08.11.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 61 / Tagesordnungspunkt 27

Gyde JensenFDP - Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang

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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! China ist nicht irgendein Land; das haben wir heute schon mehrfach gehört. Wir müssen, wenn wir über China reden, wissen, mit was wir es eigentlich zu tun haben. China ist ein Land der Gegensätze: Große Armut steht entgrenztem Reichtum gegenüber. Viele Menschen auf dem Land leben so wie wir vor 100 Jahren, und andernorts wachsen die Megacitys aus dem Himmel. Es ist ein Land, das in bipolaren Machtstrukturen denkt, in einem Mächtegleichgewicht zwischen der Volksrepublik und den USA. Dazwischen ist Europa kein machtpolitischer Faktor mehr.

Es ist nicht übertrieben, zu sagen: China ist die größte Herausforderung, wenn es darum geht, die Idee der Menschenrechte, die für jeden Einzelnen gleichermaßen gelten sollten, zu verteidigen, und zwar nicht, weil wir es mit einer kommunistischen Diktatur zu tun haben, sondern weil es prominente Nachahmer gibt – Russland, bald eventuell Brasilien –, die die liberale Weltordnung vollends infrage stellen; Herr Brand hat es auch angesprochen. Die Achse der Illiberalen wächst in einer Welt, die sich zunehmend in diejenigen unterteilt, die einem neuen Staatsautokratismus anhängen, und diejenigen, die sich der liberalen Demokratie verpflichtet fühlen.

China ist doch das beste Beispiel dafür, wie wichtig freiheitliche Werte in einer digital vernetzten Welt sind.

(Beifall bei der FDP)

Schon heute gibt es einen staatlichen Benimmkatalog – wir haben es gehört –, eine gelenkte Staatserziehung, quasi eine „Stasi 4.0“. Das ist nichts anderes als die Perversion liberaler Grundsätze, Grundsätze, für die die Menschenrechte seit 70 Jahren stehen. Das hätte sich George Orwell in „1984“ nicht besser ausdenken können. Wir müssen da ganz klar sein: Eine Trennung von universellen Werten und ökonomischem Profit ist die Kapitulation vor Chinas Staatskapitalismus, ein Freifahrtschein für die Untergrabung der Menschenrechte.

Meine Damen und Herren, die Situation der Uiguren ist symptomatisch für ein Land, das mit allen Mitteln nach Macht strebt. China hat jahrelang über das Bestehen von staatlichen Umerziehungslagern gelogen, sie gar Ausbildungslager genannt, auch gerade erst wieder – ich war da – vor dem UPR, dem Universal Periodic Review, in Genf. Das ist eigentlich eine Frechheit, will man sagen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Frank Heinrich [Chemnitz] [CDU/CSU])

Menschen verschwinden einfach, ohne dass ihre Angehörigen und Freunde wissen, ob sie noch leben und wo sie sich befinden. Millionen Uiguren werden in China – wie auch Tibeter und Mongolen – wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Diese Masseninternierungslager müssen international angeprangert werden, und die Vereinten Nationen müssen ungehinderten Zugang zur Region Xinjiang erhalten. Herr Brand hat es angesprochen: Wir als Menschenrechtsausschuss wollen genau dorthin fahren. Wir wollen nicht akzeptieren, dass wir als einziger Ausschuss keine Einladung der Chinesen bekommen. Ich möchte gerne mit Ihnen, Vertreterinnen und Vertretern des Ausschusses, nach China reisen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im neu aufgenommenen Menschenrechtsdialog mit China müssen deswegen die Bundesregierung und auch die EU mehr Haltung zeigen, genau hinschauen und deutlich kritisieren. Hausarreste, Repressionen gegen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, Umerziehungscamps und digitale Sozialüberwachung lassen jede Bereitschaft zur Freiheit vermissen. Aber genau auf diese Freiheit und auf einen klaren Wertekompass kommt es in einer vernetzten Welt an.

Wenn Europa für China kein Machtfaktor ist, wenn wir nicht klarmachen, was wir bei der Umsetzung von Menschenrechten erwarten, dann droht Europa im bipolaren Spiel der Mächte zerrieben zu werden. Das können wir hier nicht hinnehmen, das kann der Deutsche Bundestag nicht hinnehmen; denn Multilateralismus muss auf gemeinsamen Werten aufbauen, Menschenrechte müssen immer Teil der Lösung sein. Nur mit einer wertefesten Europäischen Union können wir diese Aufgabe bewältigen und globale Regeln gestalten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE])

Das Wort hat der Kollege Stefan Liebich für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7289641
Wahlperiode 19
Sitzung 61
Tagesordnungspunkt Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang
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