27.09.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 52 / Tagesordnungspunkt 10

Helge LindhSPD - Änderung des Asylgesetzes

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben ja dieser Tage immer, dass das Thema Asylrecht leider das emotionalste und auch strittigste ist. Das war nicht immer so. Es waren nicht die schlechtesten Zeiten, in denen häufig konsensual und sachlich diskutiert wurde. Vielleicht ist so ein praktischer Veränderungsvorschlag auch mal ein Anlass, mit mehr Nüchternheit, mit dem Pathos der Nüchternheit praxisorientiert zu argumentieren, anstatt eine starke Emotionalisierung hineinzubringen, wie wir es tagtäglich erleben. Mein Wunsch wäre es wenigstens.

Ich halte den vorliegenden Vorschlag für einen, der den Ansprüchen eines menschlichen, eines humanitären Pragmatismus genügt. Wir haben in der Vergangenheit, in der letzten Legislatur, in der es eine große Dynamik bei den Änderungen am Asylrecht gab, erlebt, dass einige, die die Änderungen zwar mitgetragen haben, denen aber manches vielleicht nicht liberal genug war, die Verschärfungen nicht wirklich benannt haben, und andere wiederum, die sich mehr Verschärfungen gewünscht hatten, Liberalisierungen nicht benannt haben. Ich glaube, wir tun gut daran, ganz sachlich zu benennen, was ist. In dem Fall ist es eine Erhöhung der Anforderungen an Schutzberechtigte im Rahmen einer Mitwirkungspflicht im Widerrufs- und Rücknahmeverfahren, aber eine, die aus unserer Sicht, aus der Sicht unserer Fraktion, durchaus zumutbar und richtig ist.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU])

Wovon reden wir? Herr Staatssekretär Mayer hat es geschildert: Es geht darum, das, was bisher auch schon im Asylantragsverfahren galt, jetzt im Widerrufs- und Rücknahmeverfahren zu etablieren, und zwar mit den zwei Sanktionsmechanismen: Verwaltungszwang und Entscheidung nach Aktenlage.

Aus Sicht unserer Fraktion gibt es ja noch ein Parlament, und es macht Sinn, im parlamentarischen Verfahren zu prüfen, ob es noch andere Möglichkeiten, vielleicht praktikablere Möglichkeiten, bessere Möglichkeiten gibt, ob gegebenenfalls eine Vermutungsregelung sinnvoll ist. Aber das wird das parlamentarische Verfahren erweisen. Wir werden das besonnen, sachlich und, wie gesagt, sehr nüchtern zu prüfen haben.

Vier Gründe motivieren den Vorgang. Ein ganz profaner Grund: Es steht im Koalitionsvertrag, und es macht Sinn, Koalitionsverträge umzusetzen. Das wird von uns erwartet.

(Beifall bei der SPD)

Zum Zweiten gibt es eine Uneinheitlichkeit. Bisher bestand schon diese Pflicht im Antragsverfahren. So macht es durchaus Sinn, dies auch im Widerrufs- und Rücknahmeverfahren zu ermöglichen und zur Pflicht zu machen.

Zum Dritten ist eine Erkenntnis, die wir aus den Sondersitzungen zum BAMF gewonnen haben, dass tatsächlich Handlungsbedarf besteht, dass in diesem Zusammenhang große Unklarheiten bestehen und dass wir damit auch die Arbeit des BAMF auf eine sinnvolle Weise erleichtern können.

Der vierte Punkt ist, dass wir es – das muss man offen so benennen – in den Jahren 2015 und 2016 aufgrund des schriftlichen Verfahrens für viele Syrerinnen und Syrer mit einer Sondersituation zu tun hatten, in der im Einzelfall Fragen der Identität und Informationsgewinnung nicht immer ganz wasserdicht – salopp formuliert – beantwortet werden konnten.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)

Daher ist diese Maßnahme aus unserer Sicht eine Zumutung, die aber durchaus im Sinne der Betroffenen sein kann. Ich erinnere an den Anfang meiner Ausführungen: Es ist für diejenigen, die nichts zu befürchten und ganz korrekte Angaben gemacht haben, eine Frage der Gerechtigkeit, dass diejenigen, bei denen der Asylgrund nicht mehr besteht, oder solche, die getäuscht haben, mit Sanktionen rechnen müssen.

Darüber hinaus aber gibt es noch einen ganz anderen Grund. Wir haben alle erlebt, wie die Frage der Unklarheit von Identitäten zu einer erheblichen Erhitzung der Atmosphäre geführt hat; ein unbefriedeter Zustand, der häufig gerade auf Kosten berechtigt Geflüchteter ausgetragen wird. In diesem Zusammenhang ist es durchaus in ihrem Sinne, dass wir Ordnung und Klarheit in diesem Bereich schaffen, um dieses Feld, soweit es geht, zu befrieden, um diese Emotionalisierung und diese Unsicherheit durch mehr Ordnung herauszunehmen. Ich denke, auch dieses Argument ist valide und legitim.

Da alles in einem rechtsstaatlichen Verfahren erfolgt, muss man nicht die Unterstellung wagen, es sei ein Instrument, um jetzt möglichst viele Verfahren einfach ungeprüft zu widerrufen. Nein, das ist nicht der Fall. Es ist Ausdruck von Pragmatismus und Praktikabilität und steht auch nicht im Widerspruch zu dem, was Herr Schäuble richtigerweise gesagt hat, dass wir nämlich, wenn wir ehrlich sind, nicht behaupten können, dass alle oder der überragende Prozentsatz derer, die bei uns Schutz gefunden haben, schnell zurückkehren werden, sondern dass viele in diesem Land bleiben werden. Das ist kein Widerspruch zu einem menschlichen und pragmatischen Asylrecht, das wir in diesem Sinne verbessern wollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die nächste Rednerin ist für die FDP-Fraktion die Kollegin Linda Teuteberg.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7276583
Wahlperiode 19
Sitzung 52
Tagesordnungspunkt Änderung des Asylgesetzes
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