Lars CastellucciSPD - Islam
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie gern würde ich einfach zum nächsten Tagesordnungspunkt springen. Es ist wieder eine Stunde verlorene Lebenszeit, was wir hier miteinander betreiben müssen auf der Grundlage dieses Antrags.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei Abgeordneten der AfD)
Als ich Anfang 20 war, gab es das Wort zur gemeinsamen wirtschaftlichen und sozialen Lage der Kirchen in Deutschland. Da haben wir aufgetragen bekommen: Schaut doch mal in den Osten, was wir von da lernen können. Bildet runde Tische und schaut, ob wir nicht Probleme im Miteinander – im Miteinander! – lösen können in diesem Land. – Dann haben wir in meiner Heimatstadt einen runden Tisch für Arbeit gegründet. Daraus ist eine Beschäftigungsinitiative entstanden, die heute noch arbeitet und ein kleines Sozialunternehmen geworden ist, das Menschen Perspektiven bietet.
Dann gab es Grün-Rot in Baden-Württemberg, und wir haben mit Sozialministerin Altpeter den Passiv-Aktiv-Tausch erfunden, wieder Modellprojekte gemacht und gesagt: Wir wollen Arbeit finanzieren und nicht Arbeitslosigkeit. – Das hat wieder vielen Menschen geholfen. Aber wir hatten da nur die Möglichkeiten eines Bundeslandes. Und heute – endlich! – kommen wir einen Riesenschritt voran; das ist der nächste Tagesordnungspunkt. Ich freue mich darauf, dass wir endlich ein großes Programm haben, um Menschen, die am Arbeitsmarkt Schwierigkeiten haben, nach vorne zu bringen und ihnen zu helfen, ihnen Teilhabe zu ermöglichen. Das sind die Botschaften, die eigentlich ins Land müssen, und nicht das, was hier wieder vorgelegt wurde.
(Beifall bei der SPD)
Wir hätten auch länger über den letzten Tagesordnungspunkt reden müssen: dass wir Familien entlasten müssen, dass wir das über den Solidaritätszuschlag machen, dass wir das mit dem Kindergeld machen, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dabei gar nicht stehen bleiben wollen, weil es natürlich darum geht, dass uns in diesem Land jedes Kind gleich viel wert sein muss, dass wir nicht dabei stehen bleiben wollen, dass Kinder von Eltern, die mehr verdienen, am Ende vom Staat mehr Geld bekommen als Kinder von Eltern, die nicht so viel verdienen.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Kommen Sie mal zum Thema!)
Wir haben noch viel vor, weil wir die Kinderarmut in diesem Land nicht akzeptieren wollen und zurückdrängen müssen. Die Debatte hätten wir noch locker eine Stunde länger führen können, anstatt diesen Antrag hier zu beraten.
(Beifall bei der SPD)
Aber Sie fordern mich auf, zum Thema zu reden. Das können Sie jetzt gerne haben. Ich sage Ihnen: Dieser Antrag ist schlecht. Er ist ungenau. Er ist verleumderisch. Er ist unverschämt. Mehr ist dazu eigentlich gar nicht zu sagen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie schüren hier den Islamhass aus politischem Kalkül. Sie haben sogar eine Debatte über Gelder für den Zentralrat der Juden in der letzten Sitzungswoche dazu missbraucht, hier die Religionsfreiheit anzugreifen und Islamhass zu schüren. Es ist zum Fremdschämen, was Sie hier jede Woche vorlegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Ihr Antrag ist eine einzige Falschmeldung zu dem Zweck, Muslime in diesem Land zu stigmatisieren. Aber die Mehrheit der Muslime in diesem Land steht zur Demokratie und ist loyal zu unserem Land, und sie haben es nicht verdient, von Ihnen pauschal in eine Ecke gestellt zu werden.
(Beifall bei der SPD – Stephan Protschka [AfD]: Von zehn Bonbons sind zwei vergiftet, aber Sie essen Sie trotzdem, nicht?)
Wissen Sie, was ich eigentlich am interessantesten finde? Sie deuten den gesamten Islam fundamentalistisch aus. Aha! Das machen aber die Fundamentalisten auch. Damit offenbaren Sie Ihre eigene Geisteshaltung. Zwischen dem, was die Fundamentalisten vortragen, und dem, was Sie hier über den Islam vortragen, passt nämlich kein Blatt Papier.
(Beifall bei der SPD – Stephan Protschka [AfD]: Waren Sie denn schon mal in Neukölln oder so?)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Grundgesetz ist ein gutes Gesetz, und die Religionsfreiheit gilt für uns alle. Wir wollen unser Grundgesetz durchsetzen. Gesetz und Recht gelten für alle. Paralleljustiz lehnen wir ab; sie ist rechtswidrig. Wir gehen dagegen vor, sie wird nicht geduldet. Wir brauchen in diesem Land Debatten, die die Menschen zusammenführen. Wir müssen die Probleme benennen und lösen. Was wir nicht brauchen, sind Anträge, die nur neue Probleme schaffen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Ingmar Jung das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 19 |
Session | 55 |
Agenda Item | Islam |