Thomas LutzeDIE LINKE - Sparsamkeit bei dem mehrjährigen EU-Finanzrahmen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich gibt es viele Gründe zur Kritik am EU-Haushalt und den entsprechenden Vorschlägen der Kommission. Als Erstes wäre hier ein Hauptproblem zu nennen: die schwache demokratische Kontrolle.
Die wichtigste Reform wäre daher eine echte Stärkung des Parlaments durch Initiativrecht mit echten Kontrollmöglichkeiten gegenüber der EU-Kommission und vor allen Dingen durch eine vollumfängliche Haushaltskontrolle. Solange das nicht gewährleistet ist, ist das Thema Eigenmittel zumindest sehr schwierig.
Nichtsdestotrotz ist unbestreitbar, dass die EU gerade vor großen Herausforderungen steht, deren Bewältigung nicht ohne entsprechende Finanzmittel zu haben ist. Ohne öffentliche Investitionen der EU wird sich die Währungsunion nicht stabilisieren lassen. Ohne finanzielle Unterstützung werden strukturschwache Regionen nur weiter abgehängt. Ohne Investitionen in erneuerbare Energien lässt sich kein Beitrag für den Klimaschutz leisten, und ohne ein EU-Budget ist auch kein gemeinsamer Grenzschutz möglich, verehrte Kolleginnen und Kollegen der sogenannten AfD. Angesichts dieser und anderer Herausforderungen und der Lücke, die der Brexit im Haushalt hinterlässt, ist es vollkommen unvernünftig, sich einfach pauschal gegen zusätzliche EU-Mittel auszusprechen, weil man gegen Europa ist und meint, dass Deutschland allein alles viel besser kann.
Ihr Nettozahlerdiskurs ist doch vollkommener Humbug. Bei den Agrarmitteln können Sie noch ausrechnen, wer etwas einzahlt und wer etwas herausbekommt. Aber bei den gemeinsamen Ausgaben wie zum Beispiel beim Grenzschutz, bei Forschungsinvestitionen oder in der Entwicklungshilfe lässt sich das überhaupt nicht mehr abgrenzen. Außerdem wird da nie berücksichtigt, dass kaum eine andere Volkswirtschaft wie die deutsche so sehr vom EU-Binnenmarkt profitiert. Im Übrigen sind die vorgeschlagenen EU-Steuern nicht nur sinnvoll, weil die EU-Politik finanziert werden muss, immer unter der Voraussetzung, dass die Mittelverwendung anständig demokratisch kontrolliert wird. Sie sind auch von der Art her sinnvoll. Während wir in Deutschland jede Menge Steuern erheben, bei denen man sich fragen muss, ob die noch sein müssen – zum Beispiel gibt es nach wie vor eine Salzsteuer und eine Tanzsteuer –, zeichnen sich die Vorschläge zu EU-Steuern durch eine sinnvolle Lenkungswirkung aus. Im Zentrum der Debatte steht gerade die Plastiksteuer. EU-Kritik hin oder her, Gott sei Dank tut sich jetzt endlich etwas auf diesem Gebiet. Die Recyclingquote liegt gerade einmal bei 9 Prozent. Eine UN-Untersuchung hat gezeigt, dass wir nach dem aktuellen Trend 2050 mehr Plastik als Fische in den Meeren haben. Glauben Sie, dass wir das mit nationalen Alleingängen in den Griff bekommen? Wohl kaum!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auch andere Vorschläge für EU-Steuern sind nach ihrer Art sinnvoll und im nationalen Rahmen schwer umzusetzen, beispielsweise eine Digitalsteuer, durch die auch transnationale Onlineunternehmen ihren Beitrag zur Finanzierung des öffentlichen Lebens leisten sollen. Weiter zu nennen wäre die Harmonisierung der Körperschaftsteuer, damit große Unternehmen Staaten nicht gegeneinander ausspielen können. Oder: Die gute, alte Finanztransaktionsteuer sollte wieder auf den Tisch,
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
vor allen Dingen wenn mit Großbritannien der größte Blockierer raus ist. Die Besteuerung spekulativer Finanzmarktgeschäfte muss in der EU vorangetrieben werden. Auch bei der Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerhinterziehung müssen wir endlich mehr auf europäischer Ebene machen. Die kleine, konsequenzlose Steueroasenliste der Kommission ist doch ein Witz. Wir dulden sogar Steueroasen in der EU. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass Steuerflucht entschieden und europäisch koordiniert bekämpft wird. Steuerflüchtlinge sind mit Abstand die teuersten Flüchtlinge in unserer Gesellschaft.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Fazit: Wir brauchen ausreichende Mittel auf EU-Ebene. Wir brauchen einheitliche Steuern mit einer funktionierenden Lenkungswirkung. Und wir brauchen ein EU-Parlament mit echten und demokratischen Kontrollfunktionen.
Glück auf!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Lutze. – Nächste Rednerin: Dr. Franziska Brantner für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Christian Petry [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7243619 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 37 |
Tagesordnungspunkt | Sparsamkeit bei dem mehrjährigen EU-Finanzrahmen |