13.09.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 49 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 07

Stefan RuppertFDP - Justiz und Verbraucherschutz

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen: Es ist wohltuend, einer Rede von Frau Barley oder eben auch von Herrn Harbarth zuzuhören. Zeigen sie doch, dass wir Demokraten Gemeinsamkeiten haben. Das ist beinahe ungewohnt; denn mit ihrer Nüchternheit und Sachbezogenheit fallen solche Reden in diesem Haus im Vergleich zu anderen in den Debatten fast schon auf. Man ist vielleicht geneigt, eine Rede wie die von Stefan Harbarth eben als eher nüchtern und trocken zu betrachten, aber nein, sie ist entlang des uns aufgegebenen Gegenstandes und damit zutiefst sachlich. Das sollten wir viel öfter praktizieren als manche Aufgeregtheit, die in der Regel auch von den Bürgern außerhalb dieses Hauses wenig goutiert wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Edgar Franke [SPD])

Ich möchte ein Lob aussprechen: Ich finde es gut, dass wir eine Justizministerin haben, die zuhört, die unaufgeregt arbeitet und Dinge aufnimmt und klug analysiert.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich finde, sie hebt sich damit wohltuend ab vom zweiten Verfassungsressort, das in Aufregungswellen über die „Mutter aller Probleme“ sinniert und damit leider Vertrauen zerstört, das wir dringend bräuchten und durch den Pakt für Rechtsstaatlichkeit, der auch intendiert und unterstützt wird, erst wieder mühsam aufbauen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich vermisse aber – ich bin ja ein Redner der Opposition – eine klare bürgerrechtliche Orientierung. Leider ist es immer noch so, dass es zur Vorratsdatenspeicherung, die quasi gerichtlich außer Kraft gesetzt und mit einer Art Moratorium versehen worden ist, keinerlei Regelungen gibt. Es wäre an der Zeit, dieses Gesetz außer Kraft zu setzen, und ich würde mir diesbezüglich eine Initiative einer Rechtsstaatspartei wünschen und auch dieser Ministerin. Darauf warten wir leider vergeblich.

(Beifall bei der FDP)

Genauso vergeblich warten wir auf eine Klärung bei § 219a StGB.

(Zurufe von der SPD: Wir auch! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Kommt!)

Wir haben gehofft, dass nach den Debatten, die wir am Anfang des Jahres geführt haben und die viele Menschen bewegt haben, jetzt auch eine Klärung herbeigeführt wird. Aber leider auch da: zu wenig Initiative.

Besonders frustrierend ist natürlich das Vorgehen bei der Mietpreisbremse. Da haben wir ein Instrument, das nach Aussagen sowohl des Mieterbundes als auch von Haus & Grund als auch von allen Wissenschaftlern nicht funktioniert hat.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das stimmt ja so nicht!)

Alle Seiten sagen: Dieses Instrument funktioniert nicht.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Nein! Da, wo sie gilt, funktioniert sie!)

Was machen Sie? Sie geben von einem Medikament, das schädliche Wirkung hat, einfach eine höhere Dosis.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der AfD)

Dieses Vorgehen, eine Regulierung in dieser Art und Weise, ist weder rechtsstaatlich sinnvoll noch entspricht das unserer Eigentumssystematik. Wir können überall auf der Welt sehen: Wo Preise festgesetzt werden – das ist ja der zweite Schritt, den Thorsten Schäfer-Gümbel in Hessen gefordert hat –, wo es einen Mietpreisstopp gibt, wo also einer Preisregulierung durch den Staat das Wort geredet wird, dort wird es weniger Wohnungen und steigende Mietpreise geben. Das ist am Ende eine fahrlässige Wohnungsbaupolitik, die zutiefst unsozial ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ökonomisch völliger Schwachsinn!)

Dann haben Sie im Bundeswirtschaftsministerium, das ja einmal den Anspruch hatte, wieder ein Hort ­Erhard’scher Marktwirtschaft zu werden, einen Beirat eingerichtet. Der sagt Ihnen von wissenschaftlicher Seite unisono: Was Sie dort machen, ist schlicht unwirksam. Es ist nicht der richtige Weg. Es ist falsch. – Die wissenschaftliche Expertise widerspricht Ihrem politischen Vorhaben. Was machen Sie? Sie verunglimpfen die Menschen, die in diesem Beirat für Sie tätig sind, die Sie beraten sollen, als neoliberale Spinner und werfen deren Rat schlicht in die Tonne. Man braucht keinen Beirat, wenn man das, was einem wissenschaftlich empfohlen wird, null beachtet. Ich weiß, dass Sie es mit der sozialen Marktwirtschaft im Wohnungsbaumarkt nicht so sehr haben. Wir könnten Ihnen empfehlen, was zu tun ist: weniger Bürokratie, einen Freibetrag auf die Grunderwerbsteuer, Senkung der Standards, Ausweisung von mehr Wohnraum. Denn aus den letzten Jahren wissen wir: Es fehlen 1 Million Wohnungen, insbesondere in den großen Ballungsräumen, und Ihre Politik wird dieses Problem weiter verschärfen.

(Beifall bei der FDP)

Am Ende will ich auch etwas zum Forum Recht sagen. Wir hatten jetzt mehrere Tagungen in Karlsruhe – hochinteressant –, wo Menschen sich mit der Frage befasst haben, wie man auf dem Gelände des Bundesgerichtshofs den Gegenstand Recht, der für viele trocken ist, greifbarer machen kann. Es geht dabei nicht um eine Musealisierung des Rechtsstaats, sondern es geht um seine Gegenwartsrelevanz und um seine Stärkung. Führende Rechtshistoriker, Zeithistoriker haben darum geworben, wie wir das Recht in seiner Relevanz für die Gewaltenteilung, auch für die Demokratie, sichtbarer machen. Ich finde es ein zutiefst sinnvolles Projekt. Es hat unsere Unterstützung, auch aus der Opposition. Ich wünsche mir eine allgemeine Beteiligung am Nachdenken darüber. Der Rechtsstaat ist eine der größten Errungenschaften, die wir in Deutschland haben. Er funktioniert – das hat Stephan Harbarth zu Recht gesagt – im internationalen Vergleich sehr gut. Er muss weiter verbessert werden, und wir müssen für ihn werben, sonst überlassen wir Menschen, die wir nicht haben wollen, das Terrain, und das wäre wirklich nicht schön. In einem solchen nicht rechtsstaatlichen Land möchte ich nicht leben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Der nächste Redner ist der Kollege Victor Perli für die Linksfraktion.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7271352
Wahlperiode 19
Sitzung 49
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz
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