Katarina Barley - Justiz und Verbraucherschutz
Schönen guten Morgen, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wir beraten jetzt den Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.
Ein Moment, Frau Ministerin. Ich würde gerne den Kolleginnen und Kollegen empfehlen, den erforderlichen Platztausch schnell vorzunehmen.
Das soll dann aber nicht von meiner Redezeit abgehen.
Keine Sorge. – Ich bitte zunächst die Kolleginnen und Kollegen, den notwendigen Platztausch schnell vorzunehmen, damit wir dann anschließend mit ungeteilter Aufmerksamkeit den Ausführungen der Bundesministerin folgen können. Wenn Sie das bitte auch zügig machen.
Frau Bundesministerin, dann erteile ich Ihnen jetzt das Wort, und die Uhr beginnt von neuem zu laufen. Im Übrigen haben die Mitglieder der Bundesregierung nach dem Grundgesetz jederzeit Rederecht.
Das weiß ich, aber ich möchte nicht, dass Sie meine Redezeit nachher der Fraktion abziehen. Deswegen weise ich darauf hin.
Das würde ich doch niemals tun.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Das haben wir zu Protokoll genommen!)
Das ist schön.
Es geht um den Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, und wir können ganz klar für uns in Anspruch nehmen, dass wir das Effizienzministerium sind. Jeder Euro, der in dieses Ministerium investiert wird, refinanziert sich zu 65 Prozent; also 65 Cent fließen zurück. So effizient ist kein anderes Haus.
Das hat vor allen Dingen mit der ausgezeichneten Arbeit des Deutschen Patent- und Markenamtes zu tun, das ganz wesentlich dafür verantwortlich ist, dass unser Forschungsstandort so stark ist, wie er ist. Wir schaffen in diesem Haushalt für dieses wichtige Amt 100 zusätzliche Stellen. Wenn Sie dem zustimmen – wofür ich sehr werbe; das ist wirklich wichtig; denn die Aufgaben werden komplizierter, und die Technik entwickelt sich weiter; das ist im Interesse aller –, danke ich Ihnen schon jetzt für die Einrichtung dieser Stellen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir sind allerdings auch in einer anderen Hinsicht Effizienzministerium. Denn wir haben schon in diesen knapp sechs Monaten, die wir nun in der Regierung sind, drei große und wichtige Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht. Sie erinnern sich: Das erste Gesetz, das hier verabschiedet wurde, war die Eine-für-alle-Klage, die Musterfeststellungsklage. Das Gesetzgebungsverfahren ist bereits abgeschlossen.
Gestern hat eine Pressekonferenz von Verbraucherzentrale Bundesverband und ADAC stattgefunden, die dafür werben, dass zum 1. November die Musterfeststellungsklage in Sachen Diesel-Gate gegen VW Fahrt aufnimmt. Dort wird sich zeigen, dass wir für die Geschädigten einen Rechtsweg eröffnet haben, den sie bisher nicht hatten – kostenfrei, risikofrei und hoffentlich auch schnell und effizient.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der zweite große Bereich betrifft die Mieterinnen und Mieter. Das Kabinett hat das Vorhaben bereits gebilligt, wie Sie wissen. Sie kennen alle die aktuelle Situation auf den Wohnungsmärkten, vor allen Dingen in den Ballungsräumen und in den Universitätsstädten. Sie wissen so gut wie ich, dass man mittlerweile als Normalverdiener, als Krankenpfleger oder Polizistin, wirklich Probleme hat, eine bezahlbare Wohnung zu finden, vor allen Dingen dann, wenn man Familie hat.
Wir haben im Koalitionsvertrag beschlossen, dass wir Mieterinnen und Mieter stärken werden,
(Victor Perli [DIE LINKE]: Völlig unzureichend!)
und das tun wir. Es ist mir wichtig, zu sagen, dass dieses Gesetz nur ein Baustein in dem ganzen großen Komplex Wohnen, Bauen, Mieten ist. Denn natürlich – da muss man auch Erwartungsmanagement betreiben –: Dieses Mieterschutzgesetz dient dazu, die weitere Explosion von Mieten zu verhindern.
Mieten zu senken und mehr Wohnraum zu schaffen: Das tun andere Maßnahmen. Der Kollege Seehofer hat einige davon heute Morgen bereits benannt. Ich will aber auch den Kollegen Finanzminister Olaf Scholz nennen, der seinen Teil dazu beiträgt, zum Beispiel, indem die Bundesliegenschaften, die Grundstücke in Bundeseigentum, zukünftig günstiger abgegeben werden können, wenn dort bezahlbarer Wohnraum entsteht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist also insgesamt ein Paket. Man kann zwar sagen, das ist noch nicht genug – da bin ich durchaus dabei –, aber es ist ein sehr, sehr wichtiger Schritt. Denn dieses Mieterschutzgesetz hat drei Komponenten. Die erste ist: Wir machen die Mietpreisbremse wirksamer, indem wir von den Mieterinnen und Mietern nur noch verlangen, dass sie eine überhöhte Miete rügen. Sie müssen nicht mehr genau darlegen, worauf sie sich beziehen.
