Katja SudingFDP - Zukunftsfähigkeit Deutschlands - Bildung und Forschung
Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Dauerstreit zwischen den Unionsschwesterparteien hat die politische Arbeit der Bundesregierung merklich gelähmt. Eine erste Bilanz nach 100 Tagen zeigt deutlich, dass die Neuauflage einer schwarz-roten Koalition keinen Gestaltungswillen hat, unser Land in drängenden Zukunftsfragen voranzubringen.
(Beifall bei der FDP)
Eigentlich hätte sie der nationale Bildungsbericht, der letzte Woche vorgestellt wurde, doch endlich wachrütteln müssen. Er stellt dem deutschen Bildungssystem ein blamables Zeugnis aus. Wer aus einem Nichtakademikerhaushalt stammt, hat inzwischen noch deutlich schlechtere Chancen als noch vor wenigen Jahren. Auch die Ungleichheit zwischen den Regionen nimmt deutlich zu. Die Herkunft – sei es aus dem Elternhaus oder Bundesland – bestimmt stärker die Zukunftschancen unserer Kinder, und das immer mehr. Das dürfen wir nicht länger akzeptieren. Hier muss dringend gehandelt werden.
(Beifall bei der FDP)
Die Bundesregierung hat sich nun auf den Weg gemacht, das Grundgesetz ein weiteres Mal zu ändern und das sogenannte Kooperationsverbot im Bildungsbereich weiter abzuschwächen. Das finden wir grundsätzlich richtig. Vergessen Sie aber eines nicht: Sie haben gar keine eigene Mehrheit für die Grundgesetzänderung. Ich gehe davon aus, dass Sie bei der Suche nach Unterstützung auf die Stimmen der FDP nicht verzichten wollen. Deshalb sollten Sie genau zuhören, welche Vorstellungen wir haben.
Mit der vom Kabinett beschlossenen Vorlage verpassen Sie die Chance auf eine umfassende Reform des Bildungsföderalismus. Wir brauchen auf jeden Fall bundesweit einheitliche und sehr ambitionierte Bildungsstandards für mehr Qualität,
(Beifall bei der FDP)
damit alle Kinder unabhängig von ihrem Wohnort die gleichen Bildungschancen haben, damit ein Umzug in ein anderes Bundesland keine Katastrophe mehr für Familien mit schulpflichtigen Kindern ist. Dafür hat heute keiner mehr Verständnis.
(Beifall bei der FDP)
Ebenfalls hat niemand mehr Verständnis dafür, dass der seit 2018 vollmundig angekündigte DigitalPakt immer noch nicht da ist. Das digitale Lernen bietet riesige Chancen für unsere Kinder, gerade auch für Kinder aus bildungsfernen Familien. Schüler können in ihrem eigenen Tempo lernen. Eine Schülerin kann schon Zusatzaufgaben rechnen, während ihr Mitschüler mit individueller Unterstützung die Pflichtaufgaben löst. Bei Hausaufgaben bekommt jeder Schüler Hilfe von einem digitalen Tutor, der Wissenslücken schließen kann. Lehrer werden durch kluge Programme von Routine- und Verwaltungsaufgaben entlastet, um sich stärker auf Bildung und Erziehung konzentrieren zu können.
In anderen Ländern ist das längst Realität. Aber in Deutschland fehlt die Technik. Das wäre Ihr Job, Frau Ministerin. – Wo ist sie? Sie scheint gar nicht da zu sein.
(Beifall bei der FDP – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerade ist ein Staatssekretär gekommen!)
Frau Ministerin – vielleicht richtet man es ihr ja aus –, Sie haben die Schulen noch nicht einmal ans Breitband angeschlossen. 90 Prozent der Schulen in Deutschland verfügen nicht über schnelles Internet. Gerade einmal 3 Prozent haben einen entsprechenden Förderbescheid aus dem Bundesverkehrsministerium erhalten.
Das Bundesförderprogramm für den Breitbandausbau, auf das die Bildungsministerin im Ausschuss verwiesen hat, sieht eine Förderung einzelner Schulen gar nicht vor. Schlimmer noch: Für das Programm können derzeit überhaupt keine Anträge gestellt werden.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Dafür können sehr wohl Anträge gestellt werden! Was Sie sagen, ist völlig falsch!)
Frau Karliczek sollte sich hier dringend einmal mit ihrem Kollegen Scheuer auseinandersetzen und sich informieren lassen.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sie sind nicht informiert! Vollkommen falsch die Aussage!)
Auch an dieser Stelle herrscht wirkliches Chaos.
