08.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 61 / Tagesordnungspunkt 6

Lars HerrmannAfD - Einstufung als sichere Herkunftsstaaten

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als parlamentarischer Neuling, der ich nun einmal bin, lernt man nicht nur jeden Tag, sondern fast stündlich etwas Neues hinzu. Viele Abläufe unseres Parlamentsbetriebes erklären sich jedoch recht schnell von allein und sind auch nachvollziehbar, selbst wenn man nicht die hellste Kerze auf der Torte ist. Über das Vorgehen beim von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung von Georgien, Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer war ich jedoch etwas länger erstaunt als sonst. Die Bundesregierung lehnte nämlich erst am 18. Oktober 2018 – das ist noch gar nicht so lange her – genau an dieser Stelle einen gleichlautenden Gesetzentwurf der FDP-Fraktion ab. Nun bringt die Bundesregierung diesen als eigene Vorlage in das Parlament ein, welche sie noch vor drei Wochen so vehement abgelehnt hatte.

(Beifall bei der AfD)

Wenn man den Gesetzentwurf der Bundesregierung mit dem der FDP-Fraktion vergleicht, kommt man zu dem Schluss, dass zwei Unterschiede feststellbar sind. Zum einen hat die Bundesregierung offenbar Schwierigkeiten mit dem Alphabet; denn Georgien kommt vor Ghana in der alphabetischen Aufzählung. Das andere betrifft ausschließlich die Aktualität der Berichte, in denen begründet wird, warum diese Staaten sicher sind. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes im ursprünglichen Entwurf der FDP stammt von Ende Januar 2016. Die Bundesregierung bezieht sich in ihrem Gesetzentwurf auf Lageberichte des Auswärtigen Amtes von Februar 2018 für Algerien, von Januar 2018 für Marokko und von März 2018 für Tunesien. Jetzt müsste man meinen, dass die Bundesregierung bei einem solch elementaren und dringenden Thema ein paar sehr gute und gewichtige Gründe hat, einen inhaltsgleichen Gesetzentwurf zuerst abzulehnen und dafür einen eigenen einzubringen. Dass ein solch schwerwiegender Grund vorliegen könnte, darauf wies der Kollege Detlef Seif aus der CDU/CSU-Fraktion in seiner Rede vom 18. Oktober dieses Jahres sehr deutlich hin. Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll von diesem Tag, Seite 6338:

Wir hatten Sie

– damit sind die Kollegen von der FDP gemeint –

gebeten, den Antrag zu schieben, um eventuell auch weitere Länder berücksichtigen zu können, die im Moment in der Prüfung sind. Die FDP hat das abgelehnt. Da bleibt uns heute nichts anderes übrig, als dem Beschlussvorschlag des zuständigen Innenausschusses zu entsprechen. Wir laden Sie aber gerne ein, bei dem Gesetzentwurf der Bundesregierung positiv mitzuwirken.

Nun, sehr geehrter Herr Kollege Seif, ich kann den Gesetzentwurf der Bundesregierung drehen und wenden, wie ich will, aber ich finde leider keine weiteren Länder außer Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien. Es bleibt exakt bei den Ländern, die seinerzeit die FDP schon vor drei Wochen vorgeschlagen hatte.

(Beifall bei der AfD)

Ich möchte gerne auf die Begründung im Gesetzentwurf eingehen. Warum sieht die Bundesregierung ausgerechnet bei diesen Staaten die Einstufung als sichere Herkunftsländer als erforderlich? Zuerst führt die Bundesregierung das Argument an, dass in Deutschland noch immer viele Asylanträge gestellt werden, die von vornherein sehr geringe Erfolgsaussichten haben, und diese Anträge daher zügig bearbeitet und entschieden werden können, sodass im Fall einer Ablehnung auch die Rückkehr schneller erfolgen kann. Kommen wir also zu den konkreten Fallzahlen. Im Jahr 2017 nahm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 222 683 Asylanträge an. Davon waren 1,5 Prozent aus Georgien, 1,05 Prozent aus Algerien, 1,06 Prozent aus Marokko und 0,25 Prozent aus Tunesien. Sehr geehrte Damen und Herren, ich wiege satte 106 Kilo.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das ist zu viel!)

Wenn ich 0,25 Prozent abnehme, bin ich immer noch kräftig gebaut. Wie die Bundesregierung hier „viel“ definiert, verwundert mich sehr.

(Beifall bei der AfD)

Es muss also noch andere Gründe geben.