Auf der anderen Seite müssen die Vermieterinnen und Vermieter, wenn sie eine Miete verlangen wollen, die über der Mietpreisbremse liegt, begründen, warum. Bisher müssen sich immer nur die Mieterinnen und Mieter nackig machen, wie ich das nenne. Sie müssen ihre Verdienstbescheinigung, Bürgschaften usw. vorlegen. Jetzt erlegen wir den Vermietern eine Kleinigkeit auf, nämlich dass sie sagen, warum die Miete höher ist, als sie nach der Mietpreisbremse sein müsste. Es gibt sicherlich Ausnahmetatbestände. Übrigens, Herr Kießling, Neubauten gehören dazu. Die Mietpreisbremse hindert also niemanden daran, neuen Wohnraum zu schaffen; denn die Mietpreisbremse gilt dafür nicht. Sie ist kein Hemmnis für Investitionen. Aber die Mietpreisbremse zwingt die Vermieterinnen und Vermieter, sich bei Neuvermietungen an die Vorgaben zu halten, und schafft für Mieterinnen und Mieter ein wirksames Werkzeug, um sich gegen zu hohe Mieten zu wehren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?
Gerne.
Danke, Frau Barley, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade Ausführungen zur Mietpreisbremse gemacht. Leider läuft die Mietpreisbremse in Städten wie München, Berlin, Hamburg, Stuttgart und Tübingen in den nächsten zwei Jahren aus. Die Mietpreisbremse wurde ja in der letzten Legislaturperiode auf fünf Jahre befristet. Was sagen Sie nun den Mieterinnen und Mietern, wenn in zwei Jahren die Mietpreisbremse ausläuft und sie damit bei Neuvertragsmieten wieder dem freien Spiel der Wohnungsmärkte in den betreffenden Städten ausgeliefert sind?
Ich sage diesen Mieterinnen und Mietern, dass wir uns natürlich dafür einsetzen, dass die Mietpreisbremse weiterhin gilt; das ist auch meine Position. Dafür werden wir kämpfen und streiten. Das haben Sie der Position der SPD sicherlich auch entnommen. Aber es kommt vor allen Dingen auch sehr stark auf die Landesregierungen an. Da machen mir insbesondere die Landesregierungen in Schleswig-Holstein, wo die Grünen beteiligt sind, und Nordrhein-Westfalen große Sorgen, die gerade anfangen, die Zwischenschritte, die auf Landesebene nötig sind, zu torpedieren. Ich bitte Sie also sehr herzlich, auf Ihre Kolleginnen und Kollegen vor allen Dingen in Schleswig-Holstein so Einfluss zu nehmen, dass der Mieterschutz dort nicht zurückgefahren wird.
(Beifall bei der SPD)
Ein weiterer Punkt beim Mieterschutzgesetz betrifft die Modernisierungsumlage. In Zukunft dürfen weniger Modernisierungskosten auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden. Des Weiteren gehen wir gegen das geradezu gewaltsame bzw. schikanöse Herausmodernisieren von alteingesessenen Mieterinnen und Mietern aus ihren Wohnungen vor. Es ist also insgesamt ein sehr gutes Paket.
Schließlich haben wir in dieser Woche den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs in die Verbände- und Länderanhörung eingebracht. Das war eine Priorisierung durch den Deutschen Bundestag. Das sage ich nur deswegen, weil ich später ganz bestimmt zu hören bekomme, was ich noch alles im letzten halben Jahr hätte machen müssen. Wie gesagt, es war eine Prioritätensetzung durch den Deutschen Bundestag. Ich habe diese natürlich akzeptiert, und wir sind ihr nachgekommen. Bei diesem Gesetz geht es vor allen Dingen um das Eindämmen von Abmahnungen, die aufgrund beispielsweise kleiner Verfehlungen im Impressum oder in irgendwelchen Erklärungen ausgesprochen werden. Das gilt übrigens für alle Bereiche, auch für Datenschutzverstöße. Das werden wir dem missbräuchlichen Handeln entziehen, indem wir die finanziellen Anreize deutlich senken, den fliegenden Gerichtsstand für diesen Bereich abschaffen – man kann sich also nicht mehr aussuchen, vor welchem Gericht man klagt – und den Kreis der Befugten beschränken.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben also schon richtig viel geschafft. Wir haben natürlich auch noch sehr viel vor; das ist ganz klar. Ich will nicht auf alles eingehen. Ich werde aber noch ein paar Worte zum Pakt für den Rechtsstaat sagen; denn die Stärkung unseres Rechtsstaates ist derzeit – das bekommen wir alle mit – so nötig wie selten zuvor. Beim Pakt für den Rechtsstaat handelt es sich nicht um ein Gesetz. Das ist keine Ansammlung von drei, vier oder fünf Maßnahmen. Der Pakt für den Rechtsstaat ist im Grunde genommen eine Daueraufgabe, die uns begleiten wird. Deswegen ist sie auch nicht auf mein Haus beschränkt, sondern ist zum Beispiel auch im Bundesinnenministerium verankert. Der Pakt wird letztendlich auf der Ebene der Regierungschefinnen und der Regierungschefs geschlossen. Für meinen Bereich ist entscheidend, noch einmal ganz klar zu machen: Behörden und Gerichte machen weit überwiegend einen exzellenten Job und kommen zu guten und richtigen Entscheidungen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Unser Rechtsstaat funktioniert gut. Er funktioniert deshalb gut, weil Gerichte belastbare Fakten für ihre Entscheidungen nutzen, weil sie unabhängig sind und weil ihre Entscheidungen möglichst transparent und nachvollziehbar kommuniziert werden.