(Beifall bei der FDP)
Die berufsbildenden Schulen sind häufig technisch noch weit schlechter ausgestattet als die allgemeinbildenden Schulen. Sie sind daher besonders auf baldige Investitionen aus dem DigitalPakt angewiesen.
Die duale Berufsausbildung in Deutschland ist zwar ein Erfolgsrezept. Man muss sich aber fragen, wie lange das noch der Fall sein wird. In den Unternehmen arbeiten die Auszubildenden mit der neuesten Technik. In den Berufsschulen ist die Technik hingegen hoffnungslos veraltet. Wie wollen Sie die Jugendlichen damit auf den Arbeitsmarkt von morgen vorbereiten? Das funktioniert so nicht.
Hören Sie auf, die berufliche Bildung in höchsten Tönen zu loben und gleichzeitig die berufsbildenden Schulen kaputtzusparen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP – Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Lesen Sie einmal den Koalitionsvertrag!)
Die Digitalisierung verändert unsere Berufswelt immer schneller. Kein Beruf bleibt so, wie er ist. Etliche verschwinden; andere entstehen neu. Kaum jemand wird künftig ein Leben lang nur einen einzigen Beruf ausüben.
Es ist gut, dass wir uns in einer Enquete-Kommission zu diesem Thema Gedanken machen. Eine Kommission ersetzt aber kein politisches Handeln.
Und die Zeit drängt, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Der Wandel auf dem Arbeitsmarkt hat längst eingesetzt. Viele Arbeitnehmer sind verunsichert; sie haben Angst. Das, was sie gelernt haben, reicht morgen womöglich nicht mehr aus.
Die Menschen wollen aber keinen sozialen Arbeitsmarkt à la Hubertus Heil. Sie wollen nicht die Aussicht auf einen subventionierten Arbeitsplatz, wenn sie nur lange genug arbeitslos sind. Die Menschen wollen auf eigenen Beinen stehen. Sie wollen sich weiterbilden und fit für einen funktionierenden ersten Arbeitsmarkt bleiben.
(Beifall bei der FDP)
Wir können die Digitalisierung nicht aufhalten. Aber wir können die Chancen nutzen, die sie uns bietet. Das ist die Wahl, vor der wir stehen. Ohne Kenntnisse in IT geht fast gar nichts mehr.
Lebenslanges Lernen ist deshalb wichtiger als jemals zuvor. Aber die Arbeitnehmer stehen vor zahlreichen Fragen: Welche Zusatzqualifikationen brauche ich? Welche Abschlüsse erkennen die Arbeitgeber an? Wovon soll ich die Weiterbildung finanzieren? – Das ist ein Buch mit sieben Siegeln, das keiner mehr versteht.
Wir brauchen daher ein Zertifizierungssystem, das Klarheit über die Angebote schafft. Wir brauchen Bildungssparen und Bildungsgutscheine, um Weiterbildung finanzierbar zu machen.
(Beifall bei der FDP)
Deutschland braucht aber noch mehr für seine Zukunftsfähigkeit. Wer glaubt, unser Wohlstand sei mit kleinen Schritten von Innovation aufgebaut worden, der irrt. Immer schon haben nur große Sprünge zu großem Wohlstand geführt. Die Eisenbahn, chemische Farben und das Automobil haben die deutsche Wirtschaft an die Weltspitze katapultiert. Die Politik muss deshalb Innovationen fördern.
Die Ministerin für Bildung und Forschung aber hat beim Forschungsgipfel zugegeben, künstliche Intelligenz bereite ihr Angst. Meine Damen und Herren, künstliche Intelligenz bereitet unserer Forschungsministerin Angst. Da, wo Visionen und Mut gefragt werden, da verfällt die Regierung in Angststarre.
(Beifall bei der FDP)
Wenn Sie aber schon Angst haben, dann sollten Sie vor etwas ganz anderem Angst haben: Deutschland verliert bei der künstlichen Intelligenz den Anschluss. 50 KI-Unternehmer haben kürzlich einen Brandbrief an die Bundesregierung geschrieben. Ihre Botschaft: Wenn wir nicht endlich Tempo machen, ist Deutschland innerhalb weniger Jahre nicht mehr wettbewerbsfähig. – Das ist der Albtraum, der Sie nachts wachhalten muss.
Meine Damen und Herren, die Welt wartet nicht auf Deutschland. Deutschland muss zukunftsfähig sein. Weltbeste Bildung und beste Bedingungen für Forscher und Gründer dürfen nicht länger Zukunftsmusik sein. Lassen Sie uns die Zukunft heute beginnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7249487 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 43 |
Tagesordnungspunkt | Zukunftsfähigkeit Deutschlands - Bildung und Forschung |