukommen; denn der Vorteil einer Datenschutz-Grundverordnung ist ja das einheitliche Datenschutzniveau in Europa.

Viertens. Aufsichtsbehörden sollten finanziell und personell hinreichend ausgestattet sein. Was ich vom Parlamentarischen Staatssekretär Mayer dazu gehört habe, freut mich. Ich habe Sie so verstanden, dass die Stiftung Datenschutz im nächsten Haushalt finanziell unterstützt wird. Darüber freue ich mich besonders; denn das ist auch uns ein großes Anliegen.

(Saskia Esken [SPD]: Was ist denn das für eine Aufsichtsbehörde?)

– Ja, die Aufsichtsbehörden in den Ländern kriegen das vielleicht auch über deren Haushalte hin.

Fünftens –

Das muss ein kurzes „Fünftens“ sein – sehr kurz.

– ja, genau –: eine Gesamtstrategie für das Datenrecht der Zukunft. Denn viele Fragen sind in der Datenschutz-Grundverordnung nicht verhandelt und werden uns über Jahre hinweg noch vor viele Aufgaben stellen. Lassen Sie uns jetzt damit anfangen und nicht zwei weitere Jahre schlafen!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Höferlin. – Nächste Rednerin: Saskia Esken für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7243262
Wahlperiode 19
Sitzung 36
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Auswirkungen der Datenschutz-Grundverordnung
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