Der Rechtsstaat muss immer an der Sache orientiert arbeiten und darf nicht auf einen schnellen Effekt abzielen. Er darf sich auch nicht von aufgeheizten Stimmungen in der Öffentlichkeit beeinflussen lassen. Nicht umsonst trägt Justizia eine Augenbinde. Jeder Mensch muss vor dem Gesetz gleich sein und gleich behandelt werden. Die Person – ob nun Täter oder Opfer, ob auf Klägerseite oder auf Beklagtenseite – darf keine Rolle spielen.
Ich werde mich deshalb immer schützend vor die Justiz stellen, wenn von welcher Seite auch immer Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte für die hervorragende Arbeit, die sie machen, angegriffen werden. Das ist eine hochanspruchsvolle Tätigkeit, der wir jeden Respekt zollen sollten.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Friedrich Straetmanns [DIE LINKE])
Dieser Respekt gilt dann auch den Urteilen, die diese Menschen treffen,
(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])
auch wenn sie einem im Einzelfall nicht gefallen mögen. Auch ich finde nicht jedes Urteil richtig, das ein deutsches Gericht spricht; aber es ist zu respektieren. Wer immer daran Zweifel sät, der sät auch Zweifel in das Vertrauen in den Rechtsstaat, und das ist fatal.
Ein konkretes Projekt, mit dem wir den Rechtsstaat fassbar machen, das ist das Forum Recht, das in diesem Haus fraktionsübergreifend unterstützt wird. Darüber freue ich mich sehr; denn wir brauchen einen Ort – den gibt es in Deutschland tatsächlich noch nirgendwo, und es gibt ihn auch weltweit in dieser Form nur zweimal –, der gewährleistet, dass Rechtsstaat tatsächlich erfahrbar wird und dass der Dialog über Rechtsstaat ermöglicht wird. Ich stehe voll und ganz hinter diesem Projekt und sage Ihnen mein persönliches Engagement dort zu.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN sowie des Abg. Dr. Danyal Bayaz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Schließlich: Natürlich brauchen wir gute Leute für den Rechtsstaat. Das ist grundsätzlich Ländersache; das wissen wir alle. Die Verfassung hindert uns daran, das Füllhorn zu öffnen und neue Stellen zu bezahlen. Das ist etwas, was wir in der Zusammenarbeit mit den Ländern machen wollen. Wir müssen die Justiz auch als Arbeitgeberin attraktiver machen.
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Wir brauchen eine gute Qualifizierung. Wir brauchen attraktive Fortbildungen. Wir brauchen ein breites Paket, und wir brauchen auch eine Kampagne, mit der wir unter anderem die Nachwuchsgewinnung fördern wollen. Auch das wollen wir tun.
Zum Abschluss. Sie kennen sicherlich das Zitat des ehemaligen Verfassungsrichters Böckenförde – die Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitiker unter Ihnen auf jeden Fall –, dass der Rechtsstaat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann. Was heißt das? Das heißt, dass der Pakt für den Rechtsstaat nicht etwas ist, was auf dieses Parlament beschränkt ist, sondern etwas, was die gesamte Gesellschaft fordert. Wir sind alle gefordert, wenn Angriffe gegen den Rechtsstaat gefahren werden, ihn aktiv zu verteidigen, sich aktiv davorzustellen. Wir wissen: Es ist sehr, sehr einfach, Vertrauen in den Rechtsstaat zu zerstören – das wollen auch einige –, und es ist unendlich schwer, solches verlorengegangene Vertrauen wiederaufzubauen. Deshalb lassen Sie uns jetzt – jetzt ist die Zeit dafür – gemeinsam für den Rechtsstaat einstehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Friedrich Straetmanns [DIE LINKE])
Für die Fraktion der AfD hat das Wort der Kollege Stephan Brandner.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7271346 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 49 |
Tagesordnungspunkt | Justiz und Verbraucherschutz |