Lars CastellucciSPD - Qualitätsmanagement beim BAMF
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns – und sie zahlen auch Steuern dafür –, dass die staatlichen Institutionen, die wir haben, funktionieren und ihre Arbeit gut machen. Deshalb ist es unsere Pflicht, für bestmögliche Verfahren und für eine bestmögliche Arbeit auch im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu sorgen. Die Hinweise, die wir aus dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen bekommen haben, werden wir uns anschauen; denn das Bessere ist der Feind des Guten, und Qualitätsmanagement im BAMF ist nicht irgendetwas, das irgendwann einmal beendet ist nach dem Motto: „Jetzt haben wir die Qualität, und anschließend läuft es dann“, sondern wir müssen ohnehin immer am Ball bleiben und auf die Qualität achten.
Im Ansatz unterscheiden wir uns allerdings; denn Sie stellen eine Reihe von Maßnahmen vor, und ich würde mit Ihnen zunächst gern über die Frage sprechen, was unsere gemeinsamen Ziele sein könnten. Ich habe mir drei für mich ganz zentrale Kennzahlen dafür herausgesucht. Ich denke, daran könnten wir messen, ob wir auf einem guten Weg sind. Offen gestanden sind das die Kennzahlen, die uns schon seit drei Jahren beschäftigen.
Erstens. Wie lange dauern eigentlich diese Verfahren? Viele Fragen, die wir hier im Bundestag miteinander behandeln, hängen damit zusammen, dass die Verfahren zu lange gedauert haben und dass wir dann mit Menschen zu tun haben, die hier schon seit vielen Jahren ansässig sind und natürlich angefangen haben, sich in diesem Land einzuleben, obwohl sie überhaupt noch nicht wissen, ob ihrem Antrag am Ende stattgegeben werden kann oder nicht. Wir hatten schon im Koalitionsvertrag von 2013 drinstehen: drei Monate Verfahrensdauer. Das ist das, was wir anstreben, und ich sage für die SPD-Bundestagsfraktion: Bei dieser Forderung bleiben wir. In drei Monaten sollte regelmäßig ein Asylantrag fair, gerecht und rechtsstaatlich ordentlich beschieden werden können.
(Beifall bei der SPD)
Aber dort sind wir noch nicht.
Zweiter Punkt: unbearbeitete Anträge. Ihre Zahl ist deutlich gesunken, sie droht aber im Moment wieder zu steigen; denn wir sind nun in der Phase, in der wir jeden genehmigten Asylantrag nochmals anschauen werden, und zwar genau deshalb, weil wir sicher sein wollen: Wer ist im Land? Wie ist es mit der Registrierung? Ist uns wirklich keiner durch die Lappen gegangen? – Deshalb macht es Sinn, jetzt im Rahmen dieser Widerrufsprüfung zu schauen: Wer ist im Land? Sind die Verfahren ordentlich gelaufen? Haben wir alle Daten usw. erhoben? Damit droht wieder ein Steigen der Zahl der liegengebliebenen Fälle. Das wollen wir nicht akzeptieren. Quantität und Qualität darf man nicht gegeneinanderstellen. Wir wollen, dass dieser Berg unbearbeiteter Verfahren nach und nach abgebaut wird.
(Beifall bei der SPD)
Ein dritter Aspekt betrifft die Frage: Wie viele dieser Verfahren sind eigentlich gerichtsfest? Dazu muss ich sagen, dass die Zahlen im Jahr 2017 alles andere als ermutigend waren. Es sind zwar Verfahren durchgeführt worden – ich glaube auch, mit großem Bemühen vieler Beteiligter –, aber am Ende muss man ja schauen, wie die Realität ist. Die Realität ist: Viele der Verfahren, über ein Drittel, waren am Ende nicht gerichtsfest. Wir müssen uns, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, das ehrgeizige Ziel setzen, diese Zahl auf jeden Fall auf unter 10 Prozent zu reduzieren, damit ordnungsgemäße Verfahren ihren Ausdruck darin finden, dass am Ende Gerichte sagen: Ja, das BAMF hat das Verfahren ordentlich durchgeführt und ist zur richtigen Entscheidung gekommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Alle diese Forderungen dürfen wir nicht einfach auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abwälzen, um quasi den Druck, den wir spüren, einfach weiterzugeben an die Beamtinnen und Beamten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern sie brauchen auch unsere Unterstützung dabei.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Was ich von der Führung des Bundesamtes einfordere, ist, dass man uns sagt, was das Bundesamt dafür braucht. Diese Offenheit der Kommunikation zwischen der Führung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und dem Innenministerium, klare Ansagen, wie viel Personal man braucht, wie es mit Befristung oder Entfristung aussieht, was man an Ressourcen braucht, diese klare Kommunikation muss gewährleistet sein.
Ich sage das jetzt auch noch mal – offen gestanden eher an die Adresse unseres Koalitionspartners –: Wenn wir diese Verfahren verbessern wollen, dann ist ein entscheidender Schlüssel, dass wir die unabhängige Verfahrensberatung, die wir in unserem Koalitionsvertrag vereinbart haben, wirklich auch in der Fläche unabhängig umsetzen. Wir wissen es aus den Niederlanden, wir wissen es aus der Schweiz: Wenn eine unabhängige Asylverfahrensberatung eingewoben ist in die Asylverfahren, dann dauern sie nicht so lange und dann sind sie am Ende vor Gericht auch eher bestandsfest, und das sollte ja unser gemeinsames Ziel sein.
(Beifall bei der SPD)
Das beste Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nützt uns allein gar nichts; denn die Probleme fangen ja nicht erst an, wenn bei uns Anträge gestellt sind.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Nein, die Probleme fangen mit Ihnen an!)
Ein Punkt ist zum Beispiel – der ist ganz zentral –, dass Menschen, die sich auf den Weg machen, sehr frühzeitig einschätzen können müssen – durch Beratung, durch Unterstützung und Hinweise, die sie nicht von Schleppern und Schleusern bekommen, sondern von ordentlichen Institutionen –: Habe ich eigentlich eine Chance, dass ein Asylantrag, den ich stelle, genehmigt wird in Europa, oder habe ich das nicht? Oder habe ich andere Möglichkeiten? Wir wollen uns aufmachen, ein Einwanderungsgesetz für dieses Land zu schaffen. Das gibt Menschen, die kein Anrecht auf Asyl haben, eine Chance auf einen anderen Weg, auf Arbeitsmigration; auch das wird unsere Asylverfahren entlasten, und dafür arbeiten wir in diesem Herbst ganz intensiv.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ein zweiter Punkt ist: Wo kommen denn die Menschen an? Die Menschen kommen, wenn sie über das Meer kommen, auf den Inseln an, in Griechenland, zum Teil auch in Spanien, viele in Italien. Wir müssen es schaffen, dass dort Asylverfahren schnell und rechtsstaatlich einwandfrei durchgeführt werden. Das ist überhaupt der Schlüssel: Gar nicht erst verteilen, gar nicht erst dieses Karussell in Gang setzen, sondern zu guten Verfahren, direkt wenn die Menschen Europa erreichen, kommen und dafür gemeinsame Standards in Europa durchsetzen. Wir brauchen ein europäisches Asylsystem, gemeinsame Standards. Es darf kein Zufall sein, ob man dort, wo man anlandet, eine Chance hat, ja oder nein. An dieser Europäisierung müssen wir mit aller Kraft arbeiten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ein letzter Aspekt, der in Ihrem Antrag, verehrte Frau Amtsberg, auch fehlt; er betrifft den für mich wichtigsten Punkt, und das ist die Integration. Denn das Bundesamt ist ein Bundesamt für Migration. Migration gibt es und wird es weiter geben. Am Ende kommt es darauf an, dass die Menschen, die dann hier sind, gut miteinander zusammenleben und das auch miteinander einüben können.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: „Einüben können“, super!)
Ich will, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch unser Kompetenzzentrum für das Thema Integration wird, dass wir es darin stärken. Wir wissen alle, worauf es ankommt: Es kommt auf Sprache an, es kommt auf Arbeit an, es kommt auf die Unterkunft an.
Aber das Allerwichtigste ist mir, dass wir Gelegenheiten schaffen, wo sich die Menschen begegnen können. Wenn ich in meinem Wahlkreis unterwegs bin und ich dann vielleicht eine ältere Dame treffe, die irgendwo im Stadtzentrum wohnt, und die mir dann sagt: „Herr Castellucci, ich fühle mich manchmal fremd im eigenen Land“, dann sortiere ich die nicht irgendwie links oder rechts ein mit ihrer Aussage, sondern ich nehme erst mal wahr, wie sie ihre Umwelt sieht. Sie sieht sie nämlich so, dass da andere Leute hingezogen sind, dass vielleicht viele weggezogen sind, dass plötzlich andere Sprachen um sie herum gesprochen werden, dass es vielleicht anders riecht; dass sich einfach viel verändert hat. Wir dürfen diese Menschen nicht alleinlassen darin, in dieser neuen Umwelt zurechtzukommen, sondern wir müssen für sie Gelegenheiten schaffen, einander zu begegnen, in Beziehungen miteinander zu kommen. Denn wenn wir einander begegnen, dann können wir uns kennenlernen, und wenn wir uns kennenlernen, dann können wir auch viele Ängste runterfahren, die in diesem Land vorhanden sind,
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Oh ja, genau!)
und dann können wir das auch gut miteinander schaffen, was Integration bedeutet, nämlich das gute Zusammenleben in unserem Land, von allen Menschen, die bei uns sind.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja, ja! Das danken Ihnen auch Ihre Wähler!)
Jetzt hat das Wort die Kollegin Linda Teuteberg, FDP.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7283079 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 59 |
Tagesordnungspunkt | Qualitätsmanagement beim BAMF |