Jetzt zu dem Argument, dass der Aufenthalt in Deutschland schneller beendet wird und die Abschiebung zügig erfolgen kann. Derzeit befinden sich 234 603 ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland. Ich meine „Ausländer“ hier nicht abwertend, sondern als Arbeitsbegriff im Sinne des Aufenthaltsgesetzes oder des Asylgesetzes. 234 603, diese Zahl steigt übrigens ständig. Seit 2016 ist sie um 13 Prozent gestiegen, und das ist viel. Mit Stand 30. April 2018 befinden sich rund 4 000 marokkanische, 1 500 tunesische und 3 900 algerische Staatsangehörige in Deutschland, die ausreisepflichtig sind. Die noch nicht erfolgte Abschiebung dieser ausreisepflichtigen Ausländer hängt nicht an der bisher fehlenden Einstufung als sichere Herkunftsländer, sondern ist ein Beleg für die Unfähigkeit der Bundesregierung und das Scheitern der von Frau Merkel ausgerufenen nationalen Kraftanstrengung zur Rückführung.

(Beifall bei der AfD)

Nun könnte man fast meinen, die AfD-Fraktion sei gegen die Einstufung dieser Staaten als sichere Herkunftsländer; aber dem ist nicht so – ganz im Gegenteil. Ich möchte hier noch weitere und nicht ganz unwichtige Gründe darstellen, warum dringend gehandelt werden muss.

Beginnen wir heute ausnahmsweise mit Georgien. Es werden Gruppen der organisierten Kriminalität aus Georgien noch immer als eine der am häufigsten vertretenen Nicht-EU-Nationalitäten gemeldet, die an schwerer und organisierter Kriminalität in der EU beteiligt sind. Georgische Gruppen und organisierte Kriminalität sind äußerst mobil, vorrangig an organisierter Eigentumskriminalität beteiligt, insbesondere an organisierten Einbrüchen und Diebstählen, und sie sind besonders aktiv in Frankreich, Griechenland, Deutschland, Italien und Spanien. Sie stellen eine besondere Bedrohung für die EU dar, weil ihre Aktivitäten oftmals als niedrige Verbrechen abgetan werden, weil die Kontrolle, die sie auf kriminelle Märkte ausüben, stetig zunimmt und sie mit anderen Gruppen der organisierten Kriminalität außerhalb der EU zusammenarbeiten. – Diese Einschätzung stammt aus einem Bericht der Europäischen Kommission vom 20. Dezember 2017 an das EU-Parlament und den Rat.

Nur leider kommt man eben auf europäischer Ebene nicht zu der richtigen Schlussfolgerung, georgische Staatsangehörige erst einmal visumspflichtig zu machen; nein, man versucht das lange und zähe Verfahren über die Regelung für sichere Herkunftsländer und spielt damit nur der georgischen Mafia in die Hände.

(Beifall bei der AfD)

So spricht auch die Kriminalitätsstatistik eine eindeutige Sprache. Dort heißt es:

Der Anteil der Fälle mit Tatverdächtigen aus den Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien und Marokko sowie aus Georgien war weiterhin deutlich höher als der Anteil dieser Nationalitäten an der Gruppe der Zuwanderer ...

Bei den Maghreb-Ländern liegt der Anteil an Straftaten, die durch Zuwanderer begangen werden, bei 14 Prozent. Georgische Staatsangehörige begehen 5 Prozent der Straftaten und machen gerade einmal 0,8 Prozent der Zuwanderer aus, aber davor scheint die Bundesregierung die Augen verschließen zu wollen.

(Beifall bei der AfD)

Noch einmal: Es spricht nichts dagegen, Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien als sichere Herkunftsländer einzustufen. Jedoch wird der von der Bundesregierung erhoffte Effekt, Deutschland als Zielland unattraktiv zu machen, mit dieser Maßnahme allein nicht funktionieren. Nur wenn gleichzeitig auch der Druck auf die Maghreb-Staaten dahin gehend erhöht wird – und zwar merklich –, dass diese ihre Staatsbürger zurücknehmen – bei Georgien funktioniert das – und Deutschland auch eine konsequente Abschiebungspolitik betreibt, wird eine Verbesserung spürbar sein. Gleichzeitig bringen alle mühevoll durchgeführten Abschiebungen nichts, wenn die Betroffenen problemlos wieder nach Deutschland einreisen können.

(Beifall bei der AfD)

Wir brauchen also auch noch einen effektiven Grenzschutz.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächster hat das Wort der Kollege Helge Lindh, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/cvid/7289143
Wahlperiode 19
Sitzung 61
Tagesordnungspunkt Einstufung als sichere Herkunftsstaaten